Aus nachrichtlicher Sicht hätte sich das Filmteam von VICE wohl kaum einen besseren Zeitpunkt aussuchen können, um eine Reportage in Kabul zu drehen. Schon in der ersten Nacht griffen die Taliban ein Luxushotel an, keine zwei Wochen später wurde der Bruder von Präsident Karsai ermordet.
Reichlich Gesprächsstoff für Fotograf Henry Langston und Journalist Conor Creighton, die für ihre halbstündige Dokumentation Cables from Kabul unterschiedliche Milieus der afghanischen Hauptstadt besuchten. Für die Aufnahmen trafen sie korrupte Polizisten, junge Drogenabhängige, Gefängnisinsassen, Minenopfer und ehemalige Profisportler. So unterschiedlich die Personen und ihre persönlichen Schicksale auch sind, sie alle sind unmittelbar mit dem Krieg verbunden, der seit zehn Jahren das Land bestimmt und dessen Zukunft weiterhin ungewiss ist.
Cables from Kabul folgt, wie viele VICE-Produktionen, einer unorthodoxen Herangehensweise. Zwar erfährt der Zuschauer einige Hintergrundinformationen, doch vor allem geht es um die Sinneseindrücke der Reporter, die in ihrer Sprach- und Bilderwahl öfters eine gewisse journalistische Distanz vermissen lassen. Nicht zuletzt liegt gerade in diesem anderen Blickwinkel aber auch der Unterschied zu traditionellen nachrichtlichen Reportagen. Sieht man über einige wenige Unzulänglichkeiten hinweg, bietet Cables from Kabul vor allem eines: einen interessanten und vielseitigen Einblick in den Alltag Afghanistans.