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Im Klammergriff des NSU – Das Medienlog vom Freitag, 21. Februar 2014

 

Der mutmaßliche NSU-Unterstützer Max-Florian B. ist als Zeuge nach München gekommen – und hat geschwiegen. Gegen den 36-Jährigen läuft ein Ermittlungsverfahren, er belastete sich selbst nicht. Stattdessen sagten zwei Polizisten aus, die B. nach dem Auffliegen des NSU vernommen hatten. Der Beschuldigte hatte die drei bei sich wohnen lassen, ihnen seinen Personalausweis überlassen und sich mehrmals mit ihnen getroffen. Die Terrorgruppe habe den Dresdner „benutzt“, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel – möglicherweise „war er zu schwach, um sich aus dem Klammergriff zu befreien“.

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Dass B. sich darauf einließ, das untergetauchte Trio zu unterstützen, zeige, dass B. „sich jung und naiv rechtsextrem auf Leute einließ, die härter und gefährlicher waren“. Unklar sei deshalb, weshalb er die Aussage verweigert habe. Statt B.s Angaben hörte das Gericht die Aussagen zweier Ermittler. Einer von ihnen, ein Beamter des Bundeskriminalamts, habe „mit einem guten Gedächtnis“ aus B.s Vernehmungen berichtet. Dabei wurde auch die Angst deutlich, die B. nach seiner Zusammenarbeit mit der Terrorgruppe spürte: So kündigte er ein von Mundlos auf seinen Namen eröffnetes Konto bei der Commerzbank nicht – er fürchtete, diese könne merken, dass die Unterschriften nicht übereinstimmten. Nun sei offen, wie das Ermittlungsverfahren gegen ihn ausgehe – B. könne „froh sein, im NSU-Prozess nicht als der sechste Angeklagte sitzen zu müssen“, schreibt Jansen.

Auch ZEIT ONLINE schreibt, B. habe beinahe „selbst auf der Anklagebank Platz nehmen müssen“. In seiner ersten Vernehmung Anfang November 2011 hatte B. ausgesagt, er habe nur kurz jemanden bei sich übernachten lassen – aber die Bekanntschaft mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sei „weit mehr als eine flüchtige Begegnung“ gewesen. Der Zeuge habe sich bei der Polizei als Opfer dargestellt. Ob diese Aussage korrekt sei, müsse jedoch noch geklärt werden.

Das Gericht habe die Aussagen B.s „mühsam“ rekonstruieren müssen, schreibt Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen. Der Vernehmer des BKA habe sich „ganz fit im Zeugenstand“ erwiesen – etwa, als es um die späteren Treffen und Telefonate zwischen B. und dem Trio ging. Drei persönliche Begegnungen gab es, ein bis zwei Telefonate im Jahr. Dabei wollten die Untergetauchten sich offenbar über die Lebensumstände von B. informieren, der mittlerweile Vater von zwei Kindern ist. Misstrauisch machte ihn das anscheinend nicht.

In der Jungen Welt stellt Claudia Wagnerin die zahlreichen Merkwürdigkeiten an B.s Aussage heraus: Der Zeuge habe „den Thüringer Beamten und dem Bundeskriminalamt unterschiedliche Versionen aufgetischt“. Auch sei er ziemlich unkritisch mit den Leuten umgegangen, die er damals in seiner Wohnung einquartiert hatte – im Laufe der Zeit habe er erfahren, dass seine Mitbewohner gesucht werden. Doch das nahm er nicht sofort zum Anlass, sie vor die Tür zu setzen.

In den Vernehmungen hatte B. noch gesagt, er wolle kooperieren und sich nicht hinter einem Anwalt verstecken – dann habe er sich irgendwann umentschieden, wie eine dpa-Meldung analysiert. Zum Gerichtstermin brachte der Beschuldigte einen Rechtsbeistand mit. Insofern war sein Verhalten im Vergleich zu anderen Kameraden aus der Szene eher die Regel als die Ausnahme: B. war „nicht der erste Zeuge, der sich vor Gericht deutlich schweigsamer zeigt als in den vorangegangenen Vernehmungen“, heißt es.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 24. Februar 2014.