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Ilona Mundlos, die überforderte Mutter – Das Medienlog vom Freitag, 4. April 2014

 

Ilona Mundlos hat ihren Sohn Uwe verloren – der laut Anklage im NSU-Prozess ein zehnfacher Mörder ist. Als Zeugin schilderte sie am 102. Verhandlungstag, wie sich Uwe von ihr verabschiedete und wie sie durch einen Anruf von Beate Zschäpe von seinem Tod erfuhr. Mundlos antwortete Richter Manfred Götzls Fragen sachlich und bedacht – anders als ihr Mann im Dezember. Sie zeigte sich als Frau, „die inzwischen eine ziemliche Distanz zu den Dingen hat, die sich damals ereigneten“, schildert Björn Hengst die Vernehmung auf Spiegel Online.

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Mundlos habe „erst vorsichtig tastend und einsilbig, dann immer ausführlicher ausgesagt“, wie sie die Entwicklung ihres Sohns erlebte: Er sei zum Vater tendiert, während sie sich stärker um seinen behinderten Bruder kümmerte. Schließlich zog Uwe in eine eigene Wohnung, der Kontakt wurde selten. Wie der Sohn in die rechte Szene abdriftete, will die Mutter nicht bemerkt haben – auch, als er daheim Springerstiefel trug: „Manche Warnsignale hätte wohl auch Ilona Mundlos problemlos entschlüsseln können“, analysiert Hengst.

„So wie die Frau redet, erscheint Uwe in ihrem Leben fast wie eine Randfigur“, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Selbst als Uwe ihr mitteilte, dass er verschwinden werde, habe sie offenbar kaum Zeit für ihn gehabt. Dennoch wirke sie „nicht herzlos“, sondern eher überfordert. Worte an die Hinterbliebenen der NSU-Opfer, wie sie die anderen Eltern vor Gericht geäußert hatten, ließ Mundlos vermissen – Jansen hält ihr jedoch zugute, dass sie sich in ihrer Aussage nicht zum Opfer stilisiert habe.

„Man sieht Ilona Mundlos an, wie gehetzt sie ist“, schreibt Annette Ramelsberger in der Süddeutschen Zeitung. Die Zeugin, die 30 Jahre lang Spätschicht in der Kaufhalle schob, habe ständig Probleme lösen müssen. Deswegen gefiel ihr wohl auch, dass Zschäpe eine Zeitlang Uwes Freundin war – sie schilderte die Hauptangeklagte als nett und hilfsbereit. „Aber dass die jungen Leute auch noch andere Interessen hatten als Disco, bekam die Mutter nicht mit, sagt sie.“

Kai Mudra berichtet in der Thüringer Allgemeinen: „Während der gesamten Befragung kamen keine kritischen Bemerkungen zum Verhalten ihres Sohnes Uwe über ihre Lippen.“ Sie habe sich weder gewundert, als Uwe einem inhaftierten Neonazi Briefe schrieb, noch, als er 1996 in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald Hausverbot erhielt. Bei der Vernehmung erzählte sie auch, sie habe Uwe damals seine erste Bomberjacke gekauft, weil sie diese „schick“ fand. Heute schäme sie sich dafür.

Ein Bericht der Nachrichtenagentur AFP stellt die Gemeinsamkeiten in den Aussagen der NSU-Eltern heraus: „In den Elternhäusern gab es keine eigenen rechtsextremen Tendenzen – doch der wachsenden rechtsradikalen Gesinnung ihrer Kinder waren die Eltern nie gewachsen.“ Über Zschäpe hätten sich alle Eheleute freundlich geäußert, sie jedoch gleichzeitig belastet, weil sie die Angeklagte als gleichberechtigt und selbstbewusst beschrieben. Das könnten die Richter als Hinweis dafür werten, dass Zschäpe ihren festen Platz im Trio hatte und die Morde unterstützte.

Der Stern berichtet, dass Richter Manfred Götzl ein Schriftgutachten über Beate Zschäpe einholen lässt. Verglichen werden sollen der Brief, den Zschäpe aus der Haft an einen Dortmunder Neonazi schrieb und das sogenannte NSU-Manifest, in dem die Terrorzelle ihre Ziele aufgeschrieben hatte. Mehrere Anwälte der Nebenklage hatten einen Sachverständigenbericht über Zschäpes Art zu Schreiben gefordert, in der vergangenen Woche trug Götzl der Bundesanwaltschaft schließlich eine „Vorabfeststellung des Sachgebiets Linguistik“ auf.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 7. April 2014.