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Zschäpe geht ein hohes Risiko ein – Das Medienlog vom Freitag, 18. Juli 2014

 

Beate Zschäpe vertraut ihren Verteidigern nicht mehr – unklar ist, welche Folgen das für den NSU-Prozess hat. Vorerst wird die Verhandlung wie geplant fortgesetzt. Zudem bekam Zschäpe eine Verlängerung für die Frist, innerhalb der sie begründen muss, weswegen sie nicht mehr mit ihren Anwälten zusammenarbeiten kann. Ist die bislang ausgeübte Strategie des Schweigens ein Grund für den Bruch mit der Verteidigung? „Diese Frau ist klug genug, um zu erkennen, dass sie mit dieser Verteidigungsstrategie ein wachsendes Risiko läuft, zur Höchststrafe verurteilt zu werden“, kommentiert Stefan Geiger von der Stuttgarter Zeitung.

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Bis heute Abend hat Zschäpe Zeit, dem Gericht das Misstrauen gegenüber ihren Anwälten Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl darzulegen. Und die Anforderungen an ihren Antrag sind hoch: „Der Prozess wird nicht deshalb scheitern, weil sie mit ihren Anwälten nicht mehr zufrieden ist“, schreibt Reinhard Müller von der FAZ. Er vermutet Taktik hinter der Erklärung der Hauptangeklagten – diese werde „nichts unversucht lassen“, um den Prozess zu torpedieren.

Weniger Kalkül vermutet Gisela Friedrichsen von Spiegel Online. Zschäpe könnte die Bedeutung einer Entpflichtung, also eines Verteidigungswechsels, unterschätzt haben: „Es sieht so aus, als sei sie über die hohen Anforderungen eines Wechsels der Pflichtverteidiger nicht im Bilde gewesen.“ Das gelte insbesondere, wenn sie glaube, ein simpler Dissens reiche, um in den Augen des Gerichts das Vertrauen zwischen Angeklagtem und Verteidigern zu zerstören: „Sollte Zschäpes Antrag einer spontanen Verärgerung entsprungen sein, dürfte er wenig Aussicht auf Erfolg haben.“

Rätselhaft ist indes der Grund, der Zschäpe zu der Zäsur bewogen hat. Nach wie vor wird ihre Bereitschaft zu einer Aussage als Ausgangspunkt gehandelt. „Unvorstellbar, dass ein Mensch, auch einer, der sich womöglich so schuldig gemacht hat wie Beate Zschäpe, diese Situation jahrelang ertragen kann“, meinen wir von ZEIT ONLINE. Doch Zschäpe ist nicht von der Erlaubnis ihrer Anwälte abhängig, wenn sie reden will. Ein Wechsel der Verteidigung könnte ihr allerdings mehr schaden als nutzen: „Tatsächlich ist der Point of no Return für einen Wechsel der Verteidigung längst überschritten“, weil die Nachfolger eine unermessliche Informationsmenge aufarbeiten müssten.

Bislang ist nur das Schweigen als Zschäpes Verteidigungsstrategie bekannt. „Und selbst, wenn sie dieses jetzt bricht, bleibt der Ausgang unklar. Würde sie die Taten bereuen?“, fragen Konrad Litschko und Andreas Speit von der taz. Die Riege ihrer Verteidiger werde wohl dieselbe bleiben: „Nicht unwahrscheinlich, dass Götzl ihr Ansinnen am Ende einfach ablehnt.“

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 21. Juli 2014.