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Hätte das Netz bei der Suche nach Ehec helfen können?

 

krankheiten weltweit monitoring
healthmap.org bietet einen Überblick über akute Epidemien weltweit

Die Zahl der Ehec-Neuerkrankungen wird glücklicherweise geringer. Die Suche nach der Quelle und den Ausbreitungswegen aber ist noch immer nicht beendet. Stellt sich die Frage: Hätten Methoden wie Open Data und Crowdsourcing helfen können, das Krisenmanagement der Bundesregierung und der zuständigen Behörden zu verbessern?

Tatsächlich haben Wissenschaftler auf eben diese Verfahren gesetzt: Das medizinische Universitätszentrum Hamburg-Eppendorf veröffentlichte mittlerweile zusammen mit dem BGI-Shenzhen die Analysedaten des Bakterium-Genoms als Public Domain – also ohne Einschränkungen durch eine Lizenz. Dadurch können Mediziner weltweit sich ohne Probleme an der Untersuchung des betreffenden Strangs von Ehec beteiligen.

Das aber ist nur eine Möglichkeit, offene Daten zu nutzen. Hätte beispielsweise ein Blick in die Suchanfragen bei Google schon frühzeitig als Indikator für Ausbruchsherde dienen können? Die Google Stiftung versucht immerhin, auf solche Weise Grippe-Epidemien zu erkennen. Werden doch bei Erkrankungen spezifische Wortkombinationen gesucht. Diesen Ansatz verfolgt auch healthmap.org: Dort lassen sich die Ausbrüche verschiedenster Krankheiten weltweit beobachten.

Als Frühwarnsystem konnte dieses Verfahren bei Ehec nicht funktionieren. Die ersten Fälle traten bereits Anfang Mai auf. Doch war den meisten Laien die Abkürzung zu dieser Zeit wohl kaum bekannt. In der Tat zeigt das Werkzeug Google Insights, dass in Deutschland erst um den 20. Mai herum begonnen wurde, nach Begriffen wie „Ehec Symptome“ zu suchen. Zu diesem Zeitpunkt war längst das Robert-Koch-Institut (RKI) eingeschaltet und es gab zunehmend mehr Berichte in den Medien.

Nächste Möglichkeit: die Fragebögen, die Infizierte ausfüllen mussten. Das geschah wohl per Hand; es gab auch immer wieder neue Versionen, die auch nicht in jedem Bundesland gleich waren. In dem eine Seite umfassenden Fragebogen von der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (pdf) von Ende Mai etwa wurde nur nach dem Verzehr von Erdbeeren, Gurken, Tomaten und Salat gefragt. Die inzwischen als Träger identifizierten Sprossen standen gar nicht zur Auswahl. Manche Version des RKI dagegen umfassen bis zu 38 Seiten, die detailliert nach allen möglichen Ernährungsprodukten und -gewohnheiten fragen.

Hätte ein zentral gepflegter Onlinefragebogen möglicherweise nützlich sein können? Immerhin bietet er den Vorteil, dass er neuen Erkenntnissen schnell angepasst werden kann und schnell automatisiert auswertbar ist. 

Beim RKI geht man davon aus, dass er in diesem Fall nicht geholfen hätte. „Ich glaube nicht, dass wir mit einer Veröffentlichung weiter gekommen wären“, sagte Sprecherin Sabine Glasmacher. Gerade die verschiedenen, spezifischen Fragebögen seien der richtige Weg gewesen, um Personengruppen nach und nach einzugrenzen. „Es hilft nicht, wenn jeder so einen Bogen ausfüllt“, sagte Glasmacher. Das hätte sogar zu mehr Problemen geführt, glaubt sie, wären im Zweifel so doch zu viele und zu viele nutzlose Daten zusammengekommen. „Aus wissenschaftlicher Sicht ist es nicht immer sinnvoll, jeden zu befragen.“

Und die Labordaten? Wäre es von Nutzen, diese online zu stellen und sie jedem zugänglich zu machen? Die „Crowd“ ist mächtig, wenn es darum geht, große Datenmengen zu durchforsten und in ihnen Muster zu entdecken. Es gibt immer irgendwo jemanden, der sich mit dem Thema auskennt. Und immerhin untertützt das RKI Open Access, also den offenen Zugang zu Forschungsdaten. Es hat die „Berliner Erklärung“ über den Zugang zu wissenschaftlichem Wissen unterzeichnet.

„Es ist noch nicht üblich, Labordaten ins Netz zu stellen, das beginnt erst ganz langsam“, sagte Glasmacher. Außerdem sei man leider nicht in der Lage, bei einer akuten Situation einen so neuen Ansatz schnell umzusetzen.

Allerdings waren nicht einmal simple statistische Auswertungen „offen“. Zwar werden auf der Website des Instituts Tabellen mit registrierten Ehec-Fällen präsentiert. Die Daten aber sind nicht zum Download gedacht, was ein freundlicher Service gewesen wäre. Auch werden nicht die Todesopfer aufgeschlüsselt, sondern nur die Zahl der Erkrankungen. Noch dazu stehen die Tabellen pauschal unter einem Copyright. Unter ihnen steht: alle Rechte vorbehalten.

Im Wissenschaftsbereich werden Internet und Open Data längst ganz selbstverständlich zum Organisieren von Wissen und zur Zusammenarbeiten genutzt. Der nächste Schritt aber wird wohl noch eine Weile dauern.