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Netzfilm der Woche: „Euphonia“

 

euphonia_poster_small Listen. Im Fall von Euphonia sagt das Filmplakat schon alles: Listen, hör zu. Nicht etwa auf den Dialog, denn es wird wenig gesprochen in dem 53-minütigen Film. In Euphonia dreht sich alles um den Sound: Um knarzende Schritte im Kies, das Rattern von Einkaufswagen, statisches Rauschen im Radio und die Klänge sanfter Musik. Diese Geräusche bestimmen das Leben des jugendlichen Schülers, der eines Tages ein Aufnahmegerät entdeckt und fortan jeden Moment seines Lebens aufnimmt.

Das allgegenwärtige Aufnahmegerät spielt die Hauptrolle, sämtliche Aufnahmen während der Dreharbeiten wurden direkt mitgeschnitten. Kratzen, Übersteuerungen und Schläge gegen das Mikrofon inklusive, was zur Immersion der Zuschauer beiträgt.

Der 25-jährige Regissuer Danny Madden hat im vergangenen Jahr mit (Notes) on Biology bereits einen erfolgreichen Kurzfilm veröffentlicht. Euphonia entstand direkt im Anschluss, benötigte in der Entstehung aber fast ein ganzes Jahr länger, denn ein Budget gab es nicht. Alle an dem Film Beteiligten sind Freunde und Bekannte von Madden, sein jüngerer Bruder Will übernahm die männliche Hauptrolle. Insgesamt habe der Film nur 1.000 Dollar und „zahlreiche Erdnussbuttersandwiches aus der Küche der Eltern“ gekostet, sagt Madden.

Euphonia ist nicht bloß ein experimenteller Film mit exzellentem Sounddesign. Er ist auch ein Stück Technologiekritik. Der Protagonist wird im Laufe der Handlung immer abhängiger von seinem Gerät, Realität und Aufnahmen vermischen sich so sehr, dass sogar die aufkeimende Beziehung mit einer Klassenkameradin zu scheitern droht.

Madden, der selbst um einen moderaten Gebrauch von Computern und Smartphones bemüht ist, hat in der Vorbereitung auf den Film erfahren, wie ein Aufnahmegerät zwar seine Sinne für die Geräusche um ihn herum schärfte, er sich aber bald gezwungen fühlte, alles aufnehmen zu müssen. Genau um diese Übertreibung geht es in Euphonia.

Apropos übertreiben: Mit einer Laufzeit von über 50 Minuten ist Euphonia lang, bisweilen zu lang. Und läuft Gefahr, ein Opfer seiner eigenen Idee zu werden. Gleichzeitig aber tut Madden gut daran, sich dem Trend zu kürzeren Online-Produktionen zu widersetzen. Denn erst nach einer gewissen Zeit stellt sich das Bedürfnis ein, wirklich richtig hinzuhören.