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Warum musste die Heilbronner Polizistin sterben? – Das Medienlog vom Donnerstag, 14. Dezember 2017

 

Die Nebenklageplädoyers wurden fortgesetzt. Am Mittwoch sprach unter anderem Walter Martinek zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter und dem versuchten Mord an ihrem Kollegen Martin A. 2007 in Heilbronn. Der Anwalt des damals schwerst verletzten Polizisten A. zweifelt nicht daran, dass die NSU-Mitglieder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt den Mordanschlag ausführten – wohl aber an deren Motiv: „Woher sollten die Täter gewusst haben, dass am fraglichen Tag Polizisten auf der Heilbronner Theresienwiese um die Mittagszeit Pause machen würden?“, fasst Alf Meier vom Bayerischen Rundfunk die Logik des Anwalts zusammen. Demnach könnten die Beamten Zufallsopfer gewesen sein, weil sie bei einem anderen, unbekannten Vorhaben störten. Die Bundesanwaltschaft hatte hingegen ein Fanal gegen den Staat als Hintergrund ausgemacht.

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Durch die Unklarheit des Motivs bleibt der Mordanschlag gegen die beiden Polizisten extrem rätselhaft. „Was bleibt, ist die Frage nach dem Warum“, heißt es bei Wiebke Ramm in der Süddeutschen Zeitung. Diese Frage stelle sich vor allem auch Kiesewetters Mutter, die als Nebenklägerin am NSU-Prozess teilnimmt.

Schließlich schlug der Anwalt den Bogen zur Hauptangeklagten Beate Zschäpe. „Für Martinek muss Zschäpe als Mittäterin verurteilt werden“, bilanziert Helmut Buchholz von der Heilbronner Stimme. Zudem kritisierte er, wie viele andere vor ihm, die Arbeit der Ermittler.

Direkt an Zschäpe wandte sich der Anwalt Stefan Gärtner. Er erinnerte daran, dass Kiesewetter wie die Angeklagte in Thüringen aufgewachsen war. Die Polizistin, und nicht die Rechtsextremistin, sei „die Botschafterin Thüringens“, sind die Aussagen des Juristen in der Thüringer Allgemeinen nachzulesen.

War Zschäpe auch treibende Kraft des NSU-Trios? Dieser Meinung ist die Anwältin Angela Wierig, die Zschäpe am Vortag als „Mastermind“ der Gruppe bezeichnet hatte. Dieselbe Bezeichnung hatte auch Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten gewählt – allerdings für den Mitangeklagten Ralf Wohlleben. Dem wiederum schloss sich Opfervertreter Alexander Hoffmann am Mittwoch an. „Die Plädoyers im NSU-Prozess zeigen, wie uneinig sich die Nebenkläger in dieser Frage sind“, schreiben Julia Jüttner und Thomas Hauzenberger auf Spiegel Online.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 15. Dezember 2017.