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Schwere Kritik am Zschäpe-Gutachten – das Medienlog vom Freitag, 28. April 2017

 

Hat der Psychiater Henning Saß korrekt gearbeitet, als er Beate Zschäpe in seinem Gutachten als schuldfähig eingestuft hat? Um diese Frage ging es am Donnerstag im NSU-Prozess. Angehört wurde der Bochumer Professor Pedro Faustmann, der ebenfalls als Psychiater tätig ist. Er hatte im Auftrag von Zschäpes Anwälten das Gutachten von Saß methodenkritisch untersucht. „Faustmann ließ in seinem Gutachten kein gutes Haar am Gutachten seines Kollegen“, bilanziert Mira Barthelmann vom Bayerischen Rundfunk. Zudem habe er generell bezweifelt, dass Saß für den Fall zuständig war. Damit kritisierte er auch indirekt das Gericht. Deshalb hätten Zschäpes Verteidiger ihrer Mandantin wohl keinen Gefallen getan.

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Faustmann hatte kritisiert, dass Saß‘ Expertise nicht den wissenschaftlichen Standards entspricht, dass er zudem falsche Diagnoseinstrumente angewandt und an unangemessenen Stellen wertende Formulierungen genutzt hatte. Die Methodenkritik sei somit „wenig schmeichelhaft für Saß ausgefallen“, heißt es bei Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung. Zschäpe selbst habe die Ausführungen des Psychiaters mit großem Interesse verfolgt. Einen Nutzen wird sie aber wahrscheinlich nicht davon haben, denn „dass das Gericht Faustmanns Argumenten folgen wird, ist unwahrscheinlich“, schreibt Ramm.

Schon zuvor hatten die Richter nämlich wenig Interesse an einer Überprüfung von Saß‘ Ausführungen gezeigt. Die Bundesanwaltschaft hatte Faustmanns Anhörung am Vortag vehement abgelehnt. „Die Richter verfolgen derzeit vor allem ein Ziel: den Prozess zum Ende zu bringen“, merken wir auf ZEIT ONLINE an. Der Schluss der Beweisaufnahme wird durch Faustmanns Vernehmung allerdings noch ein wenig hinausgeschoben: Er muss am 17. Mai erneut vor Gericht erscheinen, um Nachfragen zu beantworten.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 2. Mai 2017.