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Alkoholgutachten: Zschäpe wusste, was sie tat – Das Medienlog vom Freitag, 23. September 2016

 

Hauptthema des 312. Prozesstags war ein Gutachten über Beate Zschäpes Alkoholpegel: Wie hoch war er, als sie am 4. November 2011 die Wohnung des NSU-Trios in Zwickau anzündete? Zschäpe trank regelmäßig, am besagten Tag eine Flasche Sekt. Dem Bericht des Sachverständigen Oliver Peschel zufolge hatte die Angeklagte bei der Brandstiftung wahrscheinlich rund 2,6 Promille Alkohol im Blut, wobei jedoch größere Abweichungen möglich sind. „Ihre Bemühungen, sich mit einem angeblich zunehmenden Alkoholkonsum (…) zu verteidigen, sind offensichtlich gescheitert“, analysiert Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online. Sie könne nun nicht hoffen, dass die Richter eine verminderte Schuldfähigkeit erkennen, da sie laut Gutachten trotz erheblichen Alkoholspiegels „keine relevanten Einschränkungen“ zeigte. Das hatte Zschäpe so auch selbst angegeben.

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Sich mit Trunkenheit herauszureden habe Zschäpe nie versucht, schreibt Tanjev Schultz von der Süddeutschen Zeitung: Aus ihrer Aussage könne man „keinen Versuch ablesen, sich als schuldunfähig darzustellen“. Ihre detaillierten Angaben zum Tathergang damals ließen darauf schließen, dass sie wusste, was sie tat. Für das Urteil werde das Gutachten von Bedeutung sein.

„Die Brandstiftung war keine klassische Rauschtat“, schließen auch wir auf ZEIT ONLINE aus der Expertise. Zschäpe handelte demnach bewusst – sie bestreitet jedoch, mit der Brandstiftung den möglichen Tod einer Nachbarin und zweier Handwerker in Kauf genommen zu haben. Diesen Vorwurf macht ihr die Bundesanwaltschaft, weshalb Zschäpe auch wegen versuchten Mords angeklagt ist.

Wichtig an diesem Verhandlungstag war auch eine scheinbare Fußnote: Richter Manfred Götzl teilte mit, dass das Gericht Mitte Oktober eine vorläufige Version des psychiatrischen Gutachtens über Beate Zschäpe erwartet – demnach steht das Ende der Beweisaufnahme kurz bevor. Als Sachverständiger ist der Psychiater Henning Saß berufen, dem Zschäpe Auskunft auf seine Fragen verweigert hat. „Das Gutachten ist von zentraler Bedeutung für das Verfahren“, merkt Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk an. Es geht darin um die Persönlichkeit Zschäpes, die sich in ihrer Aussage als Mitläuferin und emotional abhängig von ihren Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt dargestellt hatte.

Auf die Frage von Zschäpes Anwalt Wolfgang Stahl, ob „das Beweisprogramm“ für das Gericht abgeschlossen sei, gab Richter Götzl keine klare Antwort. Seine Mandantin soll am Donnerstag die neuen Fragen des Gerichts beantworten. Zuvor hat sie Zeit zur Vorbereitung: Die Gerichtstage am Dienstag und Mittwoch der kommenden Woche entfallen.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 26. September 2016.