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Neuer Streit unter Zschäpe-Verteidigern – Das Medienlog vom Dienstag, 2. August 2016

 

Wieder gibt es Streit im NSU-Prozess: Dieses Mal zwischen Beate Zschäpes Altverteidigern Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm sowie ihrem Wahlverteidiger Hermann Borchert. Grund des Konflikts am Montag: Anwalt Heer beanstandete mehrere Fragen, die Vertreter der Nebenklage an Zschäpe gerichtet hatten. Borchert fuhr dazwischen: Es sei ja gar nicht klar, ob die gemeinsame Mandantin überhaupt damit einverstanden sei. Mit Heer, Stahl und Sturm redet Zschäpe seit einem guten Jahr kein Wort mehr. „Obwohl die drei also auch mit verschränkten Armen in ihren Sesseln hocken könnten, nehmen sie ihre Aufgabe weiter ernst“, kommentiert Per Hinrichs von der Welt.

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Die drei würden sich im Prozessstoff schließlich viel besser auskennen als Borchert und Zschäpes vierter Pflichtverteidiger Mathias Grasel, die erst viel später in das Verfahren eintraten, schreibt Hinrichs. Borchert, der Zschäpes Aussage begleitet hatte, kündigte am Montag auch eine „Stellungnahme“ der Hauptangeklagten an – zu der es aber nicht kam, weil Heer die Fragen der Opfervertreter monierte und verlangte, sie für unzulässig zu erklären.

Die Fragen hatten die Anwälte Anfang Juli auf schriftlichem Wege gestellt, also so, wie Zschäpe zuvor ausgesagt hatte. Hinrichs merkt an, wie absurd dieses Prozedere sei: „Jede Spontaneität, jede Möglichkeit, auf Widersprüche hinzuweisen, geht verloren.“ Die Richter hätten sich darauf eingelassen, um überhaupt etwas von Zschäpe zu hören zu bekommen und „müssen jetzt mit den Folgen leben“.

„Die alten und neuen Verteidiger von Beate Zschäpe sind sich nicht grün“, schreibt Wiebke Ramm zu dem Streit auf Spiegel Online. Verteidiger Heer habe Zschäpe und Borchert mit seinem Antrag überrascht – und sich schließlich durchgesetzt: Nach einer Beratung mit dem neuen Anwalt hinter den Kulissen konnte er alle Beanstandungen vorbringen.

Im Anschluss meldete sich der Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Olaf Klemke, mit einer ausführlichen Erklärung zu Wort. Er warf der Bundesanwaltschaft vor, dem Gericht das Protokoll einer Zeugenvernehmung vorenthalten zu haben, die entlastend für seinen Mandanten sein könnte. Damit sorgte er „für einen Eklat im Terrorprozess“, wie wir auf ZEIT ONLINE berichten. Sollte es zu einem Fehler gekommen sein, würde dieser wohl keine Auswirkungen auf das Urteil haben. Aber: „Die Karlsruher täten gut daran, eine Erklärung zu liefern“, schließlich wären Probleme mit einer fehlenden Akte vorauszuahnen gewesen.

Nach dem morgigen Verhandlungstag beginnt die Sommerpause, die bis Ende August dauern wird. Vorher wird Zschäpe wohl nicht mehr auf die Fragen der Nebenkläger antworten. „Der Gleichmut, mit dem der Senatsvorsitzende das alles hinnimmt, spricht Bände“, merkt Oliver Bendixen vom Bayerischen Rundfunk an. Nach dem Tag sei klar, dass sich der Prozess noch länger hinziehen werde – dass der Strafsenat neue Termine bis Herbst 2017 festgelegt hatte, sei also gar nicht so abwegig gewesen. Hoffnungen, dass Zschäpe bis dahin bei der Aufklärung mithelfen werde, seien „wohl bei null angelangt“.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 3. August 2016.