Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Zeuge gewinnt Machtkampf gegen das Gericht – Das Medienlog vom Freitag, 17. Oktober 2014

 

Am Donnerstag sagte der rechtsextreme Zeuge Thomas G. zum dritten Mal aus – jedoch nicht über seine mutmaßliche Mitgliedschaft bei der radikalen Organisation Hammerskins. G., ein Weggefährte des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, durfte Angaben dazu nach einer Intervention von dessen Anwalt Olaf Klemke verweigern, wie Richter Manfred Götzl entschied. „Für seine Skrupel zahlt der Rechtsstaat in Person von Richter Götzl einen Preis“, urteilt Frank Jansen vom Tagesspiegel. Denn der Vorsitzende hatte G. in der vorigen Sitzung noch mit einem Ordnungsgeld gedroht, sollte sich dieser nicht äußern.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Grund für das Schweigerecht war die Möglichkeit, dass eine Staatsanwaltschaft wegen der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ein Ermittlungsverfahren gegen G. einleiten könnte. Ein solches Verfahren war allerdings bereits im Jahr 2006 eingestellt worden – dabei war G. nicht einmal unter den Beschuldigten. Die Folge von Götzls Entscheidung: „Die Aussage von Thomas G. bringt nicht viel, obwohl er Kontakte zu den NSU-Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie zu der mit ihnen untergetauchten Beate Zschäpe unterhalten haben könnte.“

Lisa Schnell von der taz sieht in der Vernehmung durch Götzl einen „Machtkampf zwischen ihm und dem Zeugen G.“. Die Entscheidung für ein Auskunftsverweigerungsrecht fußte offenbar auch auf dem Willen, das Urteil später gegen eine rechtliche Überprüfung abzusichern: „Jeder Schritt will gut überlegt sein, um keinen Anlass für eine Revision zu geben.“ Auch Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk fragt: „War es dem Gericht viel zu riskant, seine Entscheidung auch durchzusetzen?“ In der Folge habe G. „den beredten Schweiger“ gegeben.

„Die Phalanx der rechten Szene steht. Die rechten Zeugen mauern vor Gericht – seit Monaten“, resümiert Annette Ramelsberger von der Süddeutschen Zeitung. G., der nun mit dem Segen des Gerichts ein Geheimnis bewahren durfte, liefert somit ein Beispiel für das Rechtsverständnis der Neonazis: „In seiner Welt zählt für ihn vielleicht gerade noch die Bauordnung, nicht aber das Grundgesetz.“

Wir bei ZEIT ONLINE haben während der Sitzung einen „juristischen Showdown“ beobachtet, aus dem der Zeuge als Sieger hervorgegangen ist. Unabdingbar dafür war allerdings die Hilfe von Ralf Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke. Dieser unterstützte in der Vergangenheit häufig Zeugen aus der Szene, wenn es um ihre Rechte bei der Aussage ging. Im Fall G. schoss Klemke „weit über sein übliches Engagement hinaus“. Die Folge: Der Verteidiger konnte am Ende „einen Sieg verbuchen“.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 20. Oktober 2014.