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„Skinhead-Girl“ spielt die Unwissende – Das Medienlog vom Freitag, 11. April 2014

Wenn frühere Nazis im NSU-Prozess vor Gericht stehen, haben sie angeblich vieles vergessen oder spielen ihre Taten von damals herunter – die Zeugin Mandy S. ist keine Ausnahme. S. soll das NSU-Trio nach dessen Untertauchen Anfang 1998 in der Wohnung ihres damaligen Freundes untergebracht und Beate Zschäpe ihre Krankenkassenkarte überlassen haben. An ihrem dritten Vernehmungstermin erkundigten sich die Prozessbeteiligten aber vor allem nach S.‘ damaliger Gedankenwelt – und brachten die Frau aus dem Erzgebirge ins Schwimmen. „Man wünschte sich, die Extremisten hätten wenigstens die Größe, sich zu ihren abstrusen politischen Überzeugungen öffentlich zu bekennen“, kommentiert Jörg Diehl auf Spiegel Online.

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Auf Verfassungsschützer ist kein Verlass – Das Medienlog vom Donnerstag, 10. April 2014

Erinnerungslücken und Widersprüche – damit irritierte nicht nur der frühere Kasseler Verfassungsschützer Andreas T. das Gericht. Auch sein damaliger Vorgesetzter Frank-Ulrich F. verstörte am Dienstag mit seiner Zeugenaussage im NSU-Prozess. T. war am Tatort, als Halit Yozgat 2006 mutmaßlich vom NSU in seinem Kasseler Internetcafé erschossen wurde, will jedoch nichts mitbekommen haben. Als Ermittler T. daraufhin ins Visier nahmen, telefonierte er mehrmals mit F. – woran sich dieser jedoch nicht mehr erinnern wollte: Es gebe „eine ganze Reihe von Telefonaten, die F. offenbar komplett aus seinem Gedächtnis gestrichen hat“, schreibt Gisela Friedrichsen auf Spiegel Online.

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105. Prozesstag – Mandy S. erneut als Zeugin geladen

Zwei Tage lang hatte sie bereits ausgesagt, nun ist sie erneut nach München geladen: die mutmaßliche NSU-Unterstützerin Mandy S. Sie soll das Trio nach dessen Untertauchen im Jahr 1998 bei ihrem damaligen Freund einquartiert und Beate Zschäpe ihre Krankenkassenkarte überlassen haben. Zudem nutzte Zschäpe den Namen von S. jahrelang als Tarnidentität. Gegen S. läuft ein Ermittlungsverfahren. Weil sie dennoch nicht die Aussage verweigerte, erhoffen sich die Prozessbeteiligten von ihr Einblicke in die Beziehung von Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt untereinander.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

André E., der rechtsextreme Skinhead – Das Medienlog vom Mittwoch, 9. April 2014

Die Zeugin Anja S. lieferte am 103. Prozesstag einen Einblick in die rechte Szene der neunziger Jahre – und in die Gedankenwelt des Angeklagten André E. Als S. 15 Jahre alt war, kam sie mit dem damaligen Skinhead für rund ein Jahr zusammen, nun sagte sie im NSU-Prozess aus. Die Aussage zeichnete das Bild einer fremdenfeindlichen Gesellschaft in der Heimat des früheren Paars, dem Erzgebirge:

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104. Prozesstag – Gericht prüft weiter Mord an Halit Yozgat

Am 6. April 2006 wurde Halit Yozgat in seinem Internetcafé in Kassel erschossen, mutmaßlich von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Vieles an dem Fall ist bis heute ungeklärt – dazu zählt auch das Verhalten des zur Tatzeit anwesenden Verfassungsschützers Andreas T. Deshalb hört das Gericht am Mittwoch einen Vorgesetzten von T., den Verfassungsschützer Frank-Ulrich F. Dieser soll T. gelobt haben, dass er sich in einem Gespräch mit dem damaligen Behördenleiter Lutz Irrgang „nicht so restriktiv wie bei der Polizei“ verhalten habe. In der Vergangenheit hatte neben Irrgang bereits eine Mitarbeiterin T.s ausgesagt.

Weiterhin geladen ist ein Polizist, der nach den tödlichen Schüssen einen Zeugen aus dem Café befragte.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Dienstag, 8. April, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 9. April 2014.

 

103. Prozesstag – Ex-Freundin von André E. geladen

Der 103. Prozesstag ist allein für eine Zeugin reserviert: Anja S. soll über den als Unterstützer angeklagten André E. aussagen. Die Vernehmung dürfte Erkenntnisse über E.s Verbindung zum NSU liefern. S. war von 1997 bis 1999 dessen Freundin, gemeinsam besuchten sie Beate Zschäpe kurz nach dem Untertauchen des Trios im Jahr 1998 in Chemnitz. Die heute in Großbritannien lebende S. war bereits im Vorjahr geladen worden, jedoch nicht erschienen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Anwalt: Zschäpe wird aussagen – Das Medienlog von Montag, 7. April 2014

Im Prozess schweigt die Hauptangeklagte Beate Zschäpe beharrlich – doch nicht bis zum Urteil, glaubt der Hamburger Nebenklageanwalt Thomas Bliwier: „Sie sagt etwas, da bin ich sicher“, sagte er der Welt am Sonntag. Das Verfahren sei bislang nicht zu ihren Gunsten verlaufen, nur durch eine Aussage könne sie die Höchststrafe von lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld abwenden. In Bayern sei so eine Entlassung nach frühestens 25 Jahren möglich, heißt es in dem Beitrag. Zschäpe hatte zu einem Polizisten gesagt, dass sie sich „nicht gestellt habe, um nicht auszusagen“.

Bliwiers Mandant ist Ismail Yozgat, der Vater des 2006 in Kassel ermordeten Halit Yozgat. Ismail Yozgat habe einmal gesagt, die Hauptangeklagte „könnte von ihm aus auch frei sein, wenn sie denn alles sagen würde, was sie weiß“, sagte der Anwalt.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 8. April 2014.

 

Ilona Mundlos, die überforderte Mutter – Das Medienlog vom Freitag, 4. April 2014

Ilona Mundlos hat ihren Sohn Uwe verloren – der laut Anklage im NSU-Prozess ein zehnfacher Mörder ist. Als Zeugin schilderte sie am 102. Verhandlungstag, wie sich Uwe von ihr verabschiedete und wie sie durch einen Anruf von Beate Zschäpe von seinem Tod erfuhr. Mundlos antwortete Richter Manfred Götzls Fragen sachlich und bedacht – anders als ihr Mann im Dezember. Sie zeigte sich als Frau, „die inzwischen eine ziemliche Distanz zu den Dingen hat, die sich damals ereigneten“, schildert Björn Hengst die Vernehmung auf Spiegel Online.

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Ein Abschied für immer

Ilona Mundlos merkte nicht, wie ihr Sohn Uwe in die Nazi-Szene abdriftete. Als er mit seinen Kameraden untertauchte, konnte sie es nicht glauben. Nun hat die Mutter im NSU-Prozess ausgesagt.

Als Frau Mundlos ihren Sohn zum letzten Mal sieht, will sie gerade die Fleischtheke abdecken. Die Kaufhalle in Jena-Nord hat schon geschlossen, da tauchen Uwe und sein Kumpel André K. vor der Tür auf. Ilona Mundlos kommt heraus zu ihnen, trägt noch ihren Arbeitskittel. Er verschwinde jetzt, sagt Uwe. Polizisten hatten die Wohnungen von ihm und seinen Freunden Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt durchsucht, zudem in einer Garage Sprengstoff und Propagandamaterial gefunden. Ihm drohe eine Haftstrafe, sagt der Sohn, sieben Jahre, er müsse flüchten. Die Mutter fleht ihn an: „Ruf doch bitte deinen Vati an, tu mir den einzigen Gefallen.“ Dann verschwindet Uwe Mundlos.

Ilona Mundlos sagt, sie habe nicht geglaubt, dass es die letzte Begegnung war: am Mittwoch, den 28. Januar 1998, zwei Tage, nachdem Polizisten die Bombenwerkstatt des späteren NSU-Trios ausgehoben hatten. Und sie sei stets überzeugt gewesen, dass Uwe lebe, auch, als ihr Mann Siegfried sich schon sicher war, er sei tot. Tatsächlich starb Uwe erst am 4. November 2011 gemeinsam mit seinem Freund Böhnhardt, durch Selbstmord nach einem missglückten Banküberfall. Zwischenzeitlich sollen die beiden zehn Menschen erschossen haben.

Im NSU-Prozess spricht Frau Mundlos am 102. Verhandlungstag gefasst über ihr Schicksal, Mutter eines mutmaßlichen Mörders zu sein. Die Zeugin, schlank, schulterlange, blonde Haare, faltet die Hände auf dem Tisch. Die schwarze Stoffjacke mit dem Pelzaufsatz lässt sie den ganzen Tag über an. Gefasst wie nüchtern ist sie in ihren Antworten: Mundlos schmückt nicht aus, dramatisiert nicht, nimmt sich selbst zurück. Das ist fast schon eine Überraschung.

Die Mutter ist das fünfte Elternteil des NSU-Trios, das im Verfahren geladen ist. Als Zeugen waren bereits Brigitte und Jürgen Böhnhardt, Siegfried Mundlos und Annerose Zschäpe aufgetreten, letztere verweigerte die Aussage. Bei den anderen glich die Vernehmung in Teilen einer Tirade gegen Polizei, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft. Die Eltern, geplagt durch den Tod ihrer Söhne, suchten Schuldige für deren Werdegang. Siegfried Mundlos ging sogar soweit, Richter Manfred Götzl zu beleidigen.

Im Laufe der Vernehmung wird allerdings klar, dass Ilona Mundlos kaum mitbekam oder mitbekommen wollte, wie Uwe in die rechte Szene abdriftete. Wie er sich mit Gesinnungsgenossen in der Kameradschaft Jena zusammenschloss und auf Demos marschierte, das scheint an der Mutter vorbeigegangen zu sein. „Wir sind… oder waren eine glückliche Familie“, sagt sie. Der Uwe habe nie Schwierigkeiten gemacht. Als er sich mit seinem schwerbehinderten Bruder Robert noch ein Zimmer teilte, seien sie Hand in Hand eingeschlafen.

Allerdings bekam die Mutter nur Ausschnitte aus dem Leben ihres Sohns zu sehen: „Uwe war nicht so ein Mutti-Kind, er brauchte mich nicht so“, erzählt sie. Sie sei eher für Robert dagewesen, Uwe habe sich meist an seinen Vater gehalten. Und dann waren da noch die langen Arbeitszeiten: „Ich war wirklich mit der Kaufhalle verheiratet.“

Gut in Erinnerung ist ihr allerdings Beate Zschäpe, die frühere Freundin von Uwe. Die sei „ein liebes, nettes Mädchen“ gewesen, habe sich aber nicht alles gefallen lassen. Als sie in eine Disco gehen wollten, zog Uwe seine Springerstiefel an – da habe sie zu ihm gesagt: „Zieh dich um, so können wir nicht gehen!“ Zwei bis drei Jahre dauerte die Beziehung, bis Uwe 1995 zur Bundeswehr ging. Da kam Zschäpe mit Böhnhardt zusammen. Ilona Mundlos sah sie nie wieder, bis zur Begegnung im Gericht.

Mit Uwes Freunden aus der Nazi-Szene wechselte Ilona Mundlos kaum ein Wort, auch nicht mit Böhnhardt. Wie sehr ihr Sohn für die rechte Ideologie glühte, merkte die Mutter erst nach der Flucht. Am 26. Januar 1998 kam es zu der Garagendurchsuchung. Beate Zschäpe rief Uwe an, der zu der Zeit in einem Internat das Abitur nachmachte. Er fuhr zurück nach Jena, ging zu seiner Mutter in die Kaufhalle: „Mutti, es ist was Schlimmes passiert“, habe er gesagt. Weil er Geld brauchte, gab Ilona Mundlos ihm ihre EC-Karte. Am nächsten Tag brachte die damalige Freundin des heutigen Mitangeklagten Ralf Wohlleben sie zurück. Am Tag darauf verabschiedete sich ihr Sohn.

Es folgten fast 14 Jahre Ungewissheit. Gelegentlich tauchten Fahnder auf, Verfassungsschützer, Polizisten. Dennoch erfuhr Familie Mundlos nichts von Uwes Schicksal. Bis am 4. November 2011 in der Frühe das Telefon klingelte. Eine Frauenstimme meldete sich: „Hier ist die Beate vom Uwe.“ Nach dem Selbstmord der Männer rief Zschäpe erst bei Böhnhardts an, dann bei Familie Mundlos. Sie habe mitgeteilt, „dass etwas Schlimmes passiert ist, dass der Uwe tot ist“, erinnert sich Mundlos. Was, das erfuhr sie erst später aus dem Fernsehen. Ob Zschäpe noch mehr gesagt habe, will Richter Götzl wissen. „Sie sagte, dass er uns lieb hat, bla bla so“, antwortet die Zeugin.

Wieder konnte Mundlos es nicht glauben. Zschäpes Stimme habe anders geklungen, als sie sie in Erinnerung gehabt habe, sagt sie. Erst später kam die Gewissheit, als die Nachrichten auf allen Kanälen liefen und die Polizei die Leichen identifiziert hatte. Da wusste Frau Mundlos, dass es damals wirklich die letzte Begegnung mit Uwe war – Mittwochabend, vor der Kaufhalle.