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„Was wollen wir von der Digitalisierung?“

digitale denkerin mercedes bunz
Eine digitale Denkerin: Mercedes Bunz (Foto: Thomas Lohr)

Mercedes Bunz bezeichnet sich selbst als „Digital Thinker“. Die Journalistin arbeitete zuletzt beim Guardian in London als Technologieredakteurin. Ein Gespräch über die Rolle von Daten und Suchalgorithmen in unserer Gesellschaft.

Frau Bunz, im Herbst soll Ihr Buch über Algorithmen erscheinen. Worum wird es darin gehen?

Mercedes Bunz: Man sagt ja immer, dass die Digitalisierung so große Auswirkungen hat wie die Industrialisierung. Aber was heißt das? Ich glaube, wenn Industrialisierung und Automatisierung unsere Arbeitsabläufe verändert haben, dann verschieben Digitialisierung und Algorithmen, wie wir mit Wissen umgehen.

Mich interessiert vor allem, dass wir digitalisierten Menschen uns anders orientieren als früher. Dank Google beispielsweise ist eine neue Form von Wahrheit dazugekommen: Nicht mehr der wissenschaftliche Fakt, sondern die ’statistische Wahrheit‘ ist ausschlaggebend. Wenn ich nicht weiß, ob ‚Sauerstoffflasche‘ mit drei F geschrieben wird oder nicht, kann ich es googeln. Für das Ergebnis spielen Algorithmen eine essenzielle Rolle. Es ist nicht mehr nur der authentische Experte, der garantiert, dass etwas wahr ist, sondern eine Vielzahl von Quellen. Erst dank Algorithmen können wir uns über diese eine Übersicht verschaffen.

Was verstehen Sie unter Quelle?

Bunz: Zum Beispiel die Plattform Twitter. Sie ist bei einem Großereignis sehr nützlich. Aus journalistischer Perspektive wird Twitter häufig mit dem Argument angegriffen, es gäbe keine Quelle, man wüsste nicht, was echt ist. Das stimmt, doch dem kann man entgegnen, es ist wie bei einem Chor: Wenn einer falsch singt, ist die Melodie noch immer erkennbar. Twitter ist ein gewaltiger Chor an Stimmen und damit eine Quelle – die man, wie alle Quellen, mit Vorsicht genießen muss.

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Die Open-Data-Feuerwehr

Open Data Feuerwehr Karte
Ausschnitt aus der Einsatzkarte: Das Symbol rechts zeigt den Brandort

Bart van Leeuwen ist seit fünfzehn Jahren Feuerwehrmann in den Niederlanden. Aber er ist auch Programmierer und beschäftigt sich seit Jahren mit Open-Source-Software und mit dem semantischen Web. In Interview spricht van Leeuwen über den Nutzen von Open Data für Rettungskräfte und das Informationssystem „RESC.info„. Das entwickelt er für die Feuerwehr zusammen mit der Gruppe netlabs.org. Obwohl die Leitung der Amsterdamer Feuerwehr kein Interesse zeigt, setzen mittlerweile acht Feuerwehrstationen die Software ein.

Herr van Leeuwen, wie kamen Sie dazu, eine Kartenanwendung für die Amsterdamer Feuerwehr zu entwickeln?

Bart van Leeuwen: Auf der Fahrt zu einem Einsatzort geht es in den wenigen Minuten oft hektisch hinzu. Wir müssen im Fahrzeug mit Funkgeräten, Handys und dem Navigationsgerät hantieren. Aber während über unseren Köpfen die Sirene mit hundertzwanzig Dezibel kreischt, sind beispielsweise die Richtungsanweisungen vom Navi nicht zu hören. Und wir brauchen bereits bevor wie losfahren exakte Angaben über den Ort, zu dem wir müssen.

Einer meiner Kollegen wusste, dass ich programmiere. Er fragte mich vor etwa zwei Jahren, ob ich nicht eine Lösung hätte.

Wie sind sie das Problem dann angegangen?

van Leeuwen: Selbstverständlich habe ich erst einmal versucht, den offiziellen Weg zu gehen und teilte den entsprechenden Stellen mit: Wir brauchen etwas anderes. Nichts passierte. Und so begann ich, die Kartensoftware zu schreiben.

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Eurostats Hackday: „Es braucht Daten, um Politik verstehen zu können“

EU Energy Consumption Member states
Beim Hackday entstand u.a. eine Infografik über den Energieverbrauch in der EU (Link unten)

Jonathan Gray ist eine der treibenden Kräfte in der Open Knowledge Foundation, die in mehreren europäischen Ländern vertreten ist. Im Interview spricht der Philosophiestudent über die Idee des gestrigen Eurostat Hackdays und über das Potenzial offener Daten.

Herr Gray, in der Ankündigung zum Eurostat Hackday war die Rede von „nützlichen und interessanten Dingen“, die mit den statistischen Informationen angefangen werden könnten. Was lässt sich darunter verstehen?

Jonathan Gray: Die Datensätze von Eurostat beinhalten enorm viele Information über die EU-Mitgliedsstaaten – von der Menge Fische, die gefangen werden, bis hin zu der Länge aller Bahnstrecken. Viel Arbeit wurde darauf verwendet, diese Daten der Statistikämter aus ganz Europa vergleichbar zu machen. Für den Normalbürger ist es aber alles andere als einfach, einen Zugang zu den Daten zu finden und sich damit zu beschäftigen. Glücklicherweise sind die Datensätze mehr oder minder „offen“ – jeder kann sie weiternutzen für jeden Zweck, solange die Quelle angegeben wird.

Insofern drehte sich der Eurostat Hackday darum, Dinge anzustellen, die Leuten interessante Einstiegspunkte in eben diese Informationen bieten – sei es Informationen in verständlicher Sprache aufzubereiten, seien es Grafiken oder interaktive Webservices, der Daten nicht nur visuell abbilden, sondern auch erlauben, Fragen zu stellen.

Viele der Daten von Eurostat sind notwendig, um die aktuelle Politik der EU zu verstehen. Beispielsweise haben wir gestern die Energiesparvorgaben für 2020 in den Zusammenhang von bisheriger Nachfrage und Angebot gestellt. Andere haben sich auf Migrationsdaten konzentriert. Weiter„Eurostats Hackday: „Es braucht Daten, um Politik verstehen zu können““

 

Hackathon: „Es geht immer um Partizipation“

hackday website opendata international 2010
Alle sind eingeladen: Banner auf der Website des Hackathons

David Eaves ist einer der Initiatoren des internationalen OpenData Hackathons. Am morgigen Samstag werden weltweit in über 30 Städten von Programmierern und Designern öffentliche Datensätze zugänglicher gemacht und in neue Formen gebracht. Der kanadische Politikwissenschaftler spricht im Interview über die Idee des Hackday und wie die Lage von OpenData in Kanada ist.

Herr Eaves, auf welche Ergebnisse des internationalen Open Data Hackathons hoffen Sie?

David Eaves: Für den Hackathon gibt es zwei Gründe. Der erste ist, Gemeinschaften zu schaffen. Jede Stadt hat OpenData Fürsprecher und Entwickler, die die Gesellschaft verbessern wollen. Der Tag soll sie zusammenbringen. Und zweitens sollen in Städten, in denen noch kein OpenData verfügbar ist, solche Gemeinschaften entstehen.

Ein weiterer Grund ist: Es geht darum, Politiker und Verwaltungsangestellte zu ermutigen, sich anzuschauen, was passiert. Um zu sehen, was weltweit vor sich geht und warum das alles aufregend und ermutigend ist.

Meine Befürchtung ist, dass wir nur zusammenkommen, um miteinander zu sprechen. Doch wir müssen Dinge gestalten. Wenn wir Anwendungen bauen, wird deutlich, was wir wollen. Die Leute werden sehen: Diese Anwendungen sind nützlich, hilfreich und interessant. Davon brauchen wir mehr. So werden wir Regierungen dazu bringen, ihre Datensätze mit uns zu teilen.

Wie kam es zu der Idee des Hackathon?

Eaves: Wir haben zwar eine Art OpenData Szene in Kanada. Doch ist es schwierig, sich oft zu sehen. Es ist ein großes Land – Reisen ist teuer. Dazu kommen die zwei Sprachen. Aber in jeder Stadt gibt es eine kleine OpenData Community und die beginnen sich untereinander auszutauschen. Es gab den Vorschlag, einen gemeinsamen Hackday zu machen; es gab ein wirkliches Bedürfnis danach in Kanada. Und daraus entsprang die Idee, das international zu machen – so kam es schließlich zu dem internationalen Hackday.

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„Es geht bei Daten nicht um Transparenz“

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wheredoesmymoneygo.org schlüsselt den britischen Haushalt auf

Der britische Ökonom Rufus Pollock hat die OpenKnowledge Foundation mit aufgebaut. Zusammen mit Tim Berners-Lee („Erfinder“ des WWW), Nigel Shadbolt (Informatikprofessor) und Tom Steinberg (mySociety.org) sitzt er im Public Sector Transparency Advisory Board der britischen Regierung. Im Interview spricht Pollock über die Motivation der Regierung, ihre Daten zu öffnen und die Arbeit in dem Rat.

Herr Pollock, welchen Einfluss hat das „Advisory Board“ auf die Arbeit der Regierung?

Rufus Pollock: In der OpenKnowlege Foundation arbeiten wir seit 2004 zu OpenData, der Rat selbst wurde vor vier Monaten eingerichtet. Aber ehrlicherweise muss man sagen: Ideen sind billig – die Umsetzung kostet Geld. Und wie viele Ideen gibt es in dem Bereich von OpenData á la „wäre es nicht gut…“?

Vor wem ich also wirklich Respekt habe, ist Francis Maude. Der Minister für Kabinettsangelegenheiten, der den Rat einberufen hat, ist derjenige, der seine Kollegen bearbeiten muss. Es war sicher nicht einfach, die davon zu überzeugen, die Ausgaben aller Ministerien regelmäßig zu veröffentlichen. Wir haben ihn beraten, aber letztendlich muss er diese Ratschläge dann zu etwas formen, das tatsächlich passiert. Und im Hintergrund  arbeiten zahlreiche wahrhaftige Staatsdiener, die Datenverzeichnisse wie data.gov.uk mit viel Engagement möglich machen.

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„Mit Rohdaten allein wird der Bürger nicht glücklich“

Es reicht nicht, Akten zu öffnen, die Daten müssen aufbereitet werden, so das Innenministerium ©Mister Vertilger/photocase.com

Große Begeisterung hat es nicht ausgelöst, das Regierungsprogramm „Vernetzte und sichere Verwaltung„: „Wir wollen bis 2013 eine gemeinsame Strategie für ein offenes Regierungshandeln erarbeiten und umsetzen“, heißt es in dem Papier vom August dieses Jahres (S. 57). Eine visionäre Kraft sei nicht in Sicht, urteilte das Staatsmodernisierungs-Blog government2020.de über den darin enthaltenen Abschnitt zu OpenGovernment und OpenData. Es läge der Verdacht nahe, dass die Bundesregierung der Bewegung hinterherlaufe.

Dazu ein Interview mit Beate Lohmann, Leiterin der Abteilung für Verwaltungsmodernisierung und Verwaltungsorganisation im Bundesministerium des Innern. Ihre Abteilung mit 64 Mitarbeitern hatte die Federführung bei der Ausformulierung des Regierungsprogramms.

Frau Lohmann, in den USA wurde 2009 eine OpenGovernment Direktive per Dekret angeordnet. Hierzulande ist eben erst die Rede von Pilotprojekten bis 2013. Warum?

Beate Lohmann: Sie vergleichen hier unterschiedliche Rechtskulturen miteinander. In Deutschland ist die Situation so, dass sich zunächst die Partner einer Koalition auf eine gemeinsame Linie einigen müssen. Und dann gibt es noch Artikel 65 des Grundgesetzes, der einzelnen Ressorts eine Ressorthoheit zubilligt. Im angloamerikanischen Raum hat die Transparenz der Kommunikation eine ganz andere Tradition.

Ich will nicht sagen, dass die ihren Bürgern mehr „sagen“. Schauen Sie mal, was auf den Seiten der englischen oder amerikanischen OpenData-Kataloge zu finden ist – das sind durchaus Dinge, die es bei uns in vergleichbarer Form auch gibt. Allerdings prüfen wir in Deutschland immer sehr genau, ob es richtig ist oder nicht noch besser geht. Den Gedanken der „Recht- und Zweckmäßigkeit“ verfolgen wir intensiv. Das hat langfristig gesehen Vorteile, aber dadurch verzögert sich ein Vorgang schon einmal.

Angenommen 2012 käme es zu einem Regierungswechsel. Welche Auswirkung hätte das auf die OpenGovernment-Strategie?

Lohmann: Die Haltung dazu könnte sich theoretisch ändern, ich gehe davon aber nicht aus. Dass wir uns an dieser Stelle öffnen, darüber besteht Konsens. Die Frage ist nur, wie man das macht, in welcher Reihenfolge – auf diesem Weg sind natürlich sehr viele Leute mitzunehmen.

Woran machen Sie diesen Konsens fest?

Lohmann: Nehmen wir zum Beispiel die Stuttgart21-Diskussion, die hat den einen oder anderen nachdenklich gemacht. Das sind Prozesse, bei denen man sieht, dass Bürger mehr Rechte einfordern. Das ist nicht unbedingt die Mehrheit, aber es sind Gruppen, die lautstark ihre Meinung kundtun. Wenn man diese Gruppen nicht einbindet, führt das nicht zu einer Beschleunigung von Verfahren, sondern verzögert sie eher.

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Die Herren der Daten

Berlin will Umwelt- und Verkehrsdaten, wie sie solche Mess-Stationen sammeln, öffnen. Bernd Weißbrod/dpa

An welchen Datensätzen der öffentlichen Hand in Berlin haben die Bürger Interesse? Ein Interview mit Wolfgang Both von der Senatsverwaltung für Wirtschaft über die Ergebnisse einer Umfrage und den nötigen Perspektivwechsel in den Behörden in Sachen OpenData.

Gut eintausend Menschen haben an der OpenData-Umfrage des Senats teilgenommen. Hat Sie überrascht, für welche Themen sich die Leute interessieren?

Wolfgang Both: An der Wahl nicht unbedingt, aber an der Einseitigkeit. Ich hatte mir erhofft, dass sich unter den Besuchern von berlin.de möglichst viele beteiligen. Es gab kürzlich eine repräsentative Umfrage nach dem Interesse an OpenData. Eine der Fragen war, ob man die bereitgestellten Datensätze aufbereiten und anderen zur Verfügung stellen würde. In der repräsentativen Umfrage bejahten dies einige wenige Prozent – bei uns rund 60 Prozent.

Wie erklären Sie sich das?

Both: Wenn wir in dieser Frage die zehnfache Zustimmung haben, bedeutet das: Wir bekommen die Antworten aus einer bestimmten Ecke – der internetaffinen „Szene“. Somit ist das nicht repräsentativ. Aber das tut den Themen, die adressiert wurden, keinen Abbruch. Wenn Interesse an Bereichen wie Stadtentwicklung und -planung oder Umweltdaten besteht, denken wir als Verwaltung darüber nach, diese Daten besser aufbereitet zur Verfügung zu stellen, damit ein interessierter Kreis daraus mehr machen kann.

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