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Doppelte Lüge im Zeugenstand – Das Medienlog vom Mittwoch, 16. September 2015

 

In zwei Vernehmungen hatte der Thüringer Neonazi Marcel D. bestritten, als V-Mann tätig gewesen zu sein. Diese Behauptung wurde nun widerlegt. Am 227. Prozesstag bestätigte sein Quellenführer beim thüringischen Verfassungsschutz: D. war unter dem Decknamen Hagel tätig und lieferte von 1997 bis 2000 Informationen. Zu dieser Zusammenarbeit berichtete der Beamte Jürgen Z. Details, die kein gutes Licht auf den Geheimdienst werfen. Zum Beispiel, dass die Thüringer Behörde D. auch Spenden erstattete, die dieser an rechtsextreme Organisationen zahlte. „Kann es sein, dass so eine Landesbehörde genau die verfassungsfeindlichen Gruppen sponsert, die es zu beobachten hat?“, fragt Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk. Antworten darauf habe der Zeuge nicht gegeben.

400 bis 500 Mark Spionagehonorar kassierte D. für seine Dienste – pro Woche. Dabei wurde er auch gefragt, ob er das 1998 untergetauchte NSU-Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kennen würde. D. verneinte. Und das, obwohl er laut eigenen Aufzeichnungen zweimal eine Spende an die drei weitergeleitet hatte. In der Vernehmung von Verfassungsmitarbeiter Z. zeigte sich, „wie erstaunlich entspannt der Verfassungsschutz in frühen Zeiten mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt umsprang“, merken wir auf ZEIT ONLINE an. Das zeigte sich auch bei einer anderen Antwort des Zeugen: „So hoch angebunden war das Untertauchen der drei gar nicht.“ Diese Herangehensweise erwies sich als „fatale Fehleinschätzung“.

Im Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags hatte Verfassungsschutzmitarbeiter Z. anders als im Prozess angegeben, er habe D. gar nicht nach dem untergetauchten Trio gefragt. Nun allerdings sagte er nicht nur das Gegenteil, sondern auch, dass in den Quellenberichten gar nichts über Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt stehe – eine weitere Volte, die Nachfragen des Nebenklageanwalts Thomas Bliwier provozierte. Die Wahrheit sei „das, was ich heute gesagt habe“, sagte Z. laut einem Bericht von Wiebke Ramm auf Spiegel Online. Dass sowohl V-Mann D. als auch sein Betreuer vom Verfassungsschutz in der Vergangenheit die Unwahrheit gesagt hatten, brachte im NSU-Prozess „nun gleich ein mehrfaches Aha-Erlebnis“, kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 17. September 2015.