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Keine Aussage, keine neuen Anwälte – Das Medienlog vom Montag, 21. Juli 2014

 

Je mehr Informationen durchsickern, desto wahrscheinlicher wird, dass im NSU-Prozess alles beim Alten bleibt. Beate Zschäpe, die ihren Anwälten nicht mehr vertraut, hat dafür am Freitag eine Begründung beim Gericht eingereicht. Nach Informationen des Focus spricht die Angeklagte darin nicht von einer möglichen Aussage – über eine solche Möglichkeit wurde zuvor spekuliert. Dass ihre Verteidiger Wolfgang Heer, Anja Sturm und Wolfgang Stahl ihr Mandat verlieren, halten Prozessbeobachter aufgrund der bislang vorliegenden Hinweise für unwahrscheinlich.

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Laut Süddeutscher Zeitung nannte Zschäpe dem Münchner Oberlandesgericht „keine juristisch bestechenden Gründe“, die eine sogenannte Entpflichtung ihrer Anwälte rechtfertigen würden. Nach Informationen des Blatts geht es in der Begründung „nicht um einen Grundsatzstreit“, der zwischen Anwälten und Mandantin schwelt. Die Hauptangeklagte werde sich wohl nicht von Heer, Stahl und Sturm trennen können, hinterlasse aber ein belastetes Verhältnis. „Dadurch steigt auch der Druck, der auf Zschäpe lastet.“

Am heutigen Montag will das Gericht über den Antrag beraten, zuvor müssen sowohl die Verteidiger als auch die Bundesanwaltschaft eine Stellungnahme abgeben. Wie die Süddeutsche berichtet auch der Tagesspiegel, dass sich Zschäpe beim Verfassen ihrer Erklärung von einem Anwalt aus München assistieren ließ. Dessen Hilfe genügte jedoch offenbar nicht: Es sei „fraglich, dass der Prozess damit zum Platzen gebracht werde“.

Solange der genaue Inhalt des Schriftstücks noch nicht bekannt ist, bleibt fraglich, welche Beweggründe Zschäpe für ihren Antrag hatte. „Eine Rolle könnte spielen, dass sich unter Zschäpes Mitgefangenen mutmaßlich zahlreiche selbsternannte Rechtsgelehrte befinden, die meinen, alles besser zu wissen als ihre Verteidiger“, mutmaßt Helene Bubrowski von der FAZ. Ein Dissens über die richtige Verteidigungsstrategie reiche nicht als Misstrauensgrund. Auch, wenn Zschäpe einen anderen Anwalt für besser hält, erfülle sie damit nicht die Voraussetzungen für eine Entpflichtung.

„Und dass Zschäpe den Prozess verschleppen will, ist pure Spekulation“, schreibt Holger Schmidt auf dem Terrorismus-Blog des SWR. Die Begründung könnte indes für sich genommen prozessrelevant sein, wenn sie etwas über die Angeklagte verrät. Der psychiatrische Gutachter Henning Saß etwa dürfte den Schriftsatz „mit wissenschaftlicher Entzückung lesen“, auch die Bundesanwaltschaft werde ihn genau prüfen.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 22. Juli 2014.