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Das NSU-Trio: Helden in der rechten Szene – Das Medienlog vom Freitag, 27. Februar 2015

 

Zwei Zeugen und fünf Anträge standen auf der Agenda des 188. Verhandlungstags. Die erste Zeugin war eine Freundin des Mitangeklagten Carsten S. und zeichnete ein Bild der rechten Szene Ende der neunziger Jahre, nach der Flucht von Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. „Sie wurden hochgelobt“, als Helden und Märtyrer verehrt, sagte Christina H. Ihr Freund S. habe sich wegen der ihm vorgeworfenen Tat, einem Waffentransport, Vorwürfe gemacht. „Seine Reue wirkt glaubhaft; der Prozess und das Leiden der Opfer scheinen ihm nahe zu gehen“, beobachtet Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Deutliche Worte fand die Zeugin auch für den ebenfalls Angeklagten Ralf Wohlleben: Er sei eine „Leitperson“ gewesen, ebenso wie der rechtsextreme Zeuge André K. Drastisch schilderte sie eine Episode, in der Wohlleben einen etwa 13-jährigen Neonazi mit Liegestützen dafür bestrafte, dass er einen Döner gegessen hatte, wie etwa im Tagesspiegel-Bericht von Wiebke Ramm zu lesen ist.

H. war bereits mit 13 Jahren in die Szene eingestiegen, später verließ sie den braunen Sumpf gemeinsam mit S. In der Befragung hatte sie viele Details parat – anders als die meisten der Zeugen, die noch in rechtsextremen Netzwerken aktiv sind: „Normalerweise glänzen Zeugen aus der rechten Szene im NSU-Prozess oft mit Erinnerungslücken“, merkt Eva Frisch vom Bayerischen Rundfunk an.

Nach den Zeugenbefragungen verlasen die Anwälte der Hinterbliebenen von Halit Yozgat, der 2006 in Kassel ermordet wurde, fünf bereits groß angekündigte Anträge. Demnach wusste der Verfassungsschützer Andreas T. von dem geplanten Mord und wurde später vom Innenministerium und dem heutigen Ministerpräsidenten Volker Bouffier protegiert. Die Anträge stießen auf heftigen Widerstand der Bundesanwaltschaft, also der Anklagevertretung: Bundesanwalt Herbert Diemer argumentierte, die Forderungen seien nach ihrer Medienwirksamkeit ausgewählt worden und trügen nichts zur Aufklärung des Falls bei, wie unter anderem Tanjev Schultz in der Süddeutschen berichtet.

Nach der Skandalwirkung, die die Anträge bereits durch Medienberichte erhalten hatten, erscheint es nun eher unwahrscheinlich, dass ihnen stattgegeben wird, analysieren wir bei ZEIT ONLINE: „Die Sensation war so perfekt, dass sie nur noch Makel bekommen konnte.“ Die Bundesanwaltschaft widersprach der Auffassung, die Ladung von Ministerpräsident Bouffier und das Abspielen von Telefonmitschnitten könnte etwas zur Aufklärung beitragen.

Dass es Pannen bei den Ermittlungen nach dem Mord gab, gilt allerdings als unstrittig. Diese sind „symptomatisch für das Versagen von Polizei und Geheimdiensten in der Aufklärung der NSU-Morde“, kommentiert Ralf Euler in der FAZ. Dennoch: Ein wesentliches Element der Anträge ist ein Satz, in dem der Geheimschutzbeauftragte des Verfassungsschutzes T. einen mysteriösen Rat gibt. Dabei könne es sich jedoch auch „um eine geschmacklose Bemerkung ohne konkreten Bezug zu den tatsächlichen Geschehnissen“ handeln.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 2. März 2015.