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Kurzfilm-Thriller: „L’Accordeur“

 

Der Thriller in Kurzfilmform ist ein schwieriges Unterfangen – jedenfalls kommt mir das so vor. Wie schafft man es, den Zuschauer von der ersten Sekunde an zu fesseln, ohne ihn mit vorhersehbaren Dialogen oder schnarchigen Stereotypen zu langweilen? Wie, eine Handlung zu erzählen, die genau die richtige Mischung aus Originalität und Umfang trifft?

Der preisgekrönte französische Kurzfilm L’Accordeur (Der Klavierstimmer) von Olivier Treinier aus dem Jahr 2010 könnte als positives Beispiel vorangehen. Er erzählt die Geschichte eines Pianisten, der einst ein Wunderkind galt und dabei den Durchbruch verfehlte. Fortan verdient er sich als Klavierstimmer sein Brot, aber mit einer Besonderheit: Er gibt sich als blinder Klavierstimmer aus – weil dann die Menschen freundlicher und offener seien. Doch das falsche Leben als Blinder hat nicht nur Vorteile und bringt den sarkastischen Musiker schon bald in eine unangenehme Situation…

L’Accordeur fängt in kürzester Zeit eine ganze Palette unterschiedlicher Stimmungen und Themen ein: Es geht um das Scheitern und Depressionen, um Voyeurismus, Gewalt und natürlich auch Musik. Gepaart mit einer wunderbaren Erzählgeschwindigkeit, die in den richtigen Momenten zwischen schnellen, cleveren Dialogen und ruhigen Monologen wechselt und schließlich in einen „unerhörten Moment“ mündet. All das macht einen guten Thriller aus, und L’Accordeur gelingt in gerade einmal zwölf Minuten, wofür andere einen ganzen Spielfilm brauchen.

Update: Der Film wurde von den Machern inzwischen depubliziert.