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„BoJack Horseman“: Erzähl mir was vom Pferd

 

bojack horseman
© Netflix

Und dann kann man Pferde kotzen sehen. Am Ende der ersten Folge übergibt sich BoJack Horseman, Protagonist der gleichnamigen animierten Serie über den Balkon seines Anwesens in den Hollywood Hills. Ob es die Zuckerwatte war, die Pferde offenbar nicht vertragen, oder doch die Erkenntnis, dass seine Autobiografin und Ghostwriterin Diane ausgerechnet mit dem Schauspieler-Rivalen und dauerhechelnden Labrador Mr. Peanutbutter zusammen ist, bleibt fürs Erste unbeantwortet.

Moment, bitte was? Kotzende Pferde, sprechende Hunde, die Sex mit Menschen haben, Hollywood? Ja, es ist schon eine seltsame Welt, die BoJack Horseman seinen Zuschauern öffnet. Es überrascht nicht, dass sich einige Rezensenten bereits nach der ersten Folge wieder verabschiedet haben.

Doch sie verpassen etwas. Die Eigenproduktion des Streaming-Anbieters Netflix ist nämlich die beste Animationsserie für Erwachsene des Jahres. Dass Netflix für die Sprecherrollen bekannte Namen wie Will Arnett, Aaron Paul und Alison Brie gewinnen konnte, zeigt, wie ernst es das Unternehmen meint. Nach den erfolgreichen Dramaserien House of Cards und Orange is the New Black möchte Netflix künftig auch mit Animation punkten.

Die Hauptfigur BoJack Horseman war von den späten Achtzigern bis in die Neunziger der Star der Kult-Sitcom Horsin‘ Around. Geliebt von den Zuschauern, umgarnt von Hollywood. Doch nach dem Ende der Serie lief es nicht mehr rund, BoJacks Karriere erinnert mehr an Charlie Sheen als an Seinfeld: Der Suff, die Frauen, die Depressionen – inzwischen wankt der auf zwei Beinen stehende Hengst gewaltig. Mithilfe seiner Agentin, der pinken Perserkatze Princess Carolyn, und seines schmarotzenden Mitbewohners Todd soll BoJack endlich wieder Fuß in der Unterhaltungsindustrie fassen. Seine Memoiren sollen den abgehalfterten und missmutigen Star wieder ins Gespräch bringen.

Medienkritik und Popkultur

Was den Zuschauern neben dem etwas retromäßigen Animationsstil auffällt, ist das kuriose Ensemble. Anthropomorphisierte Figuren sind in Trickfilmen zwar üblich, doch selten wurde das Zusammenleben zwischen Menschen und Tieren so normal wie bizarr erzählt. An keiner Stelle werden die Unterschiede explizit erwähnt und doch können sich die tierischen Protagonisten ihrer Herkunft nicht verwehren: Princess Carolyn hat einen Kratzbaum in ihrem Büro stehen, ein Navy Seal ist tatsächlich ein Seehund, ein Leichenbestatter kriecht in Form einer Made um einen Sarg herum, und BoJacks Verleger arbeitet für Penguin Publishing und ist, na klar, ein Pinguin.

Dass dieser kontinuierlich um seine Existenz bangt und unter anderem die Konkurrenz aus dem Netz von BuzzFeed fürchtet, ist eine der eindeutigeren Anspielungen auf den Konkurrenzkampf zwischen den traditionellen und den neuen Medien, die BoJack Horseman immer wieder einfließen lässt. So viel Meta-Medien-Kritik muss sein, schließlich hat Netflix als Streamingportal dem klassischen Fernsehen den Kampf angesagt.

Andere Gags sind subtiler. Zwar kommt BoJack Horseman um einige tief hängende Witze über Sexspielzeug und Stereotype nicht herum. Doch ähnlich wie in Arrested Development gelingt es den Autoren, im Verlauf der zwölf Folgen ein Netz aus Referenzen, aus Call-Backs und Cut-Aways zu spannen. Einige Anspielungen erklären sich erst nach mehreren Episoden, andere sind so unauffällig, dass man sie erst beim zweiten Mal versteht. 136 versteckte Easter-Eggs hat BuzzFeed in der ersten Staffel entdeckt.

© Netflix
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Heiter an der Oberfläche, bitter im Kern

Dass dies funktioniert, liegt an der für Animationsserien ungewöhnlichen Chronologie, die BoJack Horseman verfolgt. Serien wie die Simpsons oder Family Guy bestehen aus in sich abgeschlossenen Folgen. BoJack Horseman dagegen erzählt in den zwölf Episoden der ersten Staffel eine durchgehende Geschichte. Die wird zwar ebenfalls in jeder Folge durch zusätzliche Handlungsstränge angereichert, doch je länger die Serie geht, desto vielschichtiger wird sie.

In dieser Hinsicht ist BoJack Horseman eine typische Netflix-Serie. Jede Episode geht ohne Rückblick in die andere über, was das von Netflix propagierte binge-watching vieler Folgen am Stück nicht bloß zur Option, sondern fast zur Pflicht macht.

Auf der einen Seite ist BoJack Horseman eine beißende Satire der Medien- und Unterhaltungsbranche. Es geht um die bekannte Geschichte des schnellen Aufstiegs und des langsamen Falls. In der Hollywood-Mühle gefangen versucht BoJack vor allem, möglichst viel Ruhm und Anerkennung zu erlangen. Und er ist nicht allein: Seine frühere Sitcom-Kollegin hat sich von einem Teeniestar zu einem dauerfeiernden Drogenwrack gewandelt, seine Agentin steht ebenso unter Druck wie die Autorin Diane, die eigentlich lieber Romane schreiben möchte und aufgrund ihrer besonnenen Art inmitten der Hollywood-Chaoten deplatziert wirkt. In BoJack Horsemans Welt ist niemand wirklich glücklich.

© Netflix
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Das ist die andere Seite der Serie, die Margaret Lyons von Vulture als die „lustigste Show über Depression alle Zeiten“ bezeichnet. BoJack ist ein Rüpel, der seine Freunde mit Ignoranz und Lügen bestraft. Doch seine Beweggründe sind nur allzu menschlich. An den Rückblicken auf seine schwere Kindheit und der Erzählung seines schwierigen Verhältnisses zu seinem inzwischen krebskranken Entdecker und Mentor zeigt sich die Komplexität der Serie.

BoJack Horseman führt die Zuschauer in eine Welt aus bunten Tieren und zahlreichen Gags. Hinter denen versteckt sich jedoch ein ernsthafter Kern, der von Animationsserien bis dato kaum oder gar nicht verarbeitet wurde. Netflix, das nicht auf Quoten angewiesen ist, kann sich dieses erzählerische Risiko erlauben. In gewisser Hinsicht ist die Serie so bipolar wie ihr Protagonist: Hier steht ein kotzender Alphahengst, der immer einen flotten Spruch auf den Lippen hat. Dort ein Mensch, der nach dem Sinn in seinem Leben sucht.

„BoJack Horseman“ läuft auf Netflix in Englisch, auf Deutsch und mit Untertiteln. Mehr Informationen über Netflix finden Sie hier.