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Bundesapps statt Staatstrojaner

Wie steht es eigentlich um die Nutzung offener Daten hierzulande? Nicht so gut, scheint es. Zumindest kann Eindruck gewinnen, wer man in den vergangenen Tagen die Stellungnahmen zahlreicher deutscher Open-Data-Experten las. Datenjournalist Lorenz Matzat, Vorgänger hier im Data Blog, warnte unlängst vor einer traurigen Zukunft. Zumindest zitierte er in einem Artikel Ende Oktober Chris Taggarts Vortrag auf dem Open Government Data Camp in Warschau. Der unzweideutige Titel: How the Open Data Community Died.

Auch Christiane Schulzki-Haddouti fragte kürzlich im ZDF Hyperland-Blog, ob Deutschland nicht längst alle Chancen verspielt hat, die Dynamik der Open-Data-Bewegung zu nutzen, beziehungsweise in klare Angebote für eine breite Nutzerschaft umzusetzen.

Vielleicht bietet der am Dienstag gestartete Wettbewerb Apps für Deutschland einen Lichtblick. Initiiert vom Open Data Network e.V. sowie der Open Knowledge Foundation und unter der Schirmherrschaft des Bundesinnenministeriums werden ab sofort Open-Data-Anwendungen gesucht.

Behörden in Deutschland erheben, speichern und verarbeiten viele interessante Daten. Dazu gehören Wetterdaten ebenso wie Informationen über die Luftqualität oder über die Verwendung der Steuergelder. Diese Daten sind von öffentlichem Interesse und bergen ein großes Potenzial für unsere Gesellschaft, weil sie Transparenz, Beteiligung, Innovationen und neue Dienstleistungen fördern.

Mit dem Wettbewerb „Apps für Deutschland“ laden wir Designer, Entwickler, Journalisten, Forscher und die breite Öffentlichkeit ein, Anwendungen zu schaffen, um diese Daten nutzbar zu machen.

Die Seite www.opendata-showroom.org liefert dazu die passenden Beispiele, um freie Programmierer und Open-Data-Aktivisten zu inspirieren. Natürlich ließ erste Kritik nicht lange auf sich warten. Allein der Titel Apps4Deutschland sei missverständlich, da Apps häufig eben nicht für Offenheit, sondern für geschlossene Systeme stehen würden.

In der Jury sitzen neben zahlreichen Wissenschaftlern und Repräsentanten der Initiatoren unter anderem auch Vertreter des Bitkom und der Wikimedia. Einsendeschluss für Ideen und Daten ist der 15. Dezemmber 2011, für Anwendungen der 1. Februar 2012.

Als Preise winken übrigens Geldprämien zwischen 500 und 4.000 Euro. Leider deutlich zu wenig, um starke Teams zu motivieren. Hoffentlich dokumentieren diese vielleicht für einzelne Entwickler ansprechenden, aber für ambitionierte Mannnschaften zu geringen Honorarere nicht den Versuch, das Thema Open Data mit Hilfe einer schmalbrüstigen Umarmugsstrategie bewusst klein zu halten. Aber immerhin, es gibt ihn, den bundesweiten Open-Data-Wettbewerb.

 

Grassroots in Wuppertal – Offene Verwaltungen auf Landes- und Kommunalebene

In Sachen Open Data gibt es mittlerweile einige spannende Projekte in Deutschland. Zuletzt ging das Open Data Portal Berlin an den Start. Aber wie steht es eigentlich um die Umsetzung der ambitionierten Open-Government-Ideen der vergangenen Jahre? Gerade auf Landes- und Kommunalebene? Am Samstag, 12. November 2011, findet dazu in Wuppertal-Barmen eine regionale Tagung statt. Offene Verwaltung, Open Data, Bürgerbeteiligung und Bürgerhaushalt sind die Themen.

Dass die Veranstaltung in NRW und dort in Wuppertal realisiert wird, ist kein Zufall. Die rot-grüne Minderheitsregierung hat Open Government explizit zu einem ihrer wichtigsten Themen in Sachen Transparenz und digitale Demokratie gemacht. Das Kompetenznetz Bürgerhaushalt in Wuppertal fordert zudem seit Längerem eine aktivere Einbindung der Bürger in kommunale Haushaltsfragen. Hier noch Details aus der Einladung: Weiter„Grassroots in Wuppertal – Offene Verwaltungen auf Landes- und Kommunalebene“

 

Das Ende der Theorie: Data Driven History

Unter dem großspurigen Titel The End of Theory erklärte Wired-Herausgeber Chris Anderson vor einigen Jahren theoretische Konzepte kurzerhand für überflüssig. Die neuen, nun verfügbaren Datenmengen würden induktive Data-Mining-Verfahren ermöglichen, die nichts anderes wären als die Zukunft wissenschaftlicher Methodologie. Und zwar die einzige. Big Data, das Finden von Mustern in großen Datenbeständen, sei der „direkte Weg zur Wahrheit“.

Bislang ist Andersons Prognose nicht eingetreten, da auch große Datenmengen Modelle brauchen, mit deren Hilfe sie durchsucht werden können. Und da auch bei ihnen bewährte statistische Konstrukte nicht vernachlässigt werden dürfen. So schrieb beispielsweise die Ethnologin Danah Boyd, große Datensätze führten zu falschen Beobachtungen, würden Qualitätskriterien wie die Repräsentativität der Daten missachtet. Zitat: „Bigger Data are Not Always Better Data.“

Trotzdem blieb „Big Data“ in den Naturwissenschaften nicht ohne Wirkung, die Möglichkeiten sind zu faszinierend. Nun hat dieser Gedanke auch die Geisteswissenschaften erreicht. Die rechnerbasierte Verarbeitung großer Datensätze könne revolutionäres Potenzial besitzen, glauben erste Wissenschaftler. Auf der Tagung .hist 2011 – Geschichte im digitalen Wandel hielt der Medienwissenschaftler Theo Röhle von der Universität Paderborn dazu einen anschaulichen Vortrag.

Das Erstaunliche daran: Die Debatte ist alt. In den USA gab es bereits in den 1950er Jahren eine lebhafte Diskussion darum, wie wichtig die Quantifizierung auch in der Geschichtswissenschaft ist. Das Internet nun scheint die klassische Theoriebildung der Historiker auf eine neue Grundlage zu stellen. Beispielsweise durch die Analyse von Worthäufigkeiten in Tageszeitungen. „Data Driven History“ nennt es Röhler und hofft, damit nicht nur über die Moderne mehr zu erfahren, sondern beispielsweise auch über das Mittelalter. Immerhin sind viele Quellen inzwischen in digitaler Form vorhanden.

 

Im OpenData-Neandertal

Das Jahr 2010 war ein wichtiges für die Idee der OpenData. Weltweit hat sie inzwischen Karriere gemacht; selbst in der weiter mit dem Internet fremdelnden deutschen Politik und der ihr angegliederten Verwaltung hat sich das Thema niedergeschlagen. Deutlich wurde in diesem Jahr aber auch, dass der Weg noch weit ist, bis das Konzept frei zugänglicher Daten Wirkungsmacht entfalten, bis es die Gesellschaft ändern wird. Ein Kommentar.

OpenData erhält derzeit viele Vorschusslorbeeren. Dem Thema wird Platz eingeräumt, ihm wird Interesse entgegengebracht, es werden Hoffnungen für die politische Zukunft daran geknüpft. Dazu gesellen sich Erwartungen, solche Daten künftig auch wirtschaftlich verwerten zu können.

Die Zivilgesellschaft beispielsweise unterstützt OpenData aus einem radikalliberalen Bürgerrechtsgedanken heraus. Auch wenn noch umstritten ist, wie weit die darin enthaltene Transparenz gehen darf, wie die Vorgänge um die Wikileaks zeigen.

Bislang jedoch fehlt eine entscheidende Komponente, um OpenData als taugliches Konzept zu etablieren: Es gibt keine „Killer App“, keine originäre OpenData-Anwendung, die ohne Firlefanz zeigt, was in der Idee steckt. Großartige Projekte wie OffenerHaushalt und das jüngst erschienene britische OpenCorporates bergen Potenzial, um Zusammenhänge zu verstehen und zu durchdringen. Doch sind sie im Alltag des Jedermann kaum von Nutzen. Vielleicht sehen wir derzeit nur den Anfang dessen, was mit OpenData einst möglich sein wird.

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In München kommt die Demokratie in Fluss

Liquid Democracy in München
Ausschnitt der Beteiligungswebsite der Stadt München

In München startet das bislang größte Experiment in Sachen OpenGovernment in Deutschland: Seit dem heutigen Mittwoch können sich Bürgerinnen und Bürger dazu äußern, welche Online-Dienste sie von der Stadt erwarten und welche Form von politischer Beteiligung sie sich wünschen. Zudem wird gefragt, welche nützlichen Anwendungen aus dem „Datenfundus“ der Stadt erstellt werden könnten.

In der bayrischen Landeshauptstadt läuft das Ganze unter dem Motto „Münchner Open Government Day“ – MOGDy. Ende Januar 2011 sollen auf einer zweitägigen Veranstaltung – einem „Open Government Camp“ – die Vorschläge und Anregungen ausgewertet werden. Unterstützt wird die Stadt vom OpenData Network sowie dem Liquid Democracy e.V.Weiter„In München kommt die Demokratie in Fluss“

 

Irak-Protokolle: Zähmung einer Datenflut

Warlogs Irak NYT Karten
Karten der Toten in Bagdad pro Jahr - New York Times

Was für eine Herausforderung: Knapp 400.000 Datensätze waren sinnvoll aufzubereiten. Vier bedeutende Medien – Spiegel, Guardian, New York Times und Al Jazeera  – haben in der Nacht auf Samstag die Ergebnisse ihrer Heransgehensweise bei der Zähmung der Datenflut präsentiert. Ergänzend dazu bietet Wikileaks selber ein Recherchewerkzeug für die Irak Protokolle an; die Organisation verweist darüberhinaus noch auf eine Plattform für kolleborative Recherche. Im Folgenden eine Übersicht der Umsetzungen.

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