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Neues Zschäpe-Gutachten: Zumutung für NSU-Opfer? – Das Medienlog vom Montag, 3. April 2017

 

Beate Zschäpe ließ sich von dem Psychiater Joachim Bauer eine Persönlichkeitsstörung attestieren, ihre Neuanwälte halten sie deshalb für vermindert schuldfähig. Prozessbeobachter halten diesen Schritt weder für glaubwürdig noch für erfolgversprechend. Gleichzeitig gilt aber auch: „Natürlich hat die Angeklagte das Recht, alle strafprozessualen Möglichkeiten zu nutzen“, wirft Frank Jansen vom Tagesspiegel ein. Dennoch passe ihr Verhalten im Verfahren nicht zur Diagnose dependente (abhängige) Persönlichkeitsstörung, da Zschäpe sich gegenüber ihren Altanwälten „herrisch“ verhalte.

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Auch Gisela Friedrichsen bewertet bewertet die Initiative der Verteidigung in der Welt am Sonntag (kostenpflichtig) als unhaltbar. Kurz vor Prozessende gehe es den Anwälten offenbar darum, „ihre Selbstdarstellung zu zelebrieren“. Die Autorin weist zudem darauf hin, dass selbst bei Vorliegen einer Persönlichkeitsstörung die Schuldfähigkeit nur dann eingeschränkt sei, wenn der Täter sein Unrecht nicht oder vermindert erkennen konnte. Weil der Antrag der Anwälte wohl obsolet sei, handle es sich um „eine Zumutung, vor allem für die Opfer“.

Anders als beantragt sagt Bauer nur als Zeuge aus, nicht als Gutachter wie der vom Gericht bestellte Sachverständige Henning Saß, der zu einer ganz anderen Einschätzung gekommen war. „Es ist ein Alarmsignal für Zschäpe und ihre Verteidiger Hermann Borchert und Mathias Grasel“, meint Wiebke Ramm von der Süddeutschen Zeitung. Daran lasse sich ablesen, dass die Richter Bauers Aussage nur als Ergänzung von Saß‘ Gutachten sehen und den Psychiater als „Bote ihrer Worte“. Von ihm hatte sich Zschäpe nämlich befragen lassen, nicht jedoch von Saß. Dennoch wäre es „eine Überraschung, käme er nach der Aussage von Bauer zu einer anderen Einschätzung“.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 4. April 2017.