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Verfassungsschützer soll vor Gericht gelogen haben – Das Medienlog vom Donnerstag, 17. November 2016

 

Ein Vermerk, gekennzeichnet mit dem Stempel „Geheim“, beschäftigt den NSU-Prozess: Drei Anwälte der Nebenklage legten den Bericht aus dem Brandenburger Verfassungsschutz am Mittwoch dem Münchner Oberlandesgericht vor und beantragten, ihn zu verlesen. Sein Inhalt ist brisant: Demnach hat ein Quellenführer des Geheimdienstes, der früher den V-Mann Carsten Sz. alias Piatto betreute, vor Gericht gelogen. Der Beamte Reinhard G. gab in seiner Zeugenaussage an, der Informant und damit die Behörde hätten von einem Hinweis auf eine geplante Waffenlieferung an den NSU nichts erfahren können. Das vertrauliche Dokument belegt, dass die Version von G. nicht stimmen kann. „Das NSU-Rätsel scheint auch in diesem Teilaspekt unaufklärbar – vor allem wegen des Agierens der Innenministerien und Verfassungsschutzämter“, kommentiert Per Hinrichs von der Welt.

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Im Detail geht die Geschichte so: V-Mann Piatto erhielt am 25. August 1998 eine SMS mit der Frage „Hallo, was ist mit dem Bums?“ von einem bekannten Rechtsextremisten – ein Hinweis darauf, dass eine Waffe zum NSU-Trio unterwegs war. Laut Verfassungsschützer G. bekam der Spitzel die Nachricht jedoch nie zu lesen, weil zuvor – am selben Tag – sein konspiratives Handy ausgetauscht worden war.

Der Vermerk des Behörde belegt: Am Tag des Austausches kaufte der Beamte G. das neue Handy. Das Treffen mit dem V-Mann, bei dem die Waffe übergeben wurde, dauerte jedoch so lange, dass die SMS wohl noch eingehen und damit auch gelesen werden konnte. Das Telefon erwarb der Beamte laut dem Antrag auf einen Tarnnamen. Zweck soll laut den Nebenklägern eine „bewusste Irreführung der Ermittler durch den Verfassungsschutz“ gewesen sein, wie Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung schreibt. Denn das Thüringer LKA überwachte den V-Mann zu dem Zeitpunkt.

Nach einer Entscheidung des Gerichts stellten die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben erneut einen Befangenheitsantrag gegen die Richter. Mehrere Verfahrensbeteiligte werteten das Gesuch als Versuch der Prozessverschleppung. In der Vergangenheit waren die Anwälte mit dieser Strategie immer wieder gescheitert. Auch diesmal gilt: „Der Antrag hat keine Aussicht auf Erfolg“, schreibt Tim Aßmann vom Bayerischen Rundfunk.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 18. November 2016.