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„Der Prozess hat zu lange gedauert“

Die Terroristen des NSU töteten acht Türken. Nun fällt im Münchner Prozess das Urteil. Trotz Enttäuschungen vertraut die türkische Gemeinschaft auf den Rechtsstaat.

Ein Gastbeitrag von Mesut Koç, Generalkonsul der Türkei in München

Gedenken: Die Witwe Elif Kubaşık und andere Angehörige trauern um den vom NSU ermordeten Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubaşık. © Bernd Thissen/dpa

Wenn im NSU-Prozess das Urteil fällt, werden die in Deutschland lebenden Türken sehr genau hinsehen. Acht ihrer Landsleute starben durch die rechtsextreme Terrorserie an Einwanderern. Umso wichtiger sei nun die Aufklärung vor Gericht, schreibt der Generalkonsul der Türkei in München, Mesut Koç. Er ist 1970 in Deutschland geboren, hat den Prozess zu wichtigen Anlässen persönlich im Gerichtssaal verfolgt.

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Eine aufgedrehte Zeugin – das Medienlog vom Donnerstag, 1. August 2013

Der Mord an Habil Kiliç, dem Münchner Gemüsehändler, ist das bestimmende Thema der Berichte über den 30. Verhandlungstag. Im Mittelpunkt stehen vor allem die widersprüchlichen Aussagen der Zeugin Anna S. und das eingestellte Verfahren der Erfurter Staatsanwaltschaft gegen Beate Zschäpe.

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31. Prozesstag – Enver Şimşek/Abdurrahim Özüdoğru und Mehmet Turgut

30. Juli - 6. August

Am 31. Prozesstag wurde unter anderem der leitende Kriminalbeamte Albert Vögeler befragt. Er schilderte, warum nach den Morden an Enver Şimşek und Abdurrahim Özüdoğru aus Nürnberg lange Zeit fremdenfeindliche Motive ausgeschlossen wurden. Vögeler sagte, dass die Möglichkeit eines solchen Hintergrunds zwar angesprochen wurde. Es seien jedoch bis 2006 „keine strukturierten Ermittlungen in diese Richtung vorgenommen worden“.

Der Blumenhändler Şimşek wurde 2000 in seinem Transporter erschossen. Bereits am 20., 21., und 26. Prozesstag wurde sein Mord im NSU-Prozess behadelt. Özüdoğru wurde ein Jahr später, 2001, in seiner Änderungsschneiderei getötet. Sein Fall war bereits am 14. und 28. Prozesstag Thema.

Am Nachmittag war der Zeuge Alexander H. geladen, der zum Mord an Mehmet Turgut in Rostock befragt wurde. Er hörte am 25. Februar 2004 die Schüsse, die Turgut töteten. H. sah aber niemanden. Der Ermordete arbeitete als Aushilfe in einer Imbissbude. (mit dpa)

Die Berichte über den 31. Prozesstag fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Taktlose und sich widersprechende Zeugen – das Medienlog vom 25. Juni 2013

Das Gericht hat nun damit begonnen, die einzelnen Morde der Terrorzelle aufzuarbeiten. Den Anfang macht der Fall des 2001 ermordeten Änderungsschneiders Abdurrahim Özüdoğru aus Nürnberg. Im Mittelpunkt der Berichterstattung zum NSU-Prozess standen vor allem das Verhalten der geladenen Polizisten, Özüdoğrus ehemalige Nachbarin Sabine M. und der Empfänger des Briefes von Beate Zschäpe, Neonazi Robin S. – die Nebenklage will ihn als Zeugen laden.

An jedem Werktag fassen wir im NSU-Prozess-Blog die wichtigsten Medienberichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de

Am 14. Prozesstag wurden erstmals Zeugen befragt. Die geladenen Polizisten fallen durch unsensible Aussagen auf deklarierte der Tagesspiegel in seinem Titel. Frank Jansen schrieb, dass die damals ermittelnden Kommissare mit ihren beiläufigen Kommentaren erahnen ließen, „warum die Nürnberger Polizei zunächst wenig davon hielt, einen rassistischen Mord in Betracht zu ziehen.“ So beschrieben sie Özüdoğrus Wohnung, von der auch Fotos gezeigt wurden, als unordentlich und den Ermordeten laut damaligen Ermittlungen als „aufbrausend“. Tom Sundermann von ZEIT ONLINE fügte in seinem Bericht hinzu: „Warum überhaupt Fotos von Özüdoğrus Wohnung gezeigt werden müssen, wo der Mord doch im Geschäft stattfand, bleibt zudem rätselhaft.“ Auch Spiegel Online und die Süddeutsche Zeitung schrieben von „unterschwelligen Ressentiments“ beziehungsweise „wenig Taktgefühl“ (Süddeutsche Zeitung) der Kripo-Beamten.

Nachmittags wurden die Bekennervideos der Terroristen vorgeführt, darunter auch das bekannte „Paulchen Panther“-Video und zwei Vorgängerversionen. Gisela Friedrichsen von Spiegel Online ging dabei als einzige Berichterstatterin detailliert auf das Verhalten der Angeklagten ein. Sie schrieb, dass Zschäpe die Aufnahmen des Ermordeten auf der Leinwand ignorierte; André E. an seinem Computer herumtippte und Ralf Wohlleben sowie Holger G. imaginäre Punkte anstarrten. Carsten S. schien „als einziger von den Grausamkeiten, die aus jedem Tatort-Foto spricht“, berührt zu sein.

Nachtrag: Auch die Europa-Ausgabe der türkischen Tageszeitung Sabah widmet dem 14. Verhandlungstag eine Meldung und beschreibt kurz das Verhalten der Angeklagten. Während Carsten S., Holger G. und André E. sich die Fotos des Ermordeten ansahen, habe Beate Zschäpe sofort den Kopf weggedreht, beobachtet der Autor.

Marlene Halser legte im taz-Artikel Verwirrende Aussage den Fokus auf die Zeugin Sabine M.. Ihre Wohnung lag damals direkt gegenüber Özüdoğrus Werkstatt. M. sagte aus, zwei Schüsse an besagtem 13. Juni 2001 aus der Änderungsschneiderei gehört zu haben. Danach verstrickte sie sich in Widersprüche. Die ehemalige Nachbarin hatte angegeben, die Leiche des Schneiders in der Werkstatt gesehen zu haben, obwohl sie das zuvor bei keiner Befragung erwähnt hatte. M. brach während der Befragung in Tränen aus und erklärte, sie hätte Angst davor, dass sie „jemand wegmacht.“ Laut Halser muss das Gericht nun beraten, ob die Frau ein weiteres Mal in den Zeugenstand berufen wird – „und ob ihr dann ein Rechtsanwalt als Beistand zur Seite stehen soll.“

Auch der Welt-Live-Ticker und die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Besuch der blonden Dame) konzentrierten sich auf M., die aussagte, zwei verdächtige Männer und eine blonde Frau in der Werkstatt gesehen zu haben. Ob es sich bei der blonden Frau um Zschäpe handelt, konnte nicht geklärt werden.

Lena Kampf von stern.de berichtete in Party machen mit NSU-Terroristen über den Neonazi Robin S. und seine Verbindung zur Terrorzelle. Er soll Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe schon seit 2006 gekannt haben. S., Empfänger eines 26-seitigen Briefes von Zschäpe, soll nun als Zeuge gehört werden. So fordert es der Rechtsanwalt Thomas Bliwier in seinem am Montag gestellten Antrag. Er vertritt die Familie des in Kassel ermordeten Halil Yozgat. Tanjev Schultz schrieb in der Süddeutschen Zeitung, dass laut Zschäpes Verteidigung von S. „nichts tat- und schuldrelevantes“ zu erwarten sei.

Im NSU-Bundestagsausschuss in Berlin sagte erstmals ein ehemaliger baden-württembergischer V-Mann-Führer einer Frau namens „Krokus“ aus. Sein Deckname war Rainer Oettinger. Um ihn zu schützen, wurde der pensionierte Verfassungsschützer für die Befragung von einem Maskenbildner geschminkt. Spiegel Online (NSU-Untersuchungsausschuss: Wir haben die Arbeit der Polizei gemacht) und die Stuttgarter Zeitung (Ein Mann mit Maskerade) berichteten, dass die Frau laut Oettinger keinen direkten Zugang zur rechten Szene Nordwürttembergs gehabt hätte. Die Aussagen Oettingers gaben aber Einblick in die Arbeitspraxis des Verfassungsschutzes: Laut Katja Bauer von der Stuttgarter Zeitung wurde „Krokus“ von ihm „umgesteuert“ und sollte fortan die Linkspartei beobachten.

Keine Berichte in englischsprachigen Medien.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, den 26. Juni.

 

Was zieht die Zuschauer in den Gerichtssaal, was erwarten sie vom Verfahren?

Die Plätze auf der Zuschauertribüne im NSU-Verfahren sind knapp. Die Schlange vor dem Gerichtsgebäude ist zwar nicht mehr so lang wie am Anfang, doch noch immer kommen viele Besucher zu den Prozessterminen. Was zieht die Zuschauer in den Gerichtssaal, was erwarten sie vom Verfahren? Unser Autor Tom Sundermann hat nachgefragt.

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