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Noch eine Version zum Schmuggel der NSU-Mordwaffe – Das Medienlog vom Donnerstag, 23. Oktober 2014

 

Über die Schmuggelroute der NSU-Pistole Ceska 83 gibt es eine neue Theorie: In Umlauf gebracht hat sie demnach nicht der Schweizer Hans-Ulrich M., sondern ein Eiscafé-Betreiber aus Thüringen. Das sagte der als Zeuge geladene Nebenklageanwalt Turan Ünlücay aus, dem sich der bislang verdächtigte M. am Rande einer Vernehmung in der Schweiz anvertraut hatte. Die bisherige Version des Transportwegs ist mit Unsicherheiten behaftet. „Andererseits klingt auch die Geschichte, die Hans-Ulrich M. dem Nebenklageanwalte schilderte, abenteuerlich“, kommentiert Frank Jansen im Tagesspiegel.

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M. hatte dem Anwalt dessen Schilderung zufolge erzählt, er habe die Pistole gemeinsam mit seiner damaligen Lebensgefährtin für den Thüringer bei einem Schweizer Waffenhändler abgeholt. Die Frau hatte am Vortag ausgesagt. Details nannte der Schweizer keine – er sagte lediglich, er könne seine Version beweisen, wenn ihm Straffreiheit zugesichert werde. Sollte das stimmen, stünden vermutlich umfangreiche Ermittlungen an. Aber: „Möglicherweise hat Hans-Ulrich M. versucht, über Ünlücay seine Ex-Freundin und den Betreiber des Eiscafés zu diskreditieren“, schreibt Jansen.

Außerdem beschäftigte sich das Gericht mit einer Tat aus dem Jahr 1996: Damals soll Uwe Böhnhardt eine Puppe mit einem Judenstern an einer Autobahnbrücke angebracht haben. Für die Tat wurde er ein Jahr später verurteilt, kurz darauf aus Mangel an Beweisen jedoch freigesprochen. Als Zeugen traten drei Polizisten auf, die damals Beate Zschäpe und den Mitangeklagten Ralf Wohlleben vernommen hatten. Sie äußerten sich ausführlich, gaben dem Freund allerdings ein Alibi. Für die Ermittler gab es damals viel zu tun. „Doch die Betriebsamkeit von gestern ist das Problem von heute“, resümiert Jörg Diehl von Spiegel Online. Denn die Beamten konnten sich 18 Jahre später praktisch an nichts mehr erinnern.

Die Protokolle der Befragungen lenken den Blick erneut auf die Hauptangeklagte Zschäpe: „Interessanterweise war sie damals in mancher Hinsicht ziemlich redselig“, schreibt Tanjev Schultz von der Süddeutschen. So sagte sie über den Zeugen André K., der sich im Gericht als weiterhin überzeugten Rechten darstellte, er prahle viel.

Für die Polizisten war die Aktion mit der Puppe damals eine von vielen rechtsmotivierten Straftaten. „Der Fall ging erst als Nebenschauplatz rechter Umtriebe in die Geschichte der ostdeutschen Neonaziszene ein“, schreibt Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk. Zschäpe indes bezeichnete sich vor den Ermittlern ganz offen als Rechte, die jedoch keine Straftaten begehe. „Der Frage, wie rechte Mitläufer zu gewalttätigen Terroristen mutierten, kam man hier aber auch nicht näher.“

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 24. Oktober 2014.