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Zugesetzt: E473

 

Paprikaschaum und Rotbarbe

Das Leben ist manchmal auch in der Küche nicht ohne Widersprüche. Links blinken und dann rechts abbiegen gehört nicht zu meinen geübten Verhaltensweisen. Doch wie in diesem Blog schon an anderer Stelle beschrieben wurde, führen einfache Wahrheiten auch nicht immer ans Ziel. Slowfood hin, Regionalprodukte her – wenn Entwicklung stattfinden soll, kann ich nicht immer nur bei den geübten Standards bleiben und gleich einem Öko-Fundi sämtliche Zutaten aus dem Bioladen und vom Bauern meines Vertrauens beziehen.

So begebe ich mich mitten im Winter mit Schwung auf glattes Eis und bekenne freimütig:
Ich verwende manchmal Lebensmittel-Zusatzstoffe. Im konkreten Fall E473, Zuckerester von Speisefettsäuren.
Der wird unter dem Namen „Sucro“ als Produkt der Reihe „Texturas“ von Albert und Ferran Adria vertrieben und wirkt als Emulgator. Mit ihm kann man wunderbare, stabile Schäume erzeugen. In der Rezeptur, deren Bild zu sehen ist, wird damit eine Paprika-Luft erzeugt. Ein kräftiger Vanille-Krustentier-Sud mit einem dicken Rotbarbenfilet bekommt einen Löffel „Luft“ ab. Um die Luft herzustellen wird Paprika entsaftet. Mit Chili Chipotle oder Piment d´Espelette wird der Geschmack des Saftes verstärkt, dann wird Sucro zugegeben und mit dem Stabmixer aufgeschäumt. So kann dem Gericht neben Sud und Fisch eine dritte, wesentliche Komponente hinzugefügt werden, deren Geschmack, Textur und Temperatur sich von den anderen beiden Bestandteilen unterscheidet.

Sicherheit:
Über eine gesundheitsschädigende Wirkung von E473 ist nichts bekannt. Beim Abbau im Körper wird der Ester in seine Bestandteile gespalten und diese werden in den Stoffwechsel eingefügt.

E473 ist einer von vielen Lebensmittel-Zusatzstoffen, die dem Verbraucher tagtäglich begegnen. Er ist in Kaugummi, Speiseeis, Blätterteiggebäck, Süsswaren, Getränken enthalten. Wer all das vermeidet, dem begegnet E473 dann bei Frischobst (zur Oberflächenbehandlung).
Wir sollten uns der Lebenswirklichkeit stellen und den Tatsachen ins Auge sehen. Als mündige Verbraucher den Unterschied erkennen, ob ein Stoff die Produkteigenschaften verbessert, uns dabei hilft Neues zu schaffen und um besser zu essen, unseren Genuss zu erhöhen. Oder ob ein Stoff nur deshalb eingesetzt wird, um ein Produkt länger haltbar oder billiger zu machen. Wir sollten den Unterschied erkennen, ob Kurkuma zugesetzt wird um Safran oder Eigelb vorzutäuschen oder ob das Curry, dessen Hauptbestandteil Kurkuma ist, wichtig für den Geschmack des Gerichtes ist (notabene: Kurkuma hat auch eine E-Nummer, ist also ein Lebensmittelzusatzstoff, der sogar unter bestimmten Umständen kennzeichnungspflichtig ist!)

Natürlich kann man sich von unverarbeiteten Lebensmitteln ernähren bzw. von solchen, die man ab dem Rohzustand ausschließlich selbst weiterverarbeitet. Aber entspricht das dem gelebten Alltag, wenn man sich nicht gerade selbst zur Ein-Mann-Randgruppe machen möchte?

Sollen wir unsere Kinder von den Süßigkeiten, die voll mit Lebensmittelzusatzstoffen sind, völlig fernhalten? Gleich den Amish uns dem Fortschritt verweigern? Soll es auf Kindergeburtstagen nur noch die Gummibärchen aus dem Reformhaus geben? Ich ahne jetzt schon, was mir die lieben Kleinen dann erzählen, wenn sie mal 16 sind…

Manchmal geht es mir ein bisschen auf den Keks, wenn das Wort „Molekularküche“ so prononciert ausgesprochen wird, als würde für jeden Teelöffel Zuckercouleur ein Jahr Fegefeuer drohen und als wären Ablass-Briefe für diese lässlichen Sünden nur bei den selbsternannten Gralshütern traditioneller Küche erhältlich.

Ich wünsche mir aufgeklärte Gäste, die neugierig und ohne Dogmen auf kulinarische Entdeckungsreise gehen. Die sich kritisch und offensiv mit Lebensmitteln beschäftigen, die fragen und die verstehen. Jeder Koch hat seine Handschrift, jeder Gast seine Vorlieben, gute Gastronomie ein lebendiges Konzept. Wir sind Gastgeber mit Qualitätsanspruch, doch ohne Pauschalrezepte.