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Was zieht die Zuschauer in den Gerichtssaal, was erwarten sie vom Verfahren?

 

Die Plätze auf der Zuschauertribüne im NSU-Verfahren sind knapp. Die Schlange vor dem Gerichtsgebäude ist zwar nicht mehr so lang wie am Anfang, doch noch immer kommen viele Besucher zu den Prozessterminen. Was zieht die Zuschauer in den Gerichtssaal, was erwarten sie vom Verfahren? Unser Autor Tom Sundermann hat nachgefragt.

Sylvia Dilans, Rentnerin aus München: Ich bin Rentnerin und habe Zeit, darum bin ich heute zum Prozess gekommen. Ich möchte die Verhandlung einmal aus erster Hand verfolgen, weil ich nicht immer nur darüber lesen will. Die Arbeit der Ermittlungsbehörden macht mich richtig betroffen. Es ist schrecklich, dass sie bei den Morden an lauter Türken und Griechen nicht auf rechtsextreme Täter geschlossen haben. Dass sie stattdessen die Angehörigen beschuldigt haben, ist wirklich traurig.

Ich bin sicher, dass Beate Zschäpe hart verurteilt wird. Eigentlich frage ich mich, warum man so ein langes Gezeter im Prozess macht. Aber wir sind nun mal ein Rechtsstaat. Die Arroganz von dem Mädel finde ich unverschämt, sie sollte in Sträflingsklamotten kommen und in einem Glaskasten sitzen. Ihr hochnäsiges Auftreten ist eine Beleidigung für unsere Gerichtsbarkeit.

Benedikt Funke, Student aus München: Ich beobachte den Prozess, weil ich Jura studiere. Später möchte ich mal Richter oder Strafverteidiger werden. Interessant finde ich vor allem das Auftreten der Angeklagten – den Ablauf eines Verfahrens kenne ich ja schon aus dem Studium. Ich habe das Gefühl, dass das Urteil in der Öffentlichkeit schon gefallen ist, darum ist es wichtig, sich den Prozess ganz sachlich anzusehen. Der Verdacht gegen die Angeklagten wiegt natürlich sehr schwer, aber wir müssen das Urteil abwarten. Der Prozess wird sicher ein gerechtes Ergebnis bringen.

Christine Bakoyannis, Studentin aus Starnberg: Ich bin Deutsch-Griechin, darum bin ich sehr gespannt auf das Verfahren. Ich habe mir vor Augen geführt: Es hätte auch mich treffen können oder jemanden aus meiner Familie. Es ist ein Glück, dass die Mordserie ein Ende gefunden hat – wäre das noch länger weitergegangen, hätte irgendwann eine unerträgliche Angst unter Migranten in Deutschland geherrscht. Damit hätten die Rechten gewonnen.

Der Staat muss jetzt zeigen, dass er sich nicht provozieren lässt. Darum ist es nicht schlimm, dass das Verfahren so lange dauern soll. Besser ist, wenn alles gründlich geschieht und wir viel über die Hintergründe erfahren. Dann tragen die Nazis keinen Sieg davon.

PS: Gerne hätten wir auch Fotos gezeigt, aber die Befragten wollten sich nicht fotografieren lassen. Und das Recht am Bild muss man wahren, gerade in einem Gerichtsgebäude.