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Verfahren gegen Mandy S. könnte eingestellt werden – Das Medienlog vom Freitag, 28. Februar 2014

Zum zweiten Mal ist die als NSU-Unterstützerin verdächtigte Mandy S. am 90. Verhandlungstag vor Gericht erschienen. Wie am Tag zuvor hatte sie viele Fragen zu ihrer Zeit in der rechten Szene zu beantworten – was ihr nach Ansicht von Prozessbeobachtern durchaus glaubwürdig gelang. Doch einige Zweifel an der Vergangenheit der Zeugin seien geblieben. S. wurde „möglicherweise instrumentalisiert, ohne es zu ahnen“, berichtet Frank Jansen im Tagesspiegel. Aus Ermittlerkreisen hieß es, das Verfahren gegen sie werde vermutlich eingestellt.

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Mandy S., die treue Helferin

Es muss Mitte Februar 1998 gewesen sein, als der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) in das Leben von Mandy S. trat. An einem Abend stand Achim F. vor der Tür ihrer Chemnitzer Wohnung, wie sie ein Mitläufer in der rechten Szene. Wahrscheinlich hatte ihn einer der Anführer geschickt. Da seien drei Kameraden, die „Scheiße gebaut“ hätten und sich verstecken müssten, sagte F. Mandy S. wollte helfen, aber in ihrer Wohnung sollten die Flüchtigen doch bitte nicht unterkommen.

Sie fragte ihren Freund Max-Florian B. Der willigte ein, die drei bei sich einzuquartieren und fuhr mit F. zu sich nach Hause. Erst später lernte S. das Trio selbst kennen: Es handelte sich um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, wie Rekonstruktionen von Ermittlern ergaben.

Die 38-jährige S. wohnt mittlerweile in Schwarzenberg im Erzgebirge, nur wenige Kilometer entfernt von ihrem Geburtsort. Sie ist Leiterin eines Friseursalons, hat eine Tochter, mit der rechten Szene hat sie angeblich nichts mehr zu tun. Weil das einmal anders war, kamen im November 2011 Beamte der Kriminalpolizei in den Salon – und hatten einige unangenehme Fragen. Mehrmals gab S. daraufhin die Geschichte der Unterbringung zu Protokoll.

Am Mittwoch packte sie erneut aus: im NSU-Prozess in München, wo S. als Zeugin geladen war und an diesem Donnerstag erneut gehört wird. Auf die Angaben der Friseurin hatten Prozessbeobachter mit Spannung gewartet. Weil S. Beate Zschäpe später ihre Personalien zur Verfügung gestellt haben soll, ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung gegen sie. Dass sie aussagt, ist eine Überraschung, denn S. hätte schweigen dürfen.

Mit Bomberjacke und Springerstiefel

Keine Überraschung ist hingegen das, was sie sagt: S. gibt nur zu, was garantiert verjährt ist. Und es ist nicht einmal sicher, ob das der Wahrheit entspricht.

Denn die Sache mit dem Quartier für das Trio erzählte Max-Florian B. bei der Polizei ein wenig anders: Er sei auf einem rechten Konzert in Ungarn gewesen. Als er nach Deutschland zurückkehrte, habe ihn seine Freundin zum Gespräch gebeten: Mit ihrem Zweitschlüssel habe sie drei Kameraden in seine Wohnung gebracht und dort schlafen lassen. B. habe sich schließlich einverstanden erklärt.

S. wehrt sich bis heute gegen diese Darstellung – Fremde in die Wohnung anderer Leuten zu lassen, das würde sie nie tun, sagte sie. Es ist ein eigentümliches Verständnis von Moral: Menschen zu verstecken, die vor der Justiz auf der Flucht waren, das war nach dem Wertekanon von S. anscheinend kein Problem.

In jedem Fall wollte Mandy S. immer loyal und angepasst sein, zumindest den Kameraden aus der Szene gegenüber. Ein Lebenspartner führt sie in das Milieu ein. Auf Demonstrationen machen sich die anderen lustig, weil sie normale Kleidung trägt. Sie geht in ein Geschäft und kauft sich Bomberjacke und Springerstiefel. Dazu rasiert sie sich den Kopf. Als Mitglied einer „Hilforganisation“ schreibt sie Rechten im Gefängnis, sie verteilt Flugblätter, nimmt an einem Marsch für Rudolf Heß teil.

Die wohl wichtigste Hilfe leistet sie allerdings dem NSU-Trio. Mehrmals trifft sie die Untergetauchten in der Wohnung von B., wo sie mindestens zwei Monate lang wohnen. Bei einem Besuch krümmt sich Beate Zschäpe vor Schmerzen. Sie müsse dringend zum Frauenarzt, habe aber keine Krankenversicherungskarte. Mandy S. hilft mit ihrer eigenen aus. Kurze Zeit darauf liegt das Dokument wieder in ihrem Briefkasten. Einmal holt sie einen Personalausweis vom Einwohnermeldeamt ab, der für einen der Männer gedacht ist – damit will das Trio offenbar einen Reisepass beantragen, um das Land verlassen zu können.

Das sei es dann gewesen, sagte S. den Ermittlern, mehr habe sie nicht getan. Seit Frühsommer 1998 habe sie keinen Kontakt mehr zu den dreien gehabt.

Zschäpes Adresse im Erzgebirge

Stutzig machen jedoch Beweisstücke, die Ermittler in dem niedergebrannten Haus in Zwickau sicherstellten, das der NSU zuletzt bewohnt hatte: auf ihren Namen lautende gefälschte Mitgliedsausweise zweier Tennisclubs im Umkreis von Nürnberg – dort hatte S. zeitweilig gelebt. Auf einem klebte das Foto von Zschäpe, daneben stand eine Adresse von S. Im Erzgebirge. Die Wohnung hatte sie erst im Jahr 2004 bezogen.

Ebenfalls im Brandschutt lagen zwei Notizzettel mit S.‘ Handynummer, unter der sie erst seit August 1999 zu erreichen war. „Das ist der Hammer“, antwortete S. verblüfft, als Polizisten ihr in einer Vernehmung die Zettel vorlegten. Für die Zeugin wurde es eng.

Der Bundesanwaltschaft genügten die Indizien, um ein Verfahren gegen S. einzuleiten. Die Sachlage begründe den Verdacht, dass S. noch sehr viel länger mit dem Trio in Kontakt stand und von den Zielen des NSU wusste. Beate Zschäpe nutzte offenbar bis zum Auffliegen der Terrorzelle S.‘ Identität – und zwar mit der Billigung der Zeugin. Damit wäre die Verjährungsfrist von zehn Jahren keineswegs abgelaufen.

Wohnungen und Ausweise sind nicht die einzige Verbindung zwischen S. und dem NSU: Zur Schule ging sie mit den Brüdern André und Maik E. André E. hielt über die Jahre engen Kontakt mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, heute sitzt er mit auf der Anklagebank.

 

Aussage ja, Details nein – Das Medienlog vom Donnerstag, 27. Februar 2014

Für viele Prozessbeobachter war es eine Überraschung: Die als NSU-Helferin beschuldigte Zeugin Mandy S. hat im Prozess ausgesagt. Dabei bestätigte sie, dass im Jahr 1998 drei Kameraden aus der rechten Szene bei ihrem damaligen Freund in Chemnitz einquartiert zu haben. An viele Details konnte sich die Friseurin aus dem Erzgebirge allerdings nicht erinnern. Die Kernfrage sei unbeantwortet geblieben, schreibt SWR-Korrespondent Holger Schmidt: S. konnte nicht sagen, ob es sich bei den Dreien um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt handelte. Damit spielte sie Zschäpes Verteidigern in die Hände.

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90. Prozesstag – Helferin Mandy S. sagt weiter aus

Umfangreich ist der Fragenkatalog, den die Prozessbeteiligten für die mutmaßliche NSU-Helferin Mandy S. vorbereitet haben: Welche Unterstützung erhielt das Trio, als es 1998 abtauchte? Wer gehörte noch zum rechten Netzwerk? Die Vernehmung von S. war am Mittwoch begonnen worden, am Donnerstag ist die gesamte Sitzung der Zeugin gewidmet, gegen die ein zusätzliches Ermittlungsverfahren läuft.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Der schweigende Zeuge und die „Scheiß-Knarre“ – Das Medienlog vom Mittwoch, 26. Februar 2014

Der Zeuge Andreas Sch. soll geholfen haben, dem NSU-Trio die Mordwaffe Ceska 83 zu beschaffen. Bei seinem Gerichtstermin hatte er nichts dazu gesagt – bei Vernehmungen durch die Polizei schon. Deswegen sagte am 88. Prozesstag ein Beamter aus, der Sch. im Januar 2012 befragt hatte. Die markanteste Äußerung aus dem Protokoll: Sch. gab zu, er habe dem Mitangeklagten Carsten S. „die Scheiß-Knarre besorgt“. Dieser gab sie nach eigenem Bekunden an den NSU weiter. Die Äußerung belaste auch den als Drahtzieher angeklagten Ralf Wohlleben, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel. Für ihn sehe es „nicht gut aus“.

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89. Prozesstag – NSU-Unterstützerin Mandy S. im Zeugenstand

Als das NSU-Trio im Januar 1998 in den Untergrund ging, konnte es sich auf die Hilfe der rechten Kameraden verlassen. Dazu gehörte auch die Friseurin Mandy S., die am Mittwoch als Zeugin geladen ist. Sie quartierte Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt für kurze Zeit in der Wohnung ihres damaligen Freunds Max-Florian B. ein. Zudem soll sie Beate Zschäpe einen Ausweis überlassen haben. Ob S. Angaben macht, ist ungewiss: Weil gegen sie ein Ermittlungsverfahren läuft, könnte sie sich auf ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht berufen.

Zuvor sagt der Sachverständige Ruprecht Nennstiel aus. Der Gutachter des Wiesbadener Bundeskriminalamts stellt die kriminaltechnische Untersuchung zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter vor. Die 22-Jährige wurde am 25. April 2007 während einer Pause in Heilbronn erschossen.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

NSU-Unterstützerin dürfte schweigen – Das Medienlog vom Dienstag, 25. Februar 2014

Am Mittwoch und Donnerstag will das Gericht die Zeugin Mandy S. hören – doch die könnte sich in Schweigen hüllen, wie Kai Mudra in der Thüringer Allgemeinen berichtet. Mit einer Aussage könnte sich S. selbst belasten: Gemeinsam mit ihrem damaligen Freund soll sie den drei abgetauchten NSU-Mitgliedern im Jahr 1998 Unterschlupf gewährt haben.

Deswegen läuft ein Ermittlungsverfahren der Bundesanwaltschaft gegen die Friseurin aus Schwarzenberg im Erzgebirge. Beobachter gingen davon aus, dass S. für sich ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht gelten macht, heißt es in dem Bericht. In dem Fall würde die Sitzung am Donnerstag ausfallen – es wäre bereits das vierte Mal in diesem Jahr.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Mittwoch, 26. Februar 2014.

 

88. Prozesstag – Polizisten sagen über NSU-Unterstützer aus

Am Dienstag widmet sich das Gericht einem der Unterstützer des NSU: Andreas Sch., der am Transport der Mordwaffe Ceska 83 zum NSU-Trio beteiligt gewesen sein soll. Aussagen sollen drei Polizisten, die Sch. im Jahr 2012 mehrmals vernommen hatten – dabei hatte er bereits zugegeben, die Pistole besorgt zu haben. Bei seinem Auftritt als Zeuge im Januar verweigerte er allerdings die Aussage.

Zudem ist die Inhaberin eines Caravanbetriebs geladen, bei dem der NSU mehrmals Wohnmobile ausgeliehen hatte. Ein hessischer Ermittler sagt außerdem zu dem Internetcafé aus, in dem der Kasseler Halit Yozgat am 6. April 2006 erschossen wurde.

Informationen aus der Verhandlung gibt es via Twitter hier. Die Berichte darüber fassen wir morgen im NSU-Medienlog zusammen.

 

Keine Berichte zum NSU-Prozess

Am Montag, 24. Februar, gibt es keine Berichte in den deutschen oder englischsprachigen Onlinemedien.

An jedem Werktag sichten wir für das NSU-Prozess-Blog die Medien und stellen wichtige Berichte, Blogs, Videos und Tweets zusammen. Wir freuen uns über Hinweise via Twitter mit dem Hashtag #nsublog – oder per E-Mail an nsublog@zeit.de.

Das nächste Medienlog erscheint am Dienstag, 25. Februar 2014.

 

Im Klammergriff des NSU – Das Medienlog vom Freitag, 21. Februar 2014

Der mutmaßliche NSU-Unterstützer Max-Florian B. ist als Zeuge nach München gekommen – und hat geschwiegen. Gegen den 36-Jährigen läuft ein Ermittlungsverfahren, er belastete sich selbst nicht. Stattdessen sagten zwei Polizisten aus, die B. nach dem Auffliegen des NSU vernommen hatten. Der Beschuldigte hatte die drei bei sich wohnen lassen, ihnen seinen Personalausweis überlassen und sich mehrmals mit ihnen getroffen. Die Terrorgruppe habe den Dresdner „benutzt“, schreibt Frank Jansen im Tagesspiegel – möglicherweise „war er zu schwach, um sich aus dem Klammergriff zu befreien“.

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