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Ermittlungspanne bei NSU-Taschenlampen-Bombe – das Medienlog vom Montag 7. Oktober 2013

 

In dieser Woche geht es im NSU-Prozess um sechs verschiedene Morde. Das Oberlandesgericht hört Zeugen zu den Fällen Özüdogru, Tasköprü, Kubasik, Yozgat, Yasar und Kilic. Im Vorfeld gibt es aber zunächst Berichte über einen weiteren Fall, der mit dem NSU in Verbindung gebracht wird: die sogenannte Taschenlampen-Explosion in einer Nürnberger Gaststätte. Wie BR und SWR schreiben, sollen sich die Ermittler auch hier schwere  Ermittlungspannen geleistet haben.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Im Jahr 1999 explodierte in der Nürnberger Pilsbar Sonnenschein eine Taschenlampen-Bombe. Verdächtigt wurde lange das Opfer, doch offenbar handelt es sich auch hier um eine Tat des NSU-Trios. Dabei wird der Vorwurf erhoben, es habe schwere Ermittlungspannen gegeben. Schon 2000 wurde das Verfahren nach sechs Monaten eingestellt, „obwohl das Bayerische Landeskriminalamt bei der Analyse des Sprengsatzes zur Einschätzung gekommen war, dass bei der Konstruktion der Bombe zwar Fehler gemacht, jedoch offenkundig eine besonders hohe Splitterwirkung beabsichtigt war“, so der BR. Aus heutiger Sicht spreche nach den Recherchen von SWR und BR viel dafür, dass es Uwe Böhnhardt oder Uwe Mundlos gewesen sein könnten.

SWR-Terrorismusexperte Holger Schmidt schreibt, er wäre „einigermaßen fassungslos“ angesichts der Akten zu dem Fall. „Das hat sowohl damit zu tun, was in der Akte steht, als auch mit dem, was fehlt.“ Doch Schmidt sieht auch einen positiven Aspekt: „Immerhin: Die Akte ist noch da – und auch die Rohrbombe ist noch da: Sie diente der Polizei als Schulungsmaterial – wie auch eine DNA-Analyse des BKA bewies. Sie ergab nur einen klaren Treffer: ein Chemiker des bayerischen LKA.“

Den Verstrickungen zwischen V-Leuten und NSU widmet sich in einem ausführlichen Artikel Publikative.org. So schreibt Kai Budler: „Bei der Aufarbeitung der Mordserie des extrem rechten Terrornetzwerks ‚Nationalsozialistischer Untergrund‘ geraten immer wieder der Verfassungsschutz und seine V-Leute in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Der jetzt bekannt gewordene Fall des V-Manns ‚Tarif‘ alias Michael See zeigt erneut: Die Behörde hatte offenbar keinerlei Berührungsängste bei der Zusammenarbeit mit militanten Neonazis, auch wenn die während ihrer Zeit als V-Mann Straftaten verübten.“ Ausführlich beschreibt Budler die Verbindungen von See zu neonazistischen Kreisen und kritisiert: „Die Behördenpapiere ließ der Geheimdienst selbst vernichten und muss sich damit erneut vorwerfen lassen, die Aufklärung der tödlichen Fehler im Rahmen der NSU-Ermittlungen behindert statt voran getrieben zu haben.“ Denn „Tarif“ hatte offenbar Kontakte in den Thüringer Heimatschutz. Er soll das Konzept der autonom operierenden neonazistischen Gruppen entwickelt haben, aus dem der NSU entstand. „Doch seine Akte wurde im November 2011 geschreddert, sieben Tage nachdem der NSU sich selbst enttarnt hatte“, so Budler.

Keine aktuellen Berichte in englisch- oder türkischsprachigen Medien online verfügbar.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 8. Oktober 2013.