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Zschäpe und Hitler verkauft sich gut – das Medienlog vom Donnerstag, 25. Juli 2013

 

Diddl oder Dienelt-Maus? Die Berichterstattung behandelt die Aussagen von Olaf B., dem ehemaligen Nachbarn von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Zwickau. Auffällig ist, dass gleich mehrere Medien (auch ZEIT ONLINE) den Hitler-Bezug in der Überschrift thematisieren. Ein journalistischer Reflex?

An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Der offensichtlich NS-nah eingestellte Zeuge B. schilderte den Alltag mit Beate Zschäpe in dem Zwickauer Wohnviertel – etwa den Umstand, dass er sie Diddl-Maus nannte. Möglicherweise habe B. seiner Nachbarin damit geschmeichelt, mutmaßt der Autor der Thüringer Allgemeinen („Zschäpes Nachbar mit dem Hitler-Bild“).  In der sächsischen Freien Presse ist von „Dienelt-Maus“ die Rede – Zschäpe hatte sich in der Nachbarschaft als Susann Dienelt vorgestellt.

Die Berliner Zeitung („Zschäpe und das Hitler-Bild“) ordnet ein: „Die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe konnte sich bei einigen ihrer Nachbarn in der Zwickauer Frühlingstraße unter politischen Freunden wähnen“, schreibt Stefan Geiger mit Blick auf die NS-Verehrung des befragten Zeugen, der unter anderem ein Bild Adolf Hitlers in der Wohnung hatte.

Der Autor der Stuttgarter Zeitung („Nur Knoblauch und Fritten störten die Idylle“) beobachtete, dass die Reaktionen Zschäpes den Zeugen sogar noch anspornte, weitere Details aus dem nachbarschaftlichen Zusammenleben preiszugeben. „Man nimmt ihm ab, dass er es nett fand, dass diese junge Frau aus dem ersten Stock immer mal wieder bei ihm vorbeischaute“, schreibt Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung („Mit Beate gemütlich unterm Hitler-Bild“). Der Deutschlandfunk („Pizza, Prosecco und die ‚Diddl-Maus'“) lässt auch die Nebenkläger zu Wort kommen. Auch in der türkischsprachigen Zeitung Zaman ist der Prozesstag Thema.

Eine ganze Anzahl von Nazi-Memorabilien gehörten nach Aktenlage dem Zeugen Olaf B., erwähnt unter anderem Karin Truscheit in der Frankfurter Allgemeinen (hier ist, das sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt, wieder von „Dienelt-Maus“ die Rede). Danach gefragt, sei der Zeuge um Antworten nicht verlegen. „Olaf B. ist angestrengt darauf bedacht, Zschäpe in einem guten Licht erscheinen zu lassen“, beschreibt die Autorin die Aussage des Zeugen.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt Hannelore Crolly in der Welt. Auffällig sei etwa, dass B. keinerlei Ärger gegen seine ehemalige Nachbarin zu hegen scheine. Ebenfalls auffällig findet die Autorin, dass sich G. an manche Dinge gut erinnern konnte, insbesondere an Gesprächsinhalte jedoch nicht. Insgesamt hielten sich bis jetzt viele Zeugen, die mit den Angeklagten zu tun hatten seltsam zurück, kommentiert Crolly und mutmaßt: „Manche schweigen womöglich aus Angst, zwei Zeugen zumindest haben das hinter vorgehaltener Hand nach Prozessende bereits angedeutet. Andere werden sich aber womöglich auch aus Sympathie oder Solidarität mit den Angeklagten zurückhalten.“

Für Tagesspiegel-Autor Frank Jansen schildert der Zeuge B. eine „Gemütlichkeit, die gruseln lässt“, der Autor kommt zu dem Schluss: „Wie selten zuvor im NSU-Prozess ist am 27. Verhandlungstag die bräunliche Einfärbung von Teilen der ostdeutschen Bevölkerung zu spüren.“

B.s Aussage hinterlasse Zweifel, schreibt Tom Sundermann auf ZEIT ONLINE („Ein Schwätzchen mit Zschäpe unterm Hitlerbild“, „Dienelt-Maus“) und fragt sich: „Wurden seine Eindrücke durch seine eigene politische Einstellung gefiltert?“ B. habe zwar zugegeben, unter anderem ein Hitler-Bild besessen zu haben, eine politische Meinung wolle er jedoch nicht haben.

Über den 27. Verhandlungstag hatte außerdem der Weimarer Bürgersender Radio Lotte live berichtet.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, den 26. Juli.