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122. Prozesstag – Enrico T. erneut im Zeugenstand

Am Mittwoch muss erneut der als NSU-Unterstützer verdächtige Enrico T. aussagen. In seiner ersten Befragung Ende April hatte T. auf viele Fragen geantwortet, er könne sich nicht erinnern. Der Zeuge soll am Schmuggel der Mordpistole Ceska 83 beteiligt sein, mit der neun Menschen erschossen wurden. Den Ermittlungen der Bundesanwaltschaft zufolge stellte er den Kontakt zwischen einem Schweizer und einem Thüringer Mittelsmann her, die sich auf einen Waffenkauf einigten.

T. war vor Kurzem in die Schlagzeilen geraten, weil er in Verdacht steht, im Jahr 1993 einen neunjährigen Jungen ermordet zu haben. Die Staatsanwaltschaft Gera betonte allerdings, es laufe kein Ermittlungsverfahren gegen T.
Weiterhin ist ein Kommissar geladen, der Angaben zur Vernehmung eines Zeugen macht.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Ankläger legen neuen Verdacht ad acta – Das Medienlog vom Dienstag, 1. Juli 2014

Zum ersten Bombenanschlag in Köln von 2001 hatten zwei Nebenklageanwältinnen die erneute Prüfung einer heißen Spur gefordert. Demnach könnte statt den NSU-Mitgliedern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ein Kölner Neonazi die Tat begangen haben. Die Bundesanwaltschaft, verantwortlich für die Anklage, schließt diese Version jedoch aus: Sie beschäftigte sich erneut mit dem Mann und schloss ihn als Mittäter aus, wie der Kölner Stadtanzeiger berichtet.

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121. Prozesstag – Thüringer Neonazi-Kopf Thomas G.

Der Dienstag ist ausschließlich einem Zeugen gewidmet: dem Thüringer Rechtsextremisten Thomas G. Der 35-Jährige gilt als Neonazi-Anführer und ist in der rechten Szene bestens vernetzt. So führte ihn das Landesamt für Verfassungsschutz als Mitglied der radikalen Organisation Hammerskins, zudem engagierte sich G. seit einer Haftstrafe in der mittlerweile verbotenen Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene.

Von seiner Aussage erhofft sich das Gericht Informationen über die Nazi-Netzwerke, in denen sich der NSU radikalisierte – dazu gehört auch der Thüringer Heimatschutz, den G.s Bekannter Tino Brandt gegründet hatte.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Trotz Haft: Zeuge Tino Brandt sagt aus – Das Medienlog vom Montag, 30. Juni 2014

Der vergangene Woche verhaftete Thüringer Neonazi Tino Brandt wird wahrscheinlich zum geplanten Termin Mitte Juli in München aussagen. Das Gericht habe „keine Veranlassung die geplante Terminierung zu ändern“, zitiert die taz eine Sprecherin. Kommt Brandt vor seinen drei Vernehmungen vom 15. bis 17. Juli nicht frei, wird er somit aus der Haft vorgeführt werden.

Der Zeuge war am Mittwoch festgenommen worden, weil er des Kindesmissbrauchs verdächtigt wird. Er hatte in den neunziger Jahren die rechtsextreme Organisation Thüringer Heimatschutz gegründet und nebenbei als V-Mann für den Verfassungsschutz gearbeitet.

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Neonazi Tino Brandt: In Handschellen zur Zeugenaussage? – Das Medienlog vom Freitag, 27. Juni 2014

Die Verhaftung des Thüringer Neonazis und NSU-Zeugen Tino Brandt bestimmt die Schlagzeilen. Wie die Thüringer Allgemeine berichtete, wurde der 39-Jährige nach der Aussage eines mutmaßlichen Opfers am Mittwoch wegen des Verdachts des Kindesmissbrauchs verhaftet. Dadurch könnte seine für Mitte Juli geplante Aussage gefährdet sein. Möglich ist demnach, dass der Zeuge aus der Untersuchungshaft vorgeführt wird. Unter Umständen wird Brandt den Münchner Gerichtssaal dann in Handschellen betreten.

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Wer brachte die Bombe in den Lebensmittelladen?

Die Schmerzen, die die junge Deutsch-Iranerin Mashia M. nach einem Bombenangriff von rechtsextremen Terroristen durchlitt, kann niemand nachfühlen. Im Saal A101 des Münchner Oberlandesgerichts lassen sie sich zumindest erahnen. Auf den Leinwänden erscheinen Fotos der damals 19-Jährigen, die im Januar 2001 eine Stollendose im Geschäft ihres Vaters geöffnet hatte – darin befand sich eine Kartusche mit Schwarzpulver, die explodierte. Das Opfer wurde in eine Klinik für Schwerstverbrannte gebracht.

Die Bilder, die der Gutachter Oliver Peschel zeigt, sind ein Zeugnis des Hasses. Das Gesicht der Verletzten ist kaum zu erkennen – die Augen sind zugeschwollen, die Haut mit Blut verschmiert und von Rußpartikeln bedeckt. Im Mund steckt ein Schlauch, durch den sie künstlich beatmet wird. Hätte sich M. nicht kurz vor der Explosion zufällig unter einen Tisch gebückt, hätte sie „nicht mit dem Leben vereinbare“ Verletzungen erlitten, sagt Peschel. Beinahe hätte M. zu den Mordopfern des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gehört.

Keine Ähnlichkeit mit Mundlos oder Böhnhardt

Der Anschlag ereignete sich in einem Lebensmittelladen in der Kölner Probsteigasse, den die Familie betrieb. Gut einen Monat zuvor hatte dort ein Mann einen Weidenkorb mit der Dose hinterlassen und nie wieder abgeholt. Irgendwann siegte die Neugier über den Inhalt bei Mashia M. Sie selbst hatte bereits Anfang Juni ausgesagt, zudem ihre Eltern und ihre Schwester.

Wie bei jenen Sitzungsterminen lautet auch am 120. Verhandlungstag die Frage: Wer war der Mann mit dem Korb? Für die Bundesanwaltschaft steht die Antwort fest: Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt, die auch einen weiteren Anschlag in Köln begangen und zehn Menschen erschossen haben sollen. Schließlich übernahm der NSU in seinem Bekennervideo die Verantwortung für die Tat.

Viele Prozessbeteiligte haben an dieser Theorie aber mindestens Zweifel. Der Täter hatte damals das Geschäft betreten und mit dem Ladenbesitzer Djavad M. gesprochen, auch Mashias Schwester Mashid sah den Mann kurz. Später fertigten die Ermittler auf Grundlage der Angaben Phantombilder, die in weiten Teilen übereinstimmten: ein junger Mann mit ausgeprägten Wangenknochen und schulterlangen, blonden Haaren. Mundlos und Böhnhardt sah der Mensch auf dem Bild nicht einmal ansatzweise ähnlich.

Verdachtsmoment im Keim erstickt

Die These um einen Unterstützer vor Ort ließ die Bundesanwaltschaft in ihrer Anklage außen vor. Dabei gab es offenbar eine Spur, der die Ermittler nicht ernsthaft nachgingen – warum, wollen die Nebenklageanwältinnen Edith Lunnebach und Christina Clemm erfahren. Sie beantragen, die frühere Leiterin des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes, Mathilde Koller, als Zeugin zu laden. Denn die Mitarbeiter des Geheimdienstes konnten sich auf die Phantombilder durchaus einen Reim machen: Sie erkannten eine Ähnlichkeit mit dem Neonazi Johann H. aus Köln.

Der heute 47-Jährige war 2012 Mitglied der rechtsextremen Kameradschaft Walter Spangenberg, die im Mai desselben Jahres verboten wurde. Die Verfassungsschützer hatten für diese Erkenntnis ihre Fotokartei durchgesehen und eine „Überprüfung relevanter Personen der örtlichen neonazistischen Szene“ vorgenommen, wie es in einem Schreiben des Innenministeriums an den Generalbundesanwalt vom Februar 2012 heißt. Das unweigerliche Verdachtsmoment erstickte die Behörde jedoch im Keim: „Anhaltspunkte für eine Tatbeteiligung bestehen nicht“, schließt die Mitteilung.

Zu demselben Schluss kam kurz darauf dann auch eine Ermittlerin des Bundeskriminalamts, die nach dem Willen der Anwältinnen ebenfalls in München aussagen soll. Die Einschätzung überrascht, lieferten doch die Akten interessante Anhaltspunkte: H. war 1985 wegen eines Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz verurteilt worden. Zudem besaß er Waffen und war Mitglied einer Reservistengemeinschaft für Scharfschützen bei der Bundeswehr.

Bis heute vom Verfassungsschutz beobachtet

Das wäre ein Grund gewesen, dem Neonazi zumindest einen Besuch abzustatten. Doch dazu kam es nicht. Die Kölner Polizisten legten Djavad und Mashid M. ein Passfoto von H. vor, mit dem dieser einen Personalausweis beantragt hatte. Zuvor veränderten sie die Frisur auf dem Bild so, dass sie mit den Phantombildern übereinstimmte. Beide erkannten jedoch keine Ähnlichkeit mit dem Täter. Auch eine Ganzkörperaufnahme von H., betitelt mit der Aufschrift „Frühjahr 2002“, konnten sie nicht zuordnen. Damit war die Spur für die Ermittler erledigt.

Lunnebach und Clemm werfen den Kölnern nun unsaubere Arbeit vor: Das Passbild sei unscharf gewesen, dadurch ließen sich keinerlei Ähnlichkeiten mit „irgendeiner anderen Person“ feststellen. Tatsächlich räumt die BKA-Beamtin in einem weiteren Vermerk ein, Mashid M. hätte wegen der schlechten Bildqualität Johann H. nicht wiedererkennen können. Insbesondere aber machten die Polizisten Ermittlungen gegen H. einzig von der Einschätzung der Zeugen abhängig – deren Erinnerungen durch den Schock der Tat getrübt oder beeinflusst sein konnten.

Der Verdacht gegen H. gibt Anlass zu einem schaurigen Szenario: dass ein NSU-Mittäter unbehelligt von Ermittlern seiner Wege gehen kann. Bis heute beobachtet der Verfassungsschutz Johann H., weil er sich in der rechten Szene der Kölner Umgebung bewegt.

 

Zweiter Schweizer streitet Waffengeschäft ab – Das Medienlog vom Donnerstag, 26. Juni 2014

Am zweiten Vernehmungstag bei der Staatsanwaltschaft Bern hat ein weiterer Schweizer Zeuge bestritten, am Schmuggel der NSU-Pistole Ceska 83 beteiligt gewesen zu sein. Peter-Anton G. sagte, er habe nie ein Paket mit der Waffe erhalten, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet. Die Ladung der beiden Schweizer Staatsbürger habe damit „keinen weiteren Aufschluss“ darüber geliefert, wie die Pistole von dort nach Deutschland gelangt war.

Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft hatte G. die Ceska bei einem Waffenhändler bestellt und dann weitergegeben an seinen Freund Hans-Ulrich M., der am Vortag in der Schweiz verhört wurde. Frank Jansen berichtet im Tagesspiegel, G. habe ausgesagt, für M. lediglich einen Waffenerwerbsschein besorgt zu haben. Bei seiner polizeilichen Vernehmung Anfang 2012 habe er noch gesagt, im Auftrag des Freunds die Waffe bestellt zu haben. Dieser lieferte sie nach Ansicht der Ermittler an einen Bekannten in Deutschland.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Freitag, 27. Juni 2014.

 

120. Prozesstag – Sachverständige zur Probsteigasse und alte Bekannte

Nach mehr als zwei Wochen Pause untersucht das Gericht im NSU-Prozess weiter den Fall des Anschlags in der Kölner Probsteigasse von 2001. Gehört werden die Sachverständigen Oliver Peschel, der ein Gutachten zum Gesundheitszustand des Opfers Mashia M. vorträgt, und Rüdiger Mölle vom bayerischen Landeskriminalamt, der den Fall aus kriminalistischer Sicht analysiert. Eine Polizistin sagt zudem als Zeugin aus.

Im Anschluss geht es noch einmal um die Anfänge des NSU: Der Zeuge Andreas K. soll Angaben dazu machen, wie das Trio sich Waffen beschaffte. Die Gruppe häufte über die Zeit ein Arsenal von 20 Pistolen und Gewehren an. Ebenfalls geladen ist Thomas B., ein Jugendfreund von Uwe Böhnhardt. B. beging damals gemeinsam mit Böhnhardt Straftaten. In Vernehmungen beschrieb er ihn als aggressiv.

ZEIT ONLINE berichtet aus München und fasst den Prozesstag am Abend auf diesem Blog zusammen. Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Weitere Berichte stellen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Zeuge will mit Waffenschmuggel nichts zu tun haben – Das Medienlog vom Mittwoch, 25. Juni 2014

Die Staatsanwaltschaft des Schweizer Kantons Bern hat am Dienstag den Zeugen Hans-Ulrich M. vernommen. Dieser bestritt, die NSU-Mordpistole Ceska 83 nach Deutschland geschmuggelt zu haben, wie übereinstimmend ZEIT ONLINE und die Nachrichtenagentur dpa berichten.

M. soll sich demnach bei seiner Aussage widersprochen haben: So habe er angegeben, nie eine Pistole des Typs Ceska besessen zu haben. An anderer Stelle habe es geheißen, er habe Waffen dieses Typs besessen, doch mit einem anderen Kaliber. Die Bundesanwaltschaft wirft M. vor, die Ceska nach Deutschland gebracht zu haben. Dort erschossen mutmaßlich Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten mit der Pistole.

Am Donnerstag findet in der Schweiz eine weitere Vernehmung mit dem mutmaßlichen Vorbesitzer der Ceska statt.

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Schweizer Zeuge bestreitet Waffentransport

Einer der Schweizer Zeugen im NSU-Prozess, Hans-Ulrich M., will mit dem Transport der NSU-Waffe Ceska 83 nichts zu tun gehabt haben. Bei einer Vernehmung im schweizerischen Thun betonte er, er habe die Pistole weder bestellt noch zu Gesicht bekommen, wie ZEIT ONLINE erfuhr. Mit der Ceska sollen später die meisten Morde des NSU verübt worden sein. Eine Infografik von ZEIT ONLINE zeichnet den Weg der Mordwaffe nach, die laut den bisherigen Ermittlungsergebnissen erstmals in der Schweiz auftauchte.

M. sagte aus, er habe in Kontakt mit dem Waffenhändler gestanden, der das Modell an den mutmaßlichen Mittelsmann Peter-Anton G. verkaufte. Mit G. sei er bis heute befreundet. Anders, als G. bei der Polizei ausgesagt hatte, will Hans-Ulrich M. den Freund jedoch nicht mit dem Kauf beauftragt haben.

An der nichtöffentlichen Vernehmung der Berner Staatsanwaltschaft nahmen Verteidiger der Angeklagten Beate Zschäpe, Carsten S. und Ralf Wohlleben teil, zudem ein Vertreter der Bundesanwaltschaft und mehrere Nebenklageanwälte. Für Mittwoch ist die Aussage von Peter-Anton G. geplant.

Die Staatsanwaltschaft vernimmt M. und G. im Rahmen der Amtshilfe, weil sie einer Ladung zum Prozess in München nicht nachgekommen waren. Als Schweizer Bürger sind sie dazu nicht verpflichtet. Die Bundesanwaltschaft wirft M. vor, die Ceska nach Deutschland gebracht zu haben. Dort gelangte sie über weitere Mittelsmänner offenbar an den Angeklagten Carsten S., der sie dann Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt brachte. Mit der Pistole sollen Mundlos und Böhnhardt neun Migranten erschossen haben.