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Mittäter oder Mitläufer? – das NSU-Medienlog vom Mittwoch 5. Juni 2013

 

An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Am fünften Prozesstag begann die Vernehmung des Angeklagten Carsten S., der viel von sich erzählte und zugab, die Tatwaffe besorgt zu haben.

Nahezu alle deutschen Medien fassen den fünften Verhandlungstag in Berichten und Reportagen zusammen, darunter die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, ZEIT ONLINE, Deutschlandradio, Junge Welt, Berliner Zeitung und die taz.

Auch türkische Medien wie die Sabah, Hürriyet und der Sender NTV berichteten. Thema ist unter anderem wieder der Auftritt der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, die der Presse im Gerichtssaal erneut den Rücken zukehrte. NTV zeigt ein Foto der lachenden Zschäpe und schreibt, die „Nazi-Braut“ habe aufgelacht.

Die meisten deutschen Medien konzentrierten sich dagegen auf die Carsten S. und dessen Aussage. „Er taucht nun unter dem Kapuzenpulli hervor, mit dem er sich all die Wochen verhüllt hatte: ein schmaler, jungenhafter Mann von 33 Jahren, blass, mit dunklen Haaren. Er ist angespannt“, schreibt der Autor der Süddeutschen Zeitung. Anschließend gibt der Artikel den Bericht des Angeklagten wieder, der zunächst von seiner schwierigen Kindheit erzählt und davon, wie er in seiner Jugend in die rechte Szene geraten sei. Dort sei er schnell aufgestiegen. „Doch diese Karriere bei den Rechtsradikalen führt er nicht aus, er springt gleich zu seinen Zweifeln“, heit es in dem Bericht.

Die Welt gibt ebenfalls Details der Biographie wieder und resümiert: „Carsten S. beschreibt sich als den klassischen Mitläufer, der von dem mitangeklagten Ralf Wohlleben gesteuert wurde.“ Wirklich aufschlussreich sei nur die Aussage gewesen, dass „die Uwes gar keinen Schalldämpfer bestellt hatten, wie es oft zu hören war in den letzten Monaten“. Er habe nur eine Waffe beschaffen können, die solch einen Schalldämpfer hatte.  Die Frage sei von großer Bedeutung, schreibt die Zeitung: „Denn jemand, der einen Schalldämpfer ordert, muss eigentlich die Absicht zum leisen Anschlag haben.“

 


Kein „nutzloses Schaufenstergehabe“: Gisela Friedrichsen beschäftigt sich auf Spiegel Online unter anderem mit dem Antrag der Zschäpe-Verteidiger, das Verfahren wegen „Vorverurteilung“ auszusetzen. Der Anwältin Anja Sturm sei es ausdrücklich nicht um die „mediale Vorverurteilung“ gegangen, sondern um die „beispiellose Vorverurteilung durch Vertreter der Strafverfolgungsbehörden und des Staates allgemein“. Dem Antrag werde wohl nicht stattgegeben, mutmaßt Friedrichsen. Doch er sei kein „nutzloses Schaufenstergehabe“.

Es sollte vielmehr nachdenklich stimmen, wenn Barbara John, die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opferfamilien, stets von einer „Mittäterin“ spreche. Auch der ehemalige Innenminister Otto Schily habe sich so geäußert, „als wäre das Wort Unschuldsvermutung ein Fremdwort“. Ein solcher Antrag der Verteidigung sollte nachdenklich stimmen, schreibt Friedrichsen und resümiert: „Vielleicht, so die Hoffnung, schärft er die Sensibilität für den Einfluss der Sprache auf die Meinungsbildung der Menschen.“

In englischsprachigen Online-Medien wurden heute erneut keine Berichte über den NSU-Prozess veröffentlicht.

Wir freuen uns auch dazu über Hinweise an nsublog@zeit.de

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, den 6. Juni.