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Wikileaks veröffentlicht diplomatische Akten der US-Regierung

 

Von Kai Biermann (kb), Carsten Lißmann (cl) und Karsten Polke-Majewski (kpm)

Schön, dass wir so viele Leser haben – so viele, dass wir unser Blog hier fortsetzen.

22.51 Manche Subject-Zeilen der Originaldokumente sagen schon alles: Lame Duck German Governor Kicked Upstairs as New Energy Commissioner in Brussels“. Gerecht wird diese Zeile Günther Oettinger wohl aber eher nicht. (kpm)

22.45 Aus den Originaldaten von Wikileaks: Am 11. Februar traf Hamburgs damaliger Erster Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Kanzlerin Angela Merkel. Später erzählte von Beust dem amerikanischen Botschafter, Merkel sei „sehr, sehr wütend – wütender als er sie je gesehen habe.“ Grund für die Verärgerung seien Unionsabgeordnete im Europäischen Parlament gewesen, die im Februar gegen die erste Fassung des Swift-Abkommens gestimmt hatten. Merkel befürchte, so die Depesche aus der Berliner US-Botschaft, dass der Eindruck entstehe, Europa nehme die Bedrohung durch den Terrorismus nicht ernst genug. (cl)

22.43 Und Leser Oliver Heine überlegt, was einzelne Menschen überhaupt dazu bringt, solch prekäre Dokumente weiterzugeben.

22.37 Unser Leser trektor stellt eine interessante Frage:Die USA sind viel mehr stabilisierend innerhalb der Weltpolitik als das den meisten der nun irgendwie so angenehm aufgeregt ‚Enthüllungen‘ Entgegenfiebernden bewußt zu sein scheint. Im Nahost-Konflikt und hinsichtlich des Konfliktes mit dem Iran etwa sähe es weitaus schlimmer aus, wenn nicht die USA unter der jetzigen Führung vermitteln aber auch behindern würden….

Warum vertrauen die Menschen Wikileaks und Averenge blind und wieviel hat das mit dem generellen Mißtrauen gegenüber ihrer eigenen Politikerkaste zu tun?“

22.35 Wikileaks ist wieder online. Unter http://cablegate.wikileaks.org können die ersten Rohdatensätze (knapp 200) durchsucht werden. (cl)

22.33 Ein besonderes Licht werfen die Dokumente offenbar auf den schwierigen politischen Prozess, der zwischen Iran und den Vereinigten Staaten abläuft. So drängten Israel und einige arabische Verbündete die USA offenbar zu einem Militärschlag gegen den Iran. Israels Verteidigungsminister Ehud Barak soll im Juni 2009 gesagt haben, es gebe ein „Zeitfenster von sechs bis 18 Monaten“, in dem ein militärisches Eingreifen zur Zerstörung der Nuklearanlagen im Iran günstig sei, schreibt der Guardian.

Nach Ablauf dieser Zeit wäre ein Militärschlag mit nicht mehr akzeptablen Kollateralschäden verbunden. Der saudische König Abdullah habe mit Blick auf Iran von den USA verlangt, „der Schlange den Kopf abzuschlagen“. Auch Staaten wie Bahrain und Ägypten hätten ähnliche Einschätzungen zur Iran-Politik geäußert. Eine dokumentierte Aufzeichnung des amerikanischen Verteidigungsministers Robert Gates gibt ihn mit den Worten wieder, wenn nicht bald eine diplomatische Lösung im Iran erreicht sei, werde es zur Verbreitung von Atomwaffen oder zu einem israelischen Militärschlag kommen – oder beides.

Wäre ein solcher Militärschlag aber überhaupt möglich? Kritiker behaupten: Nein. (kpm)

22.18 Transparenz ist nicht gleich Transparenz. Zwar hat Wikileaks sich dem Gedanken verschrieben, jedem alles zugänglich zu machen. Doch haben sich die beteiligten Medien im Fall der diplomatischen Dokumente selbst zensiert: Welche der Depeschen wie in ihren Berichten und Datenbanken auftauchen, beschreibt die New York Times exemplarisch: Zuerst habe die Redaktion selbst all jene Informationen ausgelassen, die „vertrauliche Informanten“ in Gefahr bringen, oder die „nationale Sicherheit“ gefährden könnten. Dann habe man das übrige und zur Veröffentlichung vorgesehene Material der US-Regierung gesandt und diese um Anmerkungen gebeten. Die gab es auch. Die Redaktion der Times habe anschließend „einige, nicht alle“ Bedenken der Regierung berücksichtigt und entsprechende Depeschen nicht verwendet. Ähnlich ist auch der Spiegel vorgegangen.

Alle Bedenken und Anmerkungen seien mit den übrigen an der Veröffentlichung beteiligten Medien geteilt worden. Und wurden von ihnen ähnlich umgesetzt. Siehe Guardian und der Spiegel. (kb)

22:05 Das Technikblog Techcrunch schreibt unter Bezug auf die New York Times, die diplomatischen Kabel enthielten auch einige Hinweise zum Einbruch in Rechner von Google und des Dalai Lama Anfang des Jahres: das chinesische Politbüro habe die Hacks organisiert.

Ein chinesischer Kontakt der US-Botschaft in Peking berichtete ihr demnach im Januar, der Angriff, der dazu führte, dass Google sich zeitweise aus China zurückzog, sei eine koordinierte Aktion gewesen. Regierungsmitarbeiter, private Sicherheitsexperten und „Internet-Outlaws“, demnach wohl Hacker, hätten sie ausgeführt. Seit 2002 seien sie immer wieder in Rechner der amerikanischen Regierung und anderer westlicher Staaten eingebrochen. (kb)

21:34 Die Webseite von Wikileaks ist immer noch sehr schwer erreichbar. Alle, die einen Blick auf die originalen Dokumente werfen wollen, werden von den Machern auf guardian.co.uk verwiesen. Die Guardian-Redaktion hat die Rohdaten auf einen Google-Server ausgelagert, der dem Ansturm jedoch auch nicht immer gewachsen ist. (cl)

21:27 Das Pentagon hat im August die Sicherheitsregeln für den Einsatz von USB-Sticks verschärft, schreibt Associated Press. (cl)

21.22 Manche der Depeschen haben fast literarischen Wert. Die New York Times dokumentiert die sehr ausführliche Beschreibung eines US-Diplomaten über eine dagestanische Hochzeit. Die kaukasische Prominenz ist versammelt und der Berichterstatter tief beeindruckt vom Alkoholverbrauch auf der dreitägigen Veranstaltung. (cl)

21.15 Der Sprecher von Präsident Barack Obama hat sich zu Wort gemeldet. Robert Gibbs sagt, diplomatische Dokumente wie die veröffentlichten Kabel enthielten ehrliche und oft unvollständige Informationen. In ihnen drücke sich nicht die politische Linie der amerikanischen Regierung aus und diese Kabel beeinflussten auch keine Entscheidungen.  Allerdings könnten solche Kabel (wenn sie bekannt werden) private Diskussionen mit ausländischen Regierungen und Oppositionsführern gefährden. „Präsident Obama unterstützt ein verantwortliches, zuverlässiges und offenes Regieren daheim und in aller Welt, aber solch rücksichtsloses und gefährliches Handeln widerspricht diesen Zielen“, sagte Gibbs. (kpm)

21.11 Interessanter ist die Einschätzung von Guido Westerwelle als Außenminister. Die amerikanischen Diplomaten, so schreibt Spiegel Online, sähen sich vor die Herausforderung gestellt, wie sie mit einem Politiker umgehen sollten, der ein „Rätsel“ sei, mit wenig außenpolitischer Erfahrung und einem „zwiespältigen Verhältnis zu den USA“. (kpm)

21.04 Was auf Spiegel Online über die amerikanische Einschätzung der Kanzlerin zu lesen ist, ist wenig schmeichelhaft formuliert, in der Sache aber nicht sonderlich überraschend. Da steht beispielweise, die Kanzlerin sehe die internationale Diplomatie vor allem unter dem Gesichtspunkt, welchen Profit sie innenpolitisch daraus ziehen könne. Ein Gemeinplatz, den man jedem anderen Regierungschef ebenso vorhalten könnte. Auch dieser zweite Satz gibt eher die allgemeine Kommentarlage der deutschen Presse des Februars wieder: Merkel habe das „Joch der Großen Koalition abgeschüttelt, nur um jetzt mit einem FDP-CSU-Doppel-Joch belastet zu sein“. (kpm)

20.44 Die amerikanische Regierung hat die Veröffentlichung der Dokumente aus der US-Diplomatie „aufs Schärfste“ verurteilt. Die Freigabe der Dokumente sei „unverantwortlich und gefährlich“.

20:36 Der New York Times zufolge sollen Amerikanische und Südkoreanische Offizielle mehrfach die Chancen eines vereinigten Korea diskutiert haben. Nach Einschätzung der US-Botschafterin in Seoul glauben die Südkoreaner, Chinas Zustimmung zur Entmachtung des Regimes in Pjöngjang lasse sich erkaufen. Die Bedenken in Peking ließen sich mit „Business-Deals“ lindern. Die entsprechende Depesche sei im Februar dieses Jahres geschrieben worden. (cl)

20.33 Eine gute Zusammenschau dessen, was die Medienpartner von Wikileaks berichten, findet sich auf WL Central.

20.30 Nun ist auch Wikileaks wieder zu erreichen, nur bislang noch ohne neue Dokumente. Hier zumindest hübsch dargestellt der Twitterfeed der Organisation.

20.29 Der Guardian berichtet, Saudi-Arabien habe die USA aufgefordert, den Iran zu bombardieren.

20.21 Am frühen Abend wird gemeldet, die offizielle Seite von Wikileaks stehe unter Feuer und sei nicht mehr zu erreichen. Letzteres zumindest gilt immer noch.

20.16 Der Spiegel konzentriert sich auf die Einschätzung von Politikern aus aller Welt durch die amerikanischen Diplomaten: Afghanistans Präsident Karsai  sei von „Paranoia“ getrieben, Russlands Premier Putin ein „Alpha-Rüde“. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan wird skeptisch bewertet,  Ägyptens Präsident Husni Mubarak habe den unter George W. Bush begonnenen Irak-Krieg für gefährlichen Unsinn und den damalige US-Präsidenten für unbelehrbar gehalten.

Auch deutsche Politiker bekommen ihr Fett weg: CSU-Chef Horst Seehofer wird als „unberechenbar“ charakterisiert, Außenminister Guido Westerwelle (FDP) als „aggressiv“. Kanzlerin Angela Merkel bescheinigen die Amerikaner, „selten kreativ“ zu sein und das Risiko zu meiden. Verteidigungsminister von Guttenberg dagegen kommt gut weg. (kpm)

20.14 Die USA haben nach Darstellung des Guardian versucht, die Führung der Vereinten Nationen auszuspionieren.

19.59 Die New York Times, der britische Guardian, Le Monde aus Paris, El Pais aus Madrid und der Spiegel mit Spiegel Online haben vorab einen Teil der Dokumente veröffentlicht. Mal sehen, wie sich ihre Schwerpunktsetzung unterscheidet. (kpm)

18 bis 19 Uhr Die geplante Veröffentlichung wirft ganz neue Fragen auf. Zum Beispiel diese: Zu den bekannt gemachten Irak- und Afghanistan-Kriegsdokumenten konnte man denken: Im Krieg stirbt die Wahrheit immer zuerst, also muss man dokumentieren, was dort geschieht. Diplomatie kann man allerdings auch als Alternative zum Krieg verstehen. Aber kann Diplomatie dieser Aufgabe noch nachkommen, wenn sie Gefahr läuft, auch im Prozess der Entscheidungsfindung öffentlich gemacht zu werden? Denn viele Berichte, die Botschaften an ihre Regierung absetzen, dienen zwar der Meinungsbildung, sind aber nur Teil dessen, was auf die Entscheidung einer Regierung einwirkt. (kpm)

Sonntagnachmittag Wikileaks wird an diesem Sonntagabend neue Dokumente aus der amerikanischen Regierung veröffentlichen. Es ist das dritte Mal, dass die Organisation solche vertraulichen, teils geheime Regierungsdokumente online stellt.

Es soll sich um hunderttausende diplomatische Depeschen und Berichte handeln, die zwischen dem amerikanischen Außenministerium in Washington und diplomatischen Vertretungen der USA in aller Welt ausgetauscht wurden.

Glaubt man einem am Samstag versehentlich von Spiegel Online publizierten und bald wieder zurückgezogenen Bericht, so handelt es sich um „insgesamt 251.287 sogenannten diplomatischen Kabeln, die US-Botschaften, -Konsulate und -Vertretungen aus aller Welt an das US-Außenministerium in Washington geschickt haben, und mehr als 8000 Direktiven des US-Außenministeriums an die diplomatischen Vertretungen in aller Welt.“

Ein einziger Bericht gehe demnach zurück bis ins Jahr 1966, die weitaus meisten seien jünger als 2004. Damals war das so genannte SIPRNet eingerichtet worden. Dieses Netzwerk dient dem amerikanischen diplomatischen Dienst als eine Art Intranet und ist eines seiner wichtigsten Kommunikationsmittel. Aus dieser Datenbank soll das Material stammen. Allein aus den ersten beiden Monaten dieses Jahres sollen 9005 Dokumente stammen.

Über den Inhalt der Dokumente ist in diesem Bericht zu lesen: „Die Berichte aus den Ländern sind in der Regel von Diplomaten verfasst, also Botschaftern, Konsuln oder ihren Mitarbeitern. Meist enthalten sie Einschätzungen der politischen Lage im jeweiligen Land, Gesprächsprotokolle, Hintergründe zu Personalentscheidungen und Ereignissen – oder auch Psychogramme einzelner Politiker.“

Wikileaks hatte im Juli schon 77.000 Dokumente zum Afghanistan-Krieg zugänglich gemacht. Im Oktober veröffentlichte die Plattform dann rund 400.000 geheime Unterlagen des Pentagons zum Irak-Krieg. (kpm)