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Quälende Fragen an Beate Zschäpe – Das Medienlog vom Donnerstag, 23. November 2017

 

Einen Tag nach ihrer Mutter hat am Mittwoch auch Gamze Kubaşık ein Plädoyer im NSU-Prozess gehalten. Die Tochter des 2006 in Dortmund erschossenen Kioskbesitzers Mehmet Kubaşık wandte sich direkt an Beate Zschäpe. „Wenn es Ihnen irgendwann leidtut, dann antworten Sie. Ich habe immer noch so viele Fragen, auf die ich keine Antwort habe.“ Wenn Zschäpe alle Unterstützer des NSU nennen würde, würde sie sich persönlich bei Gericht für sie einsetzen, versprach Kubaşık der Hauptangeklagten. Im Falle einer lebenslangen Verurteilung kann Zschäpe erstmals nach 13 Jahren versuchen, eine Bewährung zu bekommen.

Die Schlussvorträge der Nebenkläger „sind teilweise gnadenlos“, kommentieren Julia Jüttner und Thomas Hauzenberger bei Spiegel Online. Sie gehen hart sowohl mit den Angeklagten als auch mit der Bundesanwaltschaft, die die Anklage führt, ins Gericht.

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„Auch sechs Jahre nach der Selbstenttarnung der Terrorgruppe und nach viereinhalb Jahren NSU-Prozess hat Gamze Kubaşık quälende Fragen an die 42-Jährige“, fasst Marcel Fürstenau von der Deutschen Welle das Geschehen im Saal zusammen. Etwa: Wie wurde ihr Vater als Opfer ausgewählt? Gab es Helfer vor Ort? Der Prozess konnte das, auch weil Zschäpe nicht aussagen wollte, nicht aufklären. „Tief enttäuscht ist die Nebenkläger-Familie Kubasik auch von der Bundesanwaltschaft.“ Dieser warf Kubaşıks Anwalt Sebastian Scharmer vor, sie habe „eine Käseglocke“ über die fünf Angeklagten gestülpt und wolle darüber hinaus nichts aufklären.

Zum Ende ihres Plädoyers gab Kubaşık Zschäpe ihr Versprechen. „Was für eine Geste! Die aber zugleich von der Verzweiflung der Hinterbliebenen zeugt über das Verhalten der staatlichen Behörden“, merkt Thies Marsen vom Bayerischen Rundfunk an. Diese hätten nicht geholfen, die Strukturen der rechten Szene im nötigen Maße auszuleuchten. „Umso beeindruckender, dass Gamze Kubaşık überhaupt nach München gekommen ist und das Wort ergriffen hat in einem Prozess, der sie enttäuscht hat.“

Als wahrscheinlich gilt, dass der NSU Unterstützung aus rechten Kreisen bezog. Anwalt Scharmer machte deutlich, „welch dicht verstrickter Wust die Freunde und Freundesfreunde des Trios aus Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt waren“, wie es bei uns auf ZEIT ONLINE heißt. Diesen aber wollte die Bundesanwaltschaft dem Opfervertreter zufolge aus verschiedenen Gründen nicht entwirren. Dazu habe gezählt, dass die Fehler der Ermittlungsbehörden verschwiegen werden, die Ermittler rehabilitiert werden sollten.

Über den Prozesstag berichten auch die Süddeutsche Zeitung und die taz.

Im Deutsch-Türkischen Journal kommentiert Stefan Kreitewolf den Umgang der Verteidigung mit den Plädoyers der Nebenklage. Zschäpes Anwälte hatten beim Vortrag des Opfervertreters Mehmet Daimagüler immer wieder unterbrochen, weil dieser ihrer Meinung nach unzulässige Aussagen machte. „Gerade in einem Verfahren, in dem die Familien und Opfer jahrelang verleumdet und missachtet wurden, ist das mehr als schlechter Stil, nämlich unwürdig“, meint der Autor. Die Verteidiger sollten daher schweigen.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 24. November 2017.