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Gericht wirft Anwalt aus dem Saal – Das Medienlog vom Mittwoch, 27. Juli 2016

 

Eklat im NSU-Prozess: Das Gericht hat den Anwalt eines Zeugen aus der Verhandlung ausgeschlossen, weil er seinem Mandanten eine Antwort vorgesagt haben soll. Der 33-jährige Torsten W. erhielt 2002 nach eigenen Angaben einen Brief und eine Spende vom NSU-Trio. Auf die Frage, ob er die drei gekannt habe, sagte der Zeugenbeistand nach Erinnerung einiger Prozessbeteiligter: „Sagen Sie, dass Sie sich nicht erinnern.“ Allerdings wollen andere im Saal den Ablauf etwas anders mitbekommen haben. „Die Erinnerung scheint schon innerhalb kürzester Zeit zu verblassen“, schreibt Wiebke Ramm auf Spiegel Online. Sollte der Anwalt dem Zeugen tatsächlich die Aussage eingeflüstert haben, hätte er sich damit strafbar gemacht.

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Der Anwalt selbst behauptete, W. habe ihm gesagt, er könne sich nicht erinnern – daraufhin habe er ihm geraten, genau das zu antworten. Im Sitzungsprotokoll allerdings wurde der strittige Satz, anders als von der Bundesanwaltschaft gefordert, nicht festgehalten. Damit bleibt von dem Fall zunächst: „Ungenaue Erinnerungen auf allen Seiten“, schreibt Ramm. Mitte September muss W. erneut aussagen.

„Für die Prozessbeobachter wurden Erinnerungen an frühere Verhandlungstage wach, in denen das Gericht rechten Szenezeugen mit angeblichen Gedächtnislücken nicht am Zeug flicken konnte“, merkt Eckhart Querner vom Bayerischen Rundfunk an. Dieses Mal sei die Vernehmung jedoch anders verlaufen. Für den Anwalt sei sein Ratschlag an den Mandanten ein „folgenschwerer Fehler“ gewesen. Zum nächsten Termin in München muss Zeuge W. einen anderen Beistand mitbringen.

Das nächste Medienlog erscheint am Donnerstag, 28. Juli 2016.