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Deutschland und das dicke Geschäft mit afrikanischem Land

Deutsche Investoren sind an acht von 356 transnationalen Verträgen beteiligt, die für die Verpachtung von Land in Afrika geschlossen wurden und insgesamt eine Fläche von etwa 171.000 Hektar umfassen. Dies geht aus einer Recherche in der Datenbank Land Matrix hervor. Diese Datenbank erfasst großflächigen Landerwerb und wurde von vier internationalen Forschungsinstituten, unter anderem dem GIGA (German Institute of Global and Area Studies) und der GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) entwickelt. Ein eher geringer Anteil, verglichen mit den führenden Investorenländern – allein die USA, die Vereinigten Arabischen Emirate, das Vereinigte Königreich und Saudi-Arabien kontrollieren zusammen 9.6 Millionen Hektar Land auf dem Afrikanischen Kontinent. Trotzdem war Deutschland bereits Gegenstand harscher Kritik bezüglich Kaweri, einer Kaffee Plantage in Uganda, die Teil der Neumann Kaffee Gruppe Hamburg war. Die im speziellen an den Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Dirk Niebel, gerichteten Vorwürfe, ähneln denen, die sich an andere des „Land Grabbing“ Verdächtigte richten. Der Begriff „Land Grabbing“ bezeichnet die Aneignung riesiger Landflächen in Entwicklungsländern bei gleichzeitiger Verletzung der Menschenrechte lokaler Gemeinschaften.

Deutschlands wichtigste Landgeschäfte in Afrika

Aus den zum jetzigen Zeitpunkt von Land Matrix erfassten Verträgen geht hervor, dass die acht von deutschen Investoren in Afrika abgeschlossenen Verträge sich auf eine Fläche von insgesamt 171.000 Hektar belaufen. Fünf Projekte haben offensichtlich bereits mit der Produktion begonnen, wohingegen drei sich offenbar erst in der Anfangsphase befinden. Die 2500 Hektar, die von Uganda an die Kaffee Gruppe verpachtet wurden -1802 davon werden genutzt- gehören offenbar zu denjenigen Projekten die bereits angelaufen sind. Vier der acht Investitionen dienen offenbar dem Anbau von Jatropha, einer Pflanze aus der Öl für die Produktion von Biodiesel gewonnen wird. An das Biotreibstoffgeschäft gekoppelt ist auch die größte Investition von 120,000 Hektar in Sambia, die sowohl an die Deutsche Firma Mann Ferrostalla als auch an Deulco, eine südafrikanische, auf erneuerbare Energien spezialisierte Firma verpachtet wurden. Letztere ist das einzige Projekt, welches auch als „Industrie“ aufgeführt ist und sich damit höchstwahrscheinlich auf die Jatropha-Öl Umwandlungsanlagen bezieht. Die anderen vier Investitionen setzen sich aus Plantagen zum Zweck der Nahrungsmittelgewinnung zusammen: Reis, Getreide, Erbsen, Korn und Kaffee.

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Groß angelegter Landerwerb in Afrika

Wie viele Hektar sind seit dem Beginn des „Landrauschs“ insgesamt verpachtet worden? Jeder Versuch sich dem Umfang dieses Phänomens zu nähern, sieht sich unweigerlich mit einer Vielzahl widersprüchlicher Zahlenangaben konfrontiert. Die Weltbank führt 56 Millionen verpachtete Hektar allein für die Zeit zwischen 2008 und 2009 infolge der Preisexplosion bei den Nahrungsmitteln an. Das International Food Policy Institute und das Oakland Institute kommen auf 15-20 Millionen Hektar im Zeitraum von 2006 bis 2009. 2011 berechnete die erwähnte „Land Matrix“ die Größe des verpachteten Landes seit dem Jahr 2000 auf die riesige Fläche von 227 Millionen Hektar (Zum Vergleich: Deutschland umfasst 35,7 Millionen Hektar). Errechnet von nicht immer vertrauenswürdigen Quellen, wurde diese Einschätzung, nach einem Relaunch der Datenbank im Juni 2013, auf 33 Millionen Hektar, die durch unterschriebene Verträge nachgewiesen werden konnten, verringert. Dies entspricht einer Fläche etwa acht mal so groß wie die Niederlande.

„Es ist schwer zu sagen, ob diese Zahlen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit korrekt sind“, sagt Andrea Fiorenza, Forscher der International Land Coalition und Co-Autor einer Reihe von Studien, genannt Commercial Pressure on Land, denn „manche Projekte fangen an, sehen sich dann diversen Problemen gegenüber und laufen aus und werden abgebrochen, oder ganz im Gegenteil, dehnen sich über die legalen Grenzen hinweg aus.“ Darüber hinaus verhindert mangelnde Transparenz der Regierungen in Entwicklungsländern ein klareres Bild der Situation. Das Ziel der „Land Matrix“ Datenbank ist jedoch nicht, die endgütige Datenlage zu präsentieren, sondern „Trends zu erkennen, aus verschiedenen Quellen zu schöpfen und auf dem Laufenden zu bleiben.“

Erkunden sie die globale Debatte über den „Landrausch“

Für detaillierte Informationen über den groß angelegten Landerwerb wurde eine interaktive Karte erstellt, auf der Artikel zur Debatte über den Landrausch in Afrika gesammelt werden. Hier sind Dokumente der akademischen Welt, Berichte der internationalen Zivilgesellschaft, journalistische Recherchen und Stellungnahmen von Unternehmen und Institutionen zum Thema verlinkt. Außerdem ist es möglich, der Karte neue Artikel hinzuzufügen, indem dieses Formular ausgefüllt wird.

Erkunden sie die Karte durch Klicken auf die Markierungen und beteiligen sie sich an der Diskussion, indem sie die Karte, unter Angabe von Link, Ort und Quelle, mit weiteren Dokumenten verlinken, die sie für relevant in der Auseinandersetzung um Landverpachtungen auf dem Afrikanischen Kontinent halten.

Über das Projekt

Jacopo Ottaviani ist Journalist und Entwickler, spezialisiert auf Datenjournalismus. Er arbeitet für italienische und internationale Medien, unter anderem The Guardian und Al Jazeera International.Folgen Sie ihm auf Twitter: @jackottaviani

Dieser Beitrag für ZEIT ONLINE ist Teil des Innovation in Development Reporting Programms des European Journalism Centre (EJC). Zur Projektentwicklung haben außerdem Andrea Fama, Cecilia Anesi und Isacco Chiaf beigetragen. Hier geht es zur englischen Version des Beitrags.

 

Germany and the land deals in Africa: the data perspective.

Germany is the main player in 8 of the 356 transnational contracts signed between governments and investors for the lease of land in Africa, for a total of about 171,000 hectares. This is what arises from a query made by Land Matrix, the database collecting all land deals worldwide (Land Matrix, 5 Nov 2013). A rather low percentage, if compared to the United States, the United Arab Emirates, the UK and Saudi Arabia, which lead the ranking of investing countries with 9.6 million hectares under their control in the African continent. However, after the case of Kaweri, the coffee plantation in Uganda which was part of the Neumann Kaffee Gruppe of Hamburg, Germany has also been the object of harsh criticism. These accusations towards Germany, and in particular towards the former Minister of Economic Cooperation and Development Dirk Niebel, are the same that have been directed towards others accused of “land grabbing”, the acquisition of vast quantities of land in developing countries, while violating the human rights of local communities.

Main German land deals in Africa

According to the contracts recorded by the Land Matrix database, as of writing, the 8 land deals in Africa driven by German investments amount to a total of 171,000 hectares. Five projects prove to have begun production, while three turn out to be in their start-up phase. The 2500 hectares leased by Uganda to the Kaffee Gruppe, 1802 of which prove to be operational, appear to be among the projects that are already under way. Four of the eight investments appear to be connected to the biofuel business through the cultivation of jatropha, a plant from which oil for biodiesel production is extracted – these include the largest investment, 120,000 hectares in Zambia co-assigned to German company Mann Ferrostalla and to Deulco, a South African company specialized in renewable energies. The latter is the only project to also be listed as “Industry”, most probably referring to the jatropha oil transformation plants. The other four investments consist of plantations for food purposes: rice, cereal, peas, grain and coffee.

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Explore the global debate on the “land rush”

For more on large-scale land acquisitions, an interactive map has been developed collecting stories participating in the debate on the land rush in Africa. The map displays all players involved in the discussion, showing documents from the academic community, reports from the international civil society, journalistic investigations and participations of companies and institutions. Furthermore, the map allows the submission of new articles by filling in a crowdsourcing form.

Explore the map by clicking on the markers and join the discussion by submitting articles you consider relevant to the argument of land leases in the African continent, indicating the link, the location and the source.

Credits

Jacopo Ottaviani is a journalist and developer specialized in data-driven journalism. He contributes to Italian and International media, including The Guardian and Al Jazeera International. Follow him on Twitter: @jackottaviani
This post for ZEIT ONLINE is part of the Innovation in Development Reportingprogramme operated by the European Journalism Centre (EJC). The project development also saw the contribution of Andrea Fama, Cecilia Anesi and Isacco Chiaf.

 

Datenjournalisten aller Länder, vereinigt euch!

Denn es gibt einen reizvollen Preis zu gewinnen, den ersten Data Journalism Award (DJA) ausgerufen vom Global Editors Network, dem European Journalism Center und Google. Insgesamt stehen 45.000 Euro zur Verfügung, die in drei Preiskategorien vergeben werden.

Arbeiten aus dem Bereich des datengetriebenen investigativen Journalismus (Data-driven investigative journalism) werden ebenso ausgezeichnet wie Datenvisualisierungen und datenbasierte Erzählformen (Data visualisation & storytelling) und datengestützte Anwendungen für das Netz und mobile Endgeräte (Data-driven applications (mobile or web)). Projekte können sowohl von Redaktionen und Projektteams, Freelancern als auch von Medienunternehmen und Non-Profit-Organisationen eingereicht werden. Deadline ist der 10. April, 23,59 Uhr. Wichtig ist, dass die eingereichten Projekte zwischen dem 11. April 2011 und dem 10. April 2012 publiziert worden sein müssen. In der Jury sitzt neben Paul Steiger von ProPublica und Peter Barron von Google unter anderem auch Wolfgang Blau, Chefredakteur von Zeit Online.

Alle Projekte müssen übrigens in englischer Sprache verfasst sein oder zumindest mit einer umfangreichen Transkription der Inhalte und einer Übersetzung aller weiteren Elemente (z.B. Benennung von Grafiken oder anderen Visualisierungselementen) versehen werden.

Das sollten jedoch alles keine Hinderungsgründe sein, auch einige der ambitionierten deutschsprachigen Projekte der letzten Monate einzureichen. Deshalb an dieser Stelle auch die Frage an die Leserinnen und Leser von Zeit Online: Welche Projekte halten Sie für preiswürdig? Wir werden einige von ihnen, soweit noch nicht geschehen, hier vorstellen.