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Die Entscheidung über ESM und Fiskalpakt

 

Von Ludwig Greven (lg), Michael Schlieben (ms), Markus Horeld (mh), Till Schwarze (tis)

  • Bundestag und Bundesrat beschließen ESM und Fiskalpakt
  • Zweitdrittelmehrheiten jeweils erreicht
  • Kritiker reichen Klage in Karlsruhe ein

0:15 Damit schließen wir unser Blog. Was bleibt von diesem Tag? Es waren zweifellos historische Entscheidungen, die an diesem Freitag getroffen wurden. Doch noch ist nichts gewonnen. Denn nun wird sich das Bundesverfassungsgericht mit den ESM- und Fiskalpakt-Beschlüssen beschäftigen. Werden die Karlsruher Verfassungshüter die neuen Instrumente zur Euro-Krisenbewältigung in Kraft treten lassen? Oder werden sie ESM und Fiskalpakt stoppen, weil beide nach ihrer Ansicht die Grenzen des Grundgesetzes überschreiten?

Die Prüfung der verschiedenen Anträge auf eine Einstweilige Anordnung gegen ESM und Fiskalpakt kann ein bis zwei Wochen oder auch länger dauern und mit einem Veto aus Karlsruhe oder mit kräftigen Auflagen wie schon im Fall des Lissabon-Vertrags 2009 enden. Dazu dürfte vor allem gehören, dass der Bundestag jeder Auszahlung von Hilfen aus dem Rettungsfonds an Not leidende Schuldenstaaten (oder ihre Banken) vorher billigen muss.

Dann stünde Bundespräsident Joachim Gauck vor der schwierigen Entscheidung, ob er die Gesetze dennoch unterzeichnet und in Kraft setzt – oder ob er die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Verfassungsklagen im Hauptverfahren abwartet. Das wiederum kann Monate dauern. Fraglich ist, ob die Finanzmärkte solange stillhalten.

Immerhin: Der provisorische Rettungsfonds EFSF besteht vorerst weiter. Spanien und Italien könnten also erst einmal aus diesem Topf Milliarden zur Rettung ihrer Banken bekommen, bis der ESM funktionsfähig ist. Wenn er denn kommt.

Noch eine weitere Unsicherheit kommt indes hinzu: Durch die Beschlüsse des EU-Gipfels, denen auch Merkel zugestimmt hat, hat sich im Grunde die Geschäftsgrundlage für den ESM geändert. Denn nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs soll der dauerhafte Rettungsfonds angeschlagenen Banken in Spanien und Italien direkt Kapitalspritzen gewähren dürfen, sobald die geplante gemeinsame Bankenaufsicht steht (was allerdings Monate dauern wird). Dies hatten Merkel und die Bundesregierung bis unmittelbar vor dem Brüsseler Krisentreffen noch abgelehnt. Und das steht auch nicht in den beschlossenen Gesetzen, über die nun das Verfassungsgericht befinden muss.

Reicht es den obersten Richtern, dass Merkel im Bundestag am Abend noch einmal zugesichert hat, dass die Abgeordneten möglichen künftigen Bankenhilfen nach Anträgen von Spanien und Italien in jedem Fall vorher zustimmen müssen? Oder werden sie das Haushaltsrecht des Parlaments, den Wesenskern der parlamentarischen Demokratie, verletzt sehen? Dann wären ESM und Fiskalpakt – und vielleicht auch der Euro – gescheitert. Oder Deutschland müsste sich eine neue Verfassung geben. (lg)

23:56 Es ist vollbracht: Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat dem ESM und dem Fiskalpakt zugestimmt. (mh)

23:34 Während im Bundesrat nach wie vor die Beratung läuft (gerade redet Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann), verbreitet die SPD genüsslich, dass die schwarz-gelbe Koalition in einer der heutigen Bundestags-Abstimmungen die Kanzlermehrheit verpasst hat: Dem ESM haben in der Tat nur 300 Abgeordnete von Union und FDP zugestimmt, die Kanzlermehrheit liegt bei 311 Stimmen. Auswirkungen für den ESM hat das natürlich nicht, die Zweidrittelmehrheit wurde ja dank SPD und Grünen erreicht. Aber eine symbolische Niederlage für Merkel ist es eben doch. (mh)

22:43 Auch im Bundesrat wird eine Zweidrittelmehrheit erwartet. Der Bund zahlt ja gut dafür. (mh)

22:32 Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer eröffnet die Bundesratssitzung. Anschließend spricht Schäuble. Der bedankt sich erstmal dass die Sitzung zu diesem „nicht völlig üblichen Zeitpunkt“ möglich gemacht wurde. Und er reagiert gleich prophylaktisch auf Kritik: Es sei nicht so, dass in Europa alles ständig schlimmer werde und keine Maßnahme wirke. Man sei insgesamt auf einem guten Weg – wenngleich die Situation in Griechenland die ganze Sache etwas aufgehalten habe. (ms/mh)

22:05 Abstimmungen Nummer drei und vier sind auch durch: Das ESM-Finanzierungsgesetz und das Gesetz zur Änderung von Artikel 136 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind mit großer Mehrheit angenommen worden. Damit ist diese lange Bundestagssitzung beendet. Nun tagt der Bundesrat. Bzw. nächtigt. Eine Stunde wird das ungefähr dauern. (mh)

Als Nachtrag noch die genauen Ergebnisse der letzten zwei Abstimmungen:

ESM-Finanzierungsgesetz: Ja: 497, Nein: 101, Enthaltungen: 5
Änderung Artikel 136: Ja: 504, Nein: 97, Enthaltungen: 1

Bei der CDU ist man erleichtert:

21:39 Bundestagspräsident Lammert gibt das zweite Abstimmungsergebnis bekannt: Nach dem Fiskalpakt ist auch die Einrichtung des ESM mit Zweidrittelmehrheit beschlossen worden. Ja-Stimmen: 493. Nein: 106. Enthaltungen: 5. Nun wird über das ESM-Finanzierungsgesetz abgestimmt. (mh)

21:33 So kann man es natürlich auch sehen:

21:26 Und so sieht das Ergebnis der Fiskalpakt-Abstimmung konkret aus: Dafür stimmten 491 Abgeordnete, dagegen waren 111. Sechs enthielten sich. Die Zweidrittel-Mehrheit der insgesamt 620 Bundestagsabgeordneten liegt bei 414 Abgeordneten. (mh)

21:21 Die erste Abstimmungen ist durch: Der Bundestag hat mit Zweidrittelmehrheit den Fiskalpakt beschlossen worden. Nun steht das erste von zweien ESM-Gesetzen an. Ebenfalls mit namentlicher Abstimmung. Zwischendrin ist noch ein Änderungsantrag der Rettungspaket-Kritiker Wolfgang Bosbach und Frank Schäffler abgelehnt worden. (mh)

21:04 So, die Aussprache ist beendet, jetzt wird abgestimmt. Auch das wird dauern: Allein vier namentliche Abstimmungen plus ein paar weitere Beschlüsse stehen an. (mh)

Und Erika Steinbach so:

20:47 Im Plenum redet der CDU-Abgeordnete Klaus Peter Willsch, der zur kleinen Minderheit der ESM-Gegner in seiner Fraktion gehört. Die Fraktionsführungen von Union und FDP hatten zugestimmt, dass diesmal auch Abweichler reden dürfen; beim letzten Mal hatte Bundestagspräsident Lammert sie noch gegen ihren Willen auf die Rednerliste gesetzt und damit ihren Zorn erregt.

Willsch beansprucht die „Stimme des Volkes“ zu sein und für viele Menschen zu sprechen, die sich in den Plänen seiner eigenen Regierung nicht wiederfänden. Die hätten Angst um ihre Ersparnisse und um die künftigen Gestaltungsspielräume der Politik angesichts der immer neuen „Schwindel erregenden“ Milliardenhilfen und Kredite für die Schuldenstaaten. „Wir müssen die falsche Bail-out-Politik beenden“, ruft der CDU-Mann in Richtung der Regierungsbank. Stattdessen müsse man zurück zum Maastrichter Vertrag und zum „Prinzip der Eigenverantwortung“. Durch die immer neuen Hilfen mache sich die Bundesregierung stattdessen erpressbar – durch die Opposition, die Bundesländer und „von Ländern, die rücksichtslos wirtschaften“.

Der Applaus vieler Bürger dürfte Willsch für diese Philippika gegen die Eurorettungspolitik der Bundesregierung und der EU gewiss sein. Im Parlament rührt sich dagegen kaum eine Hand. (lg)

20:20 Auch Peter Gauweiler darf dieses Mal reden. Er ist ein vehementer Gegner der Euro-Rettungsmaßnahmen und wird in Karlsruhe dagegen klagen. Es entstehe das größte Haftungsprojekt ohne demokratische Legitimation, sagt er. Der Bundestag habe nichts mehr zu sagen, wenn etwa Geld nachgeschossen werden müsse. (mh)

Der SPD-Abgeordnete Sönke Rix fasst die Stimmung im Plenung so zusammen:

20:10 Dann der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler, der vor einiger Zeit gern Euro-Rebell genannt wurde und den FDP-Mitgliederentscheid zum ESM verloren hat. Er wird heute wieder mit „Nein“ stimmen. Er warnt: „Wir legen die Lunte an das Haus Europa“. Am Ende stehe der europäische Superstaat, der europäische Einheitsbürger. Der Euro sei ein „zentralistisches Projekt“. Der SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil wird Schäfflers Position wenig später als „Nationalismus“ bezeichnen. (mh)

20:00 Derzeit sprechen die Kritiker: Erst Gregor Gysi, dessen Partei ESM und Fiskalpakt komplett ablehnt und in Karlsruhe heute noch Klage einreichen will. Dann die Grünen-Politikerin Lisa Paus, die ankündigt, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Sie sagt: Der Euro wird nicht scheitern, wenn heute Abend der Fiskalpakt nicht beschlossen wird. Aber der Euro wird scheitern, wenn die Kanzlerin ihren zögerlichen Kurs beibehält. Um Ländern wie Spanien zu helfen, fordert Paus fordert einen Altschuldentilgungsfonds wie ihn auch der deutsche Sachverständigenrat vorgeschlagen hat.

19.45 Finanzminister Wolfgang Schäuble spricht. Auflagen für Krisen-Länder seien „keine Quälerei“ sondern notwendig, um sie wettbewerbsfähig zu machen. Denn diese Länder hätten während der niedrigen Zinssätzen der vergangenen Jahre keinen großen Reformbedarf verspürt. Und er greift Merkels „Solange ich lebe auf“-Spruch auf: Euro-Bonds ohne eine Finanzunion wolle er „nicht erleben“. Man könne Haftung nicht vergemeinschaften, solange Entscheidungen nicht vergemeinschaftet seien. (mh)

19:30 Derweil lästert die SPDlerin Elke Ferner weiter (s. auch 18:04):

19:26 Ist Merkel in Brüssel tatsächlich umgefallen? Nein, schreibt unser Wirtschaftsredakteur Philip Faigle in seiner Analyse. Die Kanzlerin habe sich bewegt, mehr nicht. Denn Rettungsgelder für angeschlagene Euro-Länder werde es auch künftig nicht ohne Gegenleistungen geben. Und der Weg zu direkten ESM-Hilfen für Banken sei noch weit. Heikel sei etwas anderes:

… „Der Deutsche Bundestag stimmt in den kommenden Stunden über ein ESM-Gesetz ab, das sich wenige Stunden zuvor überholt hat. Dennoch ist aber auch richtig, dass die nun vereinbarten Regeln nicht über den Kopf des Bundestages entschieden werden. Kommen die neuen Regeln für den ESM, muss das Parlament in Deutschland auch ihnen zustimmen. Genauso ist es, wenn Spanien oder Italien wirklich seine Banken mithilfe des Fonds rekapitalisieren wollen.“

19:11 Jetzt der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin. Er widerspricht Linken-Fraktionsvize Sahra Wagenknecht, die zuvor ESM und Fiskalpakt als „kalten Putsch gegen die Verfassung“ bezeichnet hatte. Und zitiert eine Anti-Fiskalpakt-Postkarte, die den Grünen zugegangen sei. „Fiskalpakt und ESM: Ermächtigungsgesetz 2.0“, soll draufgestanden haben. Trittin dazu: In diesem Hause, das von den Nazis abgefackelt wurde, um ihre Macht zu zementieren, seien solche Vergleiche ungehörig. (mh)

19:00 Unionfraktionschef Volker Kauder haut in seiner Rede ganz schön auf den Putz: Jugendarbeitslosigkeit in Spanien? Habe es dort auch schon vor der Schuldenkrise gegeben. Hilfen für angeschlagene Länder? Nur im Gegenzug für Reformen. Direkthilfen für angeschlagene Banken? Am liebsten gar nicht. So jedenfalls kann man den CDU-Politiker verstehen. So richtig glücklich scheint er mit den Gipfel-Beschlüssen nicht zu sein. (mh)

17:44 Wie sind Merkels Rede und Gabriels Antwort zu deuten? Kurzanalyse von Ludwig Greven:

Merkel hat mit ihrer Regierungserklärung die Verwirrung über die Beschlüsse des EU-Gipfels vor allem in den eigenen Reihen nicht völlig beseitigen können. Was genau haben sich Staats- und Regierungschefs in der Nacht beschlossen? Und wieso hat die Kanzlerin Hilfszahlungen an angeschlagenen Banken in Krisenländern aus dem Euro-Rettungsfonds zugestimmt? Das widerspricht ihrer bisherigen Linie und wird von nicht wenigen als erster Schritt zu Euro-Bonds interpretiert. Und genau wollte Merkel doch nicht kommen sehen „solange ich lebe“…

Merkel gab darauf die Antwort: Direkte Finanzhilfen an taumelnde Banken könnten erst fließen, wenn eine gemeinsame Bankenaufsicht bei der EZB geschaffen sei, was mindestens Monate dauern könne. Voraussetzungen dafür seien überdies ein Antrag des jeweiligen Landes und eine Vereinbarung, die „harte Auflagen“ und einen klaren Zeitplan zu ihrer Umsetzung beinhalte. Zudem versicherte Merkel den Abgeordneten, alle auf dem Gipfel beschlossenen neuen Maßnahmen werde die Bundesregierung jeweils dem Bundestag vorlegen, also von seiner Zustimmung abhängig machen.

Ob das die Parlamentarier beruhigt? Vor allem in den Reihen von Union und FDP wundern sich manche über die neuerliche Kehrtwende der Kanzlerin, während SPD und Grüne sich darüber freuen. Schließlich ist sie damit dem monatelangen Drängen der Opposition und der meisten anderen Euro-Länder, aber auch von US-Präsident Obama, dem IWF gefolgt.

Sigmar Gabriel gab sich im Anschluss in der Aussprache gnädig. Er wünschte Merkel ein „langes Leben“, und machte das Friedensangebote, über Euro-Bonds vorerst nicht mehr zu reden. Ersparen wollte er der Kanzlerin aber nicht, dass sie auf dem Gipfel das exakte Gegenteil von dem beschlossenen habe, was sie noch am Donnerstag vertreten habe. Und was in den vorliegenden Gesetzentwürfen zum ESM und zum Fiskalpakt stehe. (lg)

18:33 Der CDU-Politiker Peter Tauber will den Schuldigen gefunden haben:

Was er nicht schreibt: Die CDU war dabei, wenn’s um Griechenland und den Euro ging. (mh)

Derweil erschrickt bei den Grünen einer:

18:30 Gabriel glaubt – wie inzwischen auch Schäuble – dass es auf Dauer nicht mehr ohne Volksabstimmung in Deutschland in Sachen EU-Integration geht. Auch die Deutschen sind mehrheitlich dafür, wie eine ZEIT-ONLINE-Umfrage gestern ergab. Sie sind übrigens auch gegen mehr Durchgriffsrechte für die EU. (mh)

Und der FDPler Björn Sänger meint:

18.22 Gabriel spricht. Anfangs recht zahm. Dem SPD-Chef gefallen die Gipfel-Beschlüsse, insbesondere dass damit der Zinsdruck auf angeschlagene Euro-Länder abgemildert werden. Dann aber holt er zur Kritik aus: Die Kanzlerin, sagt er, habe die Euro-Krise durch ihre zögerliche Haltung verschärft. Die Folge ihres Spardiktates seien eine enorme Jugendarbeitslosigkeit in vielen Staaten. (mh)

18:04 Merkel äußert sich zur Verwirrung heute, ob die Brüsseler Beschlüsse die Ausgangslage verändert hätten. Sie sagt: Das, was auf dem EU-Gipfel zur Rekapitalisierung der Banken (aus ESM-Mitteln) beschlossen wurde, stehe heute nicht auf der Tagesordnung des Bundestages. Das Parlament müsse dazu gesondert und erst dann, wenn es eine gemeinsame Bankenaufsicht gebe.

Die SPD-Vizefraktionschefin Elke Ferner lästert:

Auch einen weiteren Gipfel-Beschluss versucht Merkel in ihrer Rede zu relativieren: Die Regierungschefs von Italien und Spanien hatten den Eindruck erweckt, sie müssten keine strengen EU-Auflagen erfüllen. Merkel sagt nun: Hilfe werde nur unter den Auflagen gewährt wird, die im EFSF und ESM beschlossen sind. (mh)

Während Merkels Regierungserklärung

17:58 Die Kanzlerin wirbt für solide Finanzen und mehr Wettbewerbsfähigkeit. „Die Welt hat sieben Milliarden Einwohner, alle möchten in Wohlstand leben“, sagt Merkel. Deshalb sei die Wettbewerbsfähigkeit aller EU-Staaten entscheidend für die Sicherung des Wohlstands in Europa sowie die Verteidigung des Sozialstaats. Aus Wettbewerbsfähigkeit werde Wachstum, aus Wachstum werde Wohlstand. (tis)

17:52 Merkel spricht. Warum machen wir das alles?, fragt sie ins Plenum. Ihre Antwort: Weil es neben einer gemeinsamen Währung darum gehe, sich in bestimmten Politikbereichen aufeinander verlassen zu können. Zum ESM sagt die Kanzlerin, dass er Gefahren für die Euro-Zone wirksam abwehren sollte. Merkel betont, dass darin eine rechtliche Verknüpfung zwischen Solidarität und Solidität vorgesehen sei. Nur Länder, die dem Fiskalpakt zugestimmt haben, könnten auch Hilfen beanspruchen. (tis)

17:47 Bundestagspräsident Norbert Lammert sagt: Zwar werde heute im Parlament über den EU-Gipfel diskutiert. Aber entschieden würde nicht über diese Ergebnisse, sondern über die Gesetzesvorlagen. Zudem ruft er ausdrücklich zum Respekt vor Abgeordneten auf, die den Gesetzen nicht zustimmen sollten. Dann beginnt die Kanzlerin mit ihrer Regierungserklärung. (tis)

17:39 Bevor die Regierungserklärung von Kanzlerin Angela Merkel beginnt, beantragt die Linksfraktion die Absetzung der Abstimmung. „Wir entscheiden über nicht mehr und nicht weniger als die Zukunft Europas“, sagt Fraktions-Geschäftsführerin Dagmar Enkelmann. Es würden dauerhafte Eingriffe in die Haushalte beschlossen, das parlamentarische Verfahren mit Füßen getreten. Enkelmann mit Blick auf die Gipfel-Erklärung: „Das ist eine, entschuldigen Sie Herr Präsident, eine Verarschung des Parlaments.“ Bundestagspräsident Norbert Lammert nimmt die Entschuldigung an.

Die FDP sieht’s so:

Der Linken-Antrag mit großer Mehrheit von Union, FDP, SPD und Grünen abgelehnt. (tis)

17:28 Enttäuscht von den Gipfel-Beschlüssen ist übrigens unser Autor Mark Schieritz: „Zu wenig, zu langsam, zu unsicher„, schreibt er. (mh)

17:23 Kanzlerin und Entourage verlassen die FDP-Fraktion. „Frau Merkel, wie läuft’s?“, ruft ein Journalist. „Sie sehen doch, meine Schuhe bewegen sich noch“, sagt sie trocken und eilt weiter.
Kurz darauf endet die FDP-Fraktionssitzung. Die Kanzlerin habe alle Missverständnisse aufgeklärt, strahlt Generalsekretär Döring. Vor wenigen Stunden war er noch reichlich erbost gewesen über die Nachrichten aus Brüssel. Jetzt sagt er: An der heutigen Entscheidungsgrundlage habe sich nichts geändert. Nach wie vor gelten „die harten Regeln des ESM“. Er rechne fest mit einer Zweitdrittelmehrheit-Mehrheit. (ms)

17:19 In den Fraktionssitzungen gab es viel Gesprächsbedarf. Aber die Zeit ist knapp. Um 17:30 Uhr soll es im Plenum mit den Abstimmungen weitergehen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe erklärt vor der Tür den Journalisten: Die Kanzlerin habe mitnichten einer Vergemeinschaftung der Schulden zugestimmt. Haftung und Kontrolle seien weiterhin gewährleistet. Daneben steht Grünen-Chefin Claudia Roth. Sie wirbt ebenfalls um Zustimmung. Sie interpretiert die Vorgänge allerdings anders als Gröhe. Merkel habe sehr wohl ihren Kurs verändert und sich Rot-Grün in vielen Punkten angenähert. Der Brüsseler Beschluss zur Rekapitalisierung der Banken aus ESM-Mitteln sei ein Schritt zu einem gemeinsamen Euro-Schuldentilgungsfonds, trällert Roth. Ihre Partei habe das immer schon so gefordert. Merkel habe ihre Abwehrhaltung offenkundig aufgegeben. (ms)

17:10 Die SPD wird dem ESM und dem Fiskalpakt, wie erwartet, mit großer Mehrheit zustimmen. Und das A-Wort ist wieder da:

16:49 Die Kanzlerin ist da. Erst bei der Union, dann bei der FDP, um über den EU-Gipfel und seine Beschlüsse zu berichten, die doch auch so manchen Koalitionär verunsichert haben. Bei der Union gab’s trotzdem Beifall für Merkel, wie der CDU-Abgeordnete Peter Tauber berichtet:

Aber auch in der CDU gibt’s Unzufriedene. Einer, der schon den EFSF abgelehnt hat, ist Wolfgang Bosbach. Er sagt im DLF: „Natürlich gehen wir einen großen Schritt in Richtung Vergemeinschaftung von Schulden“. Wenn der ESM beschlossen werde, „dann weitet sich die Währungsunion aus zu einer Haftungsunion.“ Und zu den Beschlüssen des EU-Gipfels sagt er: „Das Problematischste … ist doch, dass wir endgültig und unkündbar Artikel 125 des EU-Vertrages, die sogenannte No-Bailout-Klausel, die Eigenverantwortlichkeit der Euro-Staaten für ihre eigene Finanzpolitik sicherstellen soll, aufgeben“. (mh)

16:33 Gleich noch zwei Linktipps: Um was es eigentlich geht, steht hier und hier. (mh)

16:30 Trotz der Kritik einzelner Abgeordneter werden die ESM- und Fiskalpakt-Abstimmungen heute Abend stattfinden. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert hat offenbar kein Problem damit. Dauern wird es auf jeden Fall: Drei Mal wird namentlich abgestimmt (einmal Fiskalpakt, dann zwei Gesetzesvorlagen zum ESM), danach stehen noch ein paar weitere Beschlüsse an. Dann der Bundesrat. Und dann das Entscheidende: Noch in der Nacht wollen die Gegner von Fiskalpakt und ESM dem Bundesverfassungsgericht ihre Klageschriften überreichen. Wie gut ihre Chancen dort sind? Mein Kollege Ludwig Greven hat es kürzlich in diesem empfehlenswerten Artikel aufgeschlüsselt. (mh)

16:21 Vorm Bundestag wird demonstriert: Die Gegner des Fiskalpakts haben sich versammelt. Ein Massenauflauf ist es nicht, vielleicht 250 Menschen, darunter fast die komplette Fraktion der Linkspartei, die die Beschlüsse als einzige Fraktion geschlossen ablehnen und in Karlsruhe dagegen klagen will. Auch ein paar Piraten sind da. Auf einem kleinen Podium stehen Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi. Der spricht gerade in ein Megafon, warnt vor der Geldverschwendung und dem Machtverlust des Bundestages. Seine Anhänger tragen Schilder, die aussehen wir Stoppschilder. „EU-Fiskalpakt verhindern“, steht drauf. Auch ein paar Jusos sind gekommen. Anders als die Mutterpartei ist auch der SPD-Jugendverband gegen den Fiskalpakt. Die Jusos sind enttäuscht von der „übertrieben staatsmännischen Haltung“ ihrer Parteiführung. Viele Abgeordnete würden heute „gegen ihre Überzeugung stimmen“, klagt Benjamin Schmidt vom Berliner Juso-Verband.

Auch eine Handvoll Rechtspopulisten haben sich mit Deutschlandfähnchen unter die Demonstranten gemischt. Von denen distanzieren sich die linken Demo-Veranstalter allerdings scharf. (ms)

15:55 Auch die Sozialdemokraten tagen. Beim Reineilen sagt SPD-Fraktionschef Steinmeier: Von den Fraktionssitzungen werde „viel abhängen“, nicht nur für die Kanzlerin, „vielleicht auch für Europa“. Durch die nächtlichen Ergebnisse aus Brüssel sei es „nicht einfacher geworden“, die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erzielen. Er gehe „fest davon aus“, dass es selbst bei Zustimmung heute in naher Zukunft weitere Sitzungen des Bundestags zum Euro geben werde. Neben ihm steht Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments. Er will Werbung für das milliardenschwere Wachstumspaket machen, das die Sozialdemokraten ausgehandelt haben. Auf großes Gehör stößt er nicht.

Steinmeiers Unionspendant Volker Kauder versucht 5 Meter entfernt Zuversicht zu verbreiten. Man werde die vereinbarten Gesetze „heute Abend verabschieden“. Das, was in Brüssel vereinbart worden sei, habe damit nicht zu tun. Das werde man „gründlich prüfen“.

Das ist der Tenor bei Schwarz-Gelb überall an diesem Tag: die Brüsseler Beschlüsse werden in Ruhe beraten, haben aber mit heute nichts zu tun – und bedürfen so oder so der (separaten) Zustimmung des Bundestags. (ms)

15:45 Derzeit tagen die Fraktionen. Bei den Grünen ist gerade Finanzminister Schäuble zu Gast. Zwar wollen die Grünen dem ESM und dem Fiskalpakt mehrheitlich zustimmen, doch gab es dort zuletzt auch viel Gegrummel. Der klimapolitische Sprecher, Hermann Ott twitterte am Freitagmorgen.

Rund ein Viertel der 68 Abgeordneten hatte vorab angekündigt, dem Fiskalpakt und ESM eventuell nicht zustimmen zu wollen. Andere, wie die Haushaltspolitikerin Priska Hintz, sagen: Die Gipfel-Beschlüsse erleichtern uns die Zustimmung, weil die Rettungsschirme ESM und EFSF nun flexibler angewendet werden könnten. (mh)

15:30 Merkels unerwartete Zugeständnisse in Brüssel haben auch unter Koalitionspolitikern für gehörig Wirbel gesorgt. Eben twittert die FDP-Frau Birgit Reinemund:

15:24 Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagt: Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktionen hätten vereinbart, die Abstimmung auf der heutigen Tagesordnung zu belassen. Das heißt: Es wird an diesem Freitag wohl wie geplant über ESM und Fiskalpakt abgestimmt werden.

Interessant auch folgende Trittin-Äußerung: Wenn im Rahmen des ESM neue Instrumente eingeführt werden sollten, müssten diese vom Bundestag auch neu beschlossen werden. Dies könne aber auch später geschehen. (mh)

15:19 Kommt es zur Abstimmung heute? Die Frage wird derzeit an vielen Orten des Bundestags diskutiert. In den Koalitionsfraktionen warnen einige vor „Eurobonds durch die Hintertür“. Andere fürchten schon zusätzliche Sondersitzungen in der Sommerpause.

Andere versuchen zu beschwichtigen. Norbert Barthle (CDU) sagt, es gebe „keine Veranlassung“ irgendetwas an den Gesetzesvorlagen zu ESM und Fiskalpakt zu ändern. Ähnliche Töne auch in der Opposition: der Haushaltspolitiker Joachim Poss warnt, es gebe „keinen Anlass zur Dramatisierung“. Er gehe davon aus, dass es zur Abstimmung kommen werde. Der FDP-Finanzpolitiker Fricke warnt schon mal: der Tag heute werde sehr lang. (ms)

Der Haushaltsausschuss des Bundestages

15:05 Sitzungssaal 2400 im Bundestag: Der Haushaltsausschuss tagt, „streng geheim“, wie an der Tür steht. Drin informiert Wolfgang Schäuble über die Gipfelbeschlüsse von Brüssel. Vor der Tür versuchen die Strategen der Parteien auf die wartenden Journalisten einzuwirken. „Lasst euch nicht vom Schneider verrückt machen“, mahnen die schwarz-gelben Spindoktoren. Der SPD-Haushaltspolitker hatte zuvor die heutige Abstimmung infrage gestellt. (ms)

Aber auch die Abgeordneten der schwarz-gelben Koalition sind beunruhigt und verunsichert. Die Nachricht, die heute die Interntseiten ziert, Merkel habe die Verhandlungen verloren, hat viele aufgeschreckt. Er habe „etliche Fragen“, die sich jetzt erst mal klären müssen, sagt ein FDP-Abgeordneter, der gestern noch sicher war, den heutigen Abstimmungen zu Fiskalpakt und ESM zuzustimmen. Er erwartet nun, dass Schäuble, der um 15.30 Uhr die Fraktionssitzungen besuchen wird, alle Fragen beantworten und Bedenken zerstreuen wird.

14:45 Bundestag und Bundesrat entscheiden ab heute Nachmittag in Sondersitzungen über den Euro-Rettungsfonds ESM und den europäischen Fiskalpakt. Das ist schon bedeutsam genug. Denn beim ESM geht es alleine für Deutschland um eine gigantische Haftungssumme von mindestens 190 Milliarden Euro für Not leidende Mitgliedsstaaten (und deren Banken) der Währungsgemeinschaft. Falls andere Euro-Länder ihren Anteil nicht oder nicht voll einzahlen können, wahrscheinlich noch mehr.

ESM und Fiskalpakt werden mit großer Sicherheit in beiden Kammern die erforderlichen Zweidrittelmehrheiten erreichen. Regierung und Opposition haben sich im Vorfeld verständigt. SPD und die meisten Grünen haben deshalb ihre Zustimmung zugesichert.

Allerdings wurde seit dem Morgen heftig spekuliert, ob die Abstimmungen überhaupt heute stattfinden werden. Nach den Zugeständnissen der Kanzlerin in Brüssel hat beispielsweise der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, die Entscheidung heute ebenso infrage gestellt wie der FDP-Politiker Jürgen Koppelin.

Doch selbst wenn die Abstimmungen wie geplant stattfinden: Richtig dramatisch wird es erst danach. Denn die Linkspartei, die an den Gesprächen nicht beteiligt war, der CSU-Abgeordnete und Euro-Gegner Peter Gauweiler sowie rund 15.000 Mitglieder der Initiative „Mehr Demokratie“ haben angekündigt, sofort danach Verfassungsklagen bzw. -beschwerde beim Bundesverfassungsgericht einzureichen. Sie wollen das Inkrafttreten von ESM und Fiskalpakt verhindern. Bundespräsident Joachim Gauck hat auf dringende Mahnung aus Karlsruhe zugesichert, dass er die beiden Gesetze daher vorerst nicht unterzeichnen wird, wozu ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel gedrängt hatte.

Das Verfassungsgericht wird voraussichtlich relativ schnell in den nächsten ein bis zwei Wochen über die Anträge der Kläger auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung entscheiden. Sollte es zu dem Schluss kommen, dass der Dauer-Rettungsfonds und der Fiskalpakt unzulässigerweise Rechte des deutschen Parlaments auf die EU-Ebene verlagern, was nicht auszuschließen ist, wären die Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat erst einmal nichtig. Und die Euro-Krisengemeinschaft stünde vor einer neuen dramatischen Belastungsprobe.

Sollten die Karlsruher Richter ESM und Fiskalpakt im Hauptverfahren, das Monate dauern kann, schließlich sogar für verfassungswidrig erklären, bliebe vermutlich kein anderer Ausweg als eine neue Verfassung, beschlossen in einer Volksabstimmung.

Oder aber es käme, wie viele Experten und Politiker quer durch die Parteien von der Union bis zu den Grünen eindringlich warnen, zum „Crash“. Sozusagen der Finanz-GAU: Auseinanderbrechen der Euro-Zone, Kollaps vieler Banken und womöglich der Kreditversorgung der Unternehmen in ganz Europa, wirtschaftliche Talfahrt, explodierende Arbeitslosenzahlen, wegbrechende Steuereinnahmen, noch höhere Schulden…

Der Beginn der weltweiten Finanzkrise 2008 mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers wäre in diesem Szenario, gemessen daran, wohl nur ein laues Lüftchen. (lg)