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„Wohlleben verbirgt seine nationale Gesinnung nicht“ – das Medienlog vom Donnerstag, 14. Januar 2016

 

Der als Mordhelfer Angeklagte Ralf Wohlleben hat sich nach seiner Aussage im Dezember erstmals Fragen des Gerichts gestellt – und blieb bei seiner Version: Nicht er, sondern der Mitangeklagte Carsten S. sei für die Beschaffung der NSU-Mordwaffe Ceska 83 verantwortlich gewesen. Seine Selbstbeschreibung klingt eher wie ein harmloser Mitläufer als Unterstützer einer rechtsextremistischen Terrorgruppe. „Nun hakt Richter Manfred Götzl nach – und bringt Wohlleben ins Schwimmen“, beobachtet Konrad Litschko von der taz. Auffällig sei bei der Befragung gewesen, wie oft der Angeklagte sich auf Erinnerungslücken berufen habe.

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„Da will einer seine Rolle ganz klein machen“, kommentiert Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk. Die Neonazi-Gruppe Nationaler Widerstand Jena, deren Mitglied Wohlleben war, habe er erstaunlicherweise als unpolitisch dargestellt. Bei Aussagen zur Waffe, die er auch nach eigenen Angaben einmal in Händen hielt, habe er sich widersprochen. Nebenklageanwälte würden nun meinen, dass Wohllebens Einlassung kontraproduktiv war: „Für sie ist die Aussage ein Geständnis – ein unfreiwilliges.“

Die Befragung des Angeklagten könnte noch einige Tage dauern, schreibt Frank Jansen vom Tagesspiegel. Grund dafür sei die penible Vernehmungstechnik des Vorsitzenden Götzl: „Der Richter bohrt sich am Mittwoch in Wohllebens Angaben hinein, Detail auf Detail wird hinterfragt.“ Wohlleben war nach eigenen Angaben „nur eine Randfigur“, obschon „er auffallend viel über seine Kontakte zu den drei Untergetauchten berichtet“ – also Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.

Im Prozess blieben „die entscheidenden Fragen nach Verantwortung und Schuld der Angeklagten weiter offen“, schreibt Marcel Fürstenau von der Deutschen Welle. Eine Parallele in den Aussagen der mutmaßlichen Täter: „Alle stellen sich selbst lediglich als Handlanger dar, die über die wahren Motive für die Waffenbeschaffung nichts gewusst haben wollen.“

Die Aussage machte „erneut deutlich, dass der Angeklagte nicht aus rechtsstaatlicher Überzeugung mit dem Gericht kooperiert“, schrieb ZEIT ONLINE. Die Konfrontation mit der Waffe überraschte den angeblich in diesen Dingen unerfahrenen Wohlleben nach seinen Angaben, an einigen Stellen führte er auch Gedächtnisprobleme an. Insbesondere nutze Wohlleben die Aussage als Plattform, um seine rechtsextreme Ideologie zu verbreiten.

„Im Gegensatz zu Beate Zschäpe, die sich in ihrer Erklärung als weitgehend unpolitisch darstellte, verbirgt Wohlleben seine nationale Gesinnung nicht“, beobachtet Per Hinrichs von der Welt. Das tat er mit drastischen Statements: So behauptete er, dass man in der Darstellung der Luftangriffe auf Dresden im Zweiten Weltkrieg die Zahl der Opfer „runterlügt“ und Deutschland zu sehr auf seine Kriegsschuld reduziere.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 15. Januar 2016.