Die Darstellung von Frauen in Videospielen ist meistens eine einseitige Angelegenheit. Zwar bieten viele Spiele die Möglichkeit, einen weiblichen Hauptcharakter zu spielen, doch die klassischen Gender-Stereotypen sind noch immer die Norm. Wenn Frauen überhaupt auftreten (Stichwort Egoshooter), sind sie entweder hilflos und müssen vom männlichen Helden gerettet werden (das sogenannte „Damsel in Distress„-Phänomen), oder sie sind pixelgewordene Männerfantasien, die auch gerne mal draufhauen (das „Tomb Raider“-Phänomen). In den meisten Fällen sind sie sowohl gutaussehend, als auch hilflos.
Die Medienwissenschaftlerin und Videospielerin Anita Sarkeesian bloggt unter Feminist Frequency unter anderem über diese Unzulänglichkeit. Vergangenes Jahr hat sie in einer Kickstarter-Kampagne um Unterstützung für eine Webserie gebeten, in der sie Sexismus und Stereotypen in Videospielen analysieren möchte.
Die erste Resonanz war vor allem erschütternd: Sarkeesian musste sich unter anderem mit Beschimpfungen und Hasstiraden auseinandersetzen, ihre Wikipedia-Seite wurde mehrmals mit pornografischen Inhalten überflutet. Die Reaktionen zeigten, dass sich in der Videospielszene möglicherweise ein viel größerer Sexismus versteckt als angenommen, der gerne als harmlose Tradition abgetan wird. Games seien eben so, heißt es oft, und die Darstellung der männlichen Figuren sei schließlich auch stets ähnlich. Gleichzeitig aber müssen weibliche Spielerinnen fast täglich Anfeindungen und Anspielungen ertragen, wie sie die Seite Fat, Ugly or Slutty sammelt, und auch unter den Entwicklern befinden sich weiterhin kaum Frauen. Der Journalist Rainer Sigl schreibt dazu auf Video Game Tourism:
[Dass] Spiele mit sexistischen Motiven operieren, ist nur ein winziges Mosaiksteinchen eines schwer zu leugnenden Befundes: Nicht nur in den Spielen selbst, sondern auch in der dazugehörigen Industrie und in einem selbstbewusst-lauten Anteil der Spielerschaft ist ein problematischer, oft aggressiver Sexismus die Norm, die zudem in einem falschen Verständnis von „Spielkultur“ im Reflex verbissen verteidigt wird.
160.000 Dollar per Kickstarter
Dem Erfolg von Sarkeesians Projekt tat die Diskussion keinen Abbruch, sondern beflügelte sie eher noch. Am Ende brachte die Kampagne fast 160.000 US-Dollar anstelle der erhofften 6.000 ein und aus fünf geplanten Episoden wurden zwölf.
Die erste Episode von Tropes vs. Women ist seit dem Wochenende online. Sarkeesian beschäftigt sich damit vor allem mit der Damsel in Distress, und wie diese Trope schon in frühen Videospielen wie Donkey Kong und Super Mario etabliert wurde – und bis heute die Norm ist. Vor allem Nintendo zieht diese Darstellung durch viele Spiele durch.
Sarkeesian wählt für ihr Format einen nüchternen und unaufgeregten Ansatz, ohne sich dabei mit trockener Theorie zu befassen. Behutsam wurden die Zuschauer in die Problematik eingeführt, einen Schlenker über die Literaturgeschichte gibt es inklusive. Zahlreiche Screenshots und Spielszenen unterstützen Sarkeesians Thesen. Die sind zwar weder neu noch überraschend, aber ein erklärendes YouTube-Format ist vielleicht die richtige Ergänzung zu einer Debatte, die sich häufig in theoretischen und feministischen Diskursen verliert. Und dabei gerade die jüngeren Videospieler oft nicht erreicht. Immerhin: Schon im vergangenen Jahr hatten viele Artikel und Aktionen das Problem in einem größeren Kontext betrachtet.
(für deutsche Untertitel einfach unten im Player auf das Symbol klicken)
Einzig etwas mehr Dynamik wünscht man sich von Tropes vs. Women. Die doch sehr biedere Aufmachung wirkt bei einer stattlichen Länge von 25 Minuten etwas langatmig. Wie auch Benjamin Filitz auf Superlevel schreibt, wünscht man sich das eine oder andere Interview mit Entwicklern oder Wissenschaftlern, oder zusätzliche, belebende Elemente. Aber vielleicht kommt das ja noch in den nächsten Episoden. Die beschäftigen sich unter anderem mit dem „Sexy Sidekick“ und der „Sexy Gegenspielerin“.