Nach Foto kommt Video: Am Donnerstag hat Facebook wie erwartet die neue Videofunktion seines Bilderdienstes Instagram vorgestellt. Die Videos dürfen eine Länge von bis zu fünfzehn Sekunden haben und können wie Fotos direkt aus der mobilen App heraus aufgenommen werden. Dreizehn neue Filter ermöglichen die Nachbearbeitung. Die Clips fügen sich nahtlos in den bekannten Instagram-Stream ein. Eine neue Technik namens Cinema soll die Aufnahmen nachträglich stabilisieren. Außerdem können die Nutzer wählen, welches Bild zur Vorschau angezeigt wird.
Wie erwartet, orientiert sich Instagram an Twitters Videodienst Vine, der seit Anfang des Jahres verfügbar ist. Auch bei Vine können die Nutzer bis zu sechs Sekunden Video aufnehmen, und anschließend direkt in ihr Twitterprofil einbinden oder direkt in der App anderen Vine-Usern folgen. Im Gegensatz zu Vine aber spielt Instagram die Videos nicht als Endlosschleife ab. Auch das Embedden individueller Clips, etwa in Blogs, scheint bei Instagram nicht möglich zu sein.
Über eine Videofunktion für Instagram wurde schon länger spekuliert, spätestens seit Twitter mit Vine in den Markt eingestiegen ist. Nach einem eher verhaltenen Start nimmt der Dienst inzwischen Fahrt auf – auch dank der erst kürzlich veröffentlichten Android-Version. Zuvor war Vine bloß Apple-Nutzern vorbehalten. Kürzlich sollen Vine-Videos erstmals die Zahl von Instagram-Bildern auf Twitter übertroffen haben. Allerdings hatte Instagram kurz nach der Übernahme durch Facebook vergangenes Frühjahr die Twitter-Integration abgeschaltet, wodurch die Bilder nicht mehr direkt im Twitter-Client angezeigt werden konnten. Auch den Zugriff von Vine auf die Facebook-API hat das Netzwerk mittlerweile eingeschränkt. Es zeigt: Facebook und Twitter konkurrieren inzwischen um die Nutzer.
Facebook sucht nach einem Geschäftsmodell für Instagram
Für Facebook ist Video kein neues Geschäftsfeld. Nach einer comScore-Analyse war das Netzwerk im Mai die zweitgrößte Videoplattform in den USA, nach YouTube. 60 Millionen Nutzer guckten insgesamt 727 Millionen Videos. Auch erlaubt Facebook schon länger, aus der mobilen App heraus Videos direkt vom Smartphone in das Profil hochzuladen. Wirklich populär ist die Funktion nicht.
Mit Instagram soll sich das nun ändern. 130 Millionen Menschen nutzen nach eigenen Angaben den Dienst monatlich. Viel Potenzial für neue Werbemöglichkeiten also. Bis jetzt hat Instagram nämlich kein Geschäftsmodell. Wie ReadWrite schreibt, müsste Facebook dazu gar keine Werbung direkt auf Instagram einblenden. Stattdessen könnte es gänzlich auf sogenannte native Werbung setzen: Werbetreibende produzieren gezielt kurze Clips für Instagram und veröffentlichen sie auf dem eigenen Profil. Facebook sorgt, wie auch schon jetzt mit seinen „Promoted Posts“ dafür, dass die Inhalte entsprechend verbreitet werden. Vine-Kampagnen wie #sixsecondagainstaids experimentieren bereits mit den Möglichkeiten.
Die Voraussetzung ist, dass der neue Dienst auch von den Nutzern angenommen wird. Nicht alle glauben daran. „Was auch immer es sein wird“, heißt es beim Technikblog PandoDaily, „die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es a) nichts taugt und b) kein Erfolg wird“. Autor Hamish McKenzie sagt, die einzige und wahre Stärke von Facebook seien seine Verbindungen, sein globales Netz aus mehr als einer Milliarde Menschen, die zusammen ein neues Internet bilden. Facebooks Produkte dagegen seien meist schreckliche Kopien von erfolgreichen Konkurrenten. Jüngstes Beispiel: Die App Poke, eine Kopie des beliebten Dienstes Snapchat, die Facebook in nur zwölf Tagen zusammenschusterte und damit vor allem Spott erntete.
Einen Vorteil aber hat Instagram: Die bestehende und treue Nutzerbasis. Facebook muss sich in diesem Fall nicht erst gegen die Konkurrenz beweisen, sondern ergänzt einen populären Dienst lediglich um eine neue Funktion. Sicherlich hofft Facebook, dass die Nutzer, die zurzeit sowohl Instagram als auch Vine nutzen, künftig nur auf eine App setzen. Gleichzeitig warnen Kritiker davor, dass die Videofunktion die Stärken Instagrams verwässern könnte.
Kurze Clips liegen im Trend
In jedem Fall ist offenbar auch Facebook davon überzeugt, dass das Potenzial von kurzen Videoclips noch nicht ausgeschöpft ist. Schon länger buhlen Dienste um den Social-Video-Markt. Bereits Anfang 2009 versuchte das Startup 12 Seconds einen Videodienst für Twitter einzuführen. Das Unternehmen stellte 2010 den Betrieb ein. Wenig später trat Viddy auf den Plan, es folgten unter anderem Socialcam, Klip, Mobli und Cinemagram. Sie alle bieten ähnliche Funktionen: Eine kurze Aufnahmelänge, trendige Filter, simple Bearbeitungsmöglichkeiten und Social-Media-Integration. Obwohl es die Dienste schon länger gibt, haben sie Analysen zufolge seit der Einführung von Vine Nutzer verloren. Mit Instagram dürfte die Situation nicht einfacher werden.
Doch weshalb sind die kurzen, meist unterbelichteten und verwackelten Momentaufnahmen eigentlich so beliebt? Hat das Format einen Mehrwert oder sehen wir künftig nur noch mehr bewegte Aufnahmen von Katzen und Essen?
Die Antwort liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Zum einen ist der Wechsel zum Bewegtbild der natürliche Gang der Dinge. Je mehr Menschen Smartphones benutzen und die Nutzung mobiler Datenverbindungen steigt, desto attraktiver wird auch das Teilen von Videos. Sechs bis fünfzehn Sekunden klingen nach wenig und sind doch genug, um Kontext zu liefern, kleine Geschichten zu erzählen – wie die artverwandten Gifs zeigen. Die Mikroinhalte, die Twitter etablierte, könnten sich bald auch auf Video übertragen. „Wir glauben, dass Einschränkungen die Kreativität fördern“, sagte Twitter-Gründer Jack Dorsey im Jahr 2007. Erste Vine-Memes deuten das Potenzial bereits an.
Filmemacher entdecken Vine
Schon jetzt ist Vine zur Dokumentation beliebt, und das nicht nur unter Journalisten. Das Magazin Wired glaubt, dass die Bombenanschläge von Boston einen ähnlichen Effekt auf Vine hatten wie die Proteste auf dem Tahrir-Platz für Twitter. Beide Dienste wurden von den Menschen vor Ort verstärkt genutzt und somit rasch bekannter.
Auch Filmemacher experimentieren mit dem neuen Format: Auf dem Tribeca Filmfestival etwa gab es in diesem Jahr erstmals die „6 Second Films“ Competition. Vinetune ist ein nettes Mashup, das Musikvideos aus den Hashtags von Vines erstellt. Daft Punk veröffentlichten die Trackllist ihres neuen Albums via Vine. Auf YouTube widmen sich inzwischen eigene Kanäle den besten Vines.
Ob Video for Instagram eine ähnliche Entwicklung machen kann, ist fraglich. Die nichtvorhandenen Embed- und Loop-Funktionen könnten sich zum Nachteil herausstellen, schränkt es doch das virale Potenzial der Inhalte ein. Vielleicht zeigen die Videos auf Instagram also tatsächlich nur nette Urlaubs- und Familienszenen. Für den Rest gibt es ja immer noch Vine.