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Spähte Zschäpe Berliner Synagoge aus? – Das Medienlog vom Freitag, 7. Oktober 2016

 

Ein Beweisantrag erregte am 314. Prozesstag Aufsehen: Demnach spähte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe im Mai 2000 eine Synagoge in Berlin aus. Laut der Aussage eines Polizisten, der die Einrichtung bewachte, hielten sich Zschäpe, ihr Komplize Uwe Mundlos sowie zwei weitere Erwachsene und zwei Kinder vor dem Gebäude auf. Der Mann meldete seine Beobachtungen damals dem Landeskriminalamt, wurde in den weiteren Ermittlungen jedoch nie wieder befragt. „Der Beweisantrag bringt Zschäpe in Bedrängnis“, kommentiert Per Hinrichs von der Welt. Schließlich hatte die Angeklagte in ihrer Erklärung vergangene Woche ausgesagt, sie hege keine Sympathien mehr für „nationalistisches Gedankengut“.

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Genauer heißt es in Zschäpes Erklärung, sie habe sich mit entsprechendem Gedankengut zunächst identifiziert, dann sei ihre Überzeugung jedoch abgeklungen. In welchem Zeitraum das geschah, ließ Zschäpe offen. Nebenklageanwalt Yavuz Narin, der den Antrag stellte, sieht die Ausspähung als Indiz dafür, dass Zschäpe rassistisches Denken „durch terroristische Gewalttaten umzusetzen“ versuchte. Eine antisemitische Ideologie des NSU geht auch aus dem Brettspiel Pogromly hervor, das die Gruppe in ihrer Zeit im Untergrund herstellte.

Narin beantragte, den Polizisten als Zeugen im Prozess zu befragen. Für eine Bestätigung von dessen Angaben sei es „noch zu früh“, sagte ein Sprecher der Berliner Polizei der Jüdischen Allgemeinen.

Mit der Vernehmung solle bewiesen werden, „was viele vermuten, für das es bisher aber keine Belege gibt: die aktive Beteiligung von Zschäpe an der Planung von Verbrechen des NSU“, schreibt Christoph Arnowski vom Bayerischen Rundfunk. Ihre Beteiligung an den NSU-Taten ist für den Vorwurf der Mittäterschaft entscheidend. Dieser stehe „auf einem juristisch etwas wackligen Fundament“, weswegen der Antrag auch in diesem späten Stadium noch relevant sei.

Über den Antrag berichtet auch Wiebke Ramm auf Spiegel Online.

Ein Fall von Aktenvernichtung bleibt ungesühnt: Die Karlsruher Staatsanwaltschaft leitet kein Ermittlungsverfahren ein, nachdem zwei Bundesanwälte offenbar Dokumente aus dem Fundus des V-Manns Jan W. vernichtet hatten, wie dpa berichtet. Vertreter der Nebenklage hatten wegen der Schredderaktion Strafanzeige erstattet. Die Behörde hatte im November 2014 trotz eines Vernichtungsverbots Notizbücher des Zeugen vernichten lassen, der zum Umfeld der NSU-Unterstützer gehört.

Das nächste Medienlog erscheint am Montag, 10. Oktober 2016.