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Die deutschen YouTube-Originalkanäle (Teil 1)

 

Die Macher der deutschen Original Channels (© YouTube/Tobias Koch)

YouTube bietet mehr als verwackelte Katzenvideos. Das glaubt vor allem YouTube selbst, weshalb die Videoplattform seit vergangenem Herbst massiv in ihre „Original Channels“ investiert: Spartenkanäle, deren Inhalte professionell produziert und betreut werden. Die Idee ist einfach: YouTube legt die Produktionskosten vor und behält dafür im Gegenzug einen Teil der künftigen Werbeeinnahmen ein. Bislang gab es diese Premiumkanäle nur in den USA. Anfang Oktober aber kündigte YouTube an, künftig auch europäische Produktionen aufzunehmen, darunter zwölf aus Deutschland.

Seit vergangener Woche sind neun dieser zwölf Kanäle auf Sendung, die restlichen drei (zqnce, High5 und Shortcuts) starten im Dezember. Ein guter Zeitpunkt also, einen Blick auf das Programm zu werfen, dass nach eigenen Angaben keine Konkurrenz zum klassischen Fernsehen sein soll. Stattdessen möchte YouTube „unterrepräsentierte Interessen“ bedienen, wie es Manager Robert Kyncl betonte. Um herauszufinden, ob das gelingt, habe ich mich einen Vormittag lang durch die Tube gezappt. Um es vorweg zu nehmen: Es war nicht immer leicht.

Ponk

Los geht es mit einem richtigen Schwergewicht. Ponk ist eine WG in der Kölner Innenstadt, die von einer handvoll junger Männer (und einer Frau) bewohnt wird, den „Ponks“. In wenigen Wochen hat es der Kanal  auf über 170.000 Abonnenten gebracht. Nicht ganz zufällig, denn hinter Ponk steht mit Philipp Laude ein Macher von Y-Titty, der erfolgreichsten deutschen Self-Made-Comedy auf YouTube. Offenbar hat er einen Teil der Fans gleich mitgebracht.

Auch sonst schlägt Ponk in eine ähnliche Kerbe wie Y-Titty: Die Protagonisten albern sich durch den Tag, immer mit einem Blick auf die Jugend- und Videospielkultur, die in den montaglichen Sketchen verwurstet wird. An anderen Tagen dürfen die Ponks dann auf die Straße und versuchen sich mit Street Ponk an Improvisations-Comedy, oder sie filmen sich bei Real Ponk selbst bei ihren Aktivitäten. Das Home-Video-Flair ist gleichzeitig Fluch und Segen: Zeitweilig entstehen aus der Situation heraus durchaus lustige Momente. An anderen Stellen aber scheinen sich die Ponks selbst zu fragen, was sie eigentlich noch Witziges sagen sollen.

Dass die Macher Erfahrung mit Webvideos haben, zeigen sie in YouPonk, wo Eindrücke und Fragen aus der Community behandelt werden. In einer Episode schneiden die Ponks aus den Videoantworten der Communiy eine eigene Geschichte zusammen, spielen die Reaktionen also wieder in den Kanal zurück und machen die Zuschauer damit zum Teilnehmer – das ist clever. Und unterhaltsam, wenn man auf diese Art des sehr jugendlichen Humors steht.


What’s for (b)eats?

Deutlich gediegener geht es bei What’s for (b)eats? zu. Wie der Titel verrät, geht es bei dem Format um die Schnittstelle von Essen und Musik. Moderiert wird der Kanal von Fernsehkoch Steffen Henssler, der nach Visiten beim NDR, Vox und dem ZDF nun seine kulinarischen Fähigkeiten auch online feilbietet. Statt täglich wechselnden Shows besteht What’s for (b)eats aus einer großen Sendung, die in einzelne Segmente gegliedert ist. Der jeweilige Gast oder die Band kochen und essen zunächst mit Henssler, bevor es in zehnminütigen Episoden vor allem um die Musik geht: Es gibt Geschichten aus dem Tourbus, Lieblingsplatten und mit Unplugged auch noch eine musikalische Kostprobe.

Das Format funktioniert. Zum einen, weil die Sendung weder eine reine Kochshow noch eine reine Talkrunde ist, sondern von der Ausrichtung eher an den ungezwungenen Rahmen eines Zimmer Frei! erinnert. Zum anderen, weil die ersten Gäste wie der Hamburger Popmusiker Johannes Oerding und die Punkrocker von Jupiter Jones eben nicht wöchentlich im Fernsehen zu sehen sind. Damit könnte der Online-Tochterfirma von Endemol tatsächlich eine kurzweilige, alternative Musikshow im Netz gelungen sein.

Die Betonung liegt auf könnte. Denn What’s for (b)eats? entsteht in Kooperation mit Sony Music und läuft Gefahr, bloß ein geschickt verpackter Promo-Kanal für Sony-Künstler zu werden. Dass Sony überhaupt einen eigenen YouTube-Kanal mitgestaltet, gleichzeitig aber viele Musikvideos aus dem eigenen Haus gar nicht in Deutschland abrufbar sind, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Motorvision

Motorvision kennen PS-Liebhaber vom gleichnamigen Programm auf dem Bezahlsender Sky. Der Online-Kanal setzt auf die gleichen und wenig überraschenden Inhalte: Es gibt zwei Sendungen mit Autotests, einmal für „normale“ und einmal für Off-Road-Wagen, sowie eine virtuelle Fahrschule, in der junge Menschen gezeigt bekommen, wie man in besonderen Fahrsituationen reagiert. Auf der unterhaltenden Seite gibt es mit den Adrenalin Junkies eine Serie, die den Arbeitsalltag von Stuntmen begleitet, natürlich stilecht gefilmt mit reichlich Reifenquietschen, Explosionen und Stromgitarren zur Beschallung. Das kann man mögen als Freund von Serien wie Alarm für Cobra 11 und Tuning-Shows auf RTL2 und Kabel1. Muss man aber nicht.

Wirklich, wirklich schlimm ist aber Einfach mal Reinsetzen, das „interaktive Car-Comedy-Format“, in dem zwei „Comedians“ herausfinden möchten, wie witzig man in einem bestimmten Auto sein kann, indem sie eingesandte Sketche nachspielen. Vom Auto sieht man in den scheinbar nie enden wollenden zwölf Minuten wenig, von Witzen leider gar nichts. Die beiden Herren heißen Benedikt und Amaretto, und um diese Show lustig zu finden, braucht es mehr als nur eine Flasche des Likörs.


Onkel Bernis Welt

Endlich normale Leute! Hatte ich gehofft, als ich in Onkel Bernis Welt hineinzappte. Stattdessen empfängt mich ein Mittzwanziger mit schwarzem Hut auf einer Berliner Straßenkreuzung, der so aufgedreht ist, als sei er gerade am Montagmorgen aus einem Technoclub gefallen. Wie ich später erfahre, ist der junge urbane Mensch eine Hälfte von Onkel Berni, einem Bandprojekt, das schon länger unter anderem für eine große deutsche Boulevardzeitung Webvideos dreht. Onkel Bernis Butze ist an eine Late-Night-Show angelehnt, gefilmt wird aus einem Wohnzimmer in Friedrichshain mit regelmäßigen Gästen.

Die Gäste jedenfalls dürfen einem leidtun, auch wenn sie ihr Bestes geben. Denn was sich selbst als „eine Art Best of YouTube“ beschreibt, ist flacher als das Berliner Umland. Die mutmaßlich besten Videos der Woche sind zum Teil Jahre alt, die Gespräche verdienen die Bezeichnung nicht, die Einspieler strotzen vor pubertärem Humor, vor Gerülpse, Gehampel und platten Anspielungen, sodass im Vergleich selbst die beiden Blödelbarden Joko & Klaas wie anspruchsvolle Spaßprofessoren erscheinen. Als dann noch eine Parodie des Modedesigners Harald Glööckler auftritt, eine Pornodarstellerin zweideutige Rezepte vorlesen muss und die Herrschaften auf dem Boden wrestlen, bin ich raus. „Fernsehen ist doof“, heißt es in einem Jingle von Onkel Bernis Welt. Doofer als diese Show kann es kaum sein.

Happy and Fit

Nach so vielen Rohrkrepierern und Schnauzbärten am Stück muss ich erst mal runterkommen. HappyAndFit heißt der Kanal für Fitness und gute Laune, die Inhalte sind schnell erzählt: Jeden Tag gibt es Erklärbärvideos zum Mitschwitzen und Nachtanzen: Yoga und Pilates (für Anfänger bis Fortgeschrittene), Dance- und Fitnessworkouts, vorgetragen von jungen, attraktiven Menschen, die auch bei den fiesesten Verrenkungen noch ein Lächeln im Gesicht haben. Apropos Lächeln: Abgerundet wird der Kanal mit Motivationstipps à la „Glück ist… in die Scheiße zu springen.“ Ein Sprung unter die Dusche wäre nach diesen Übungen vielleicht besser.

Hier geht es zum zweiten Teil und einem vorzeitigen Fazit der kleinen Rundreise durch die deutschen Originalkanäle.