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Die Wurst kommt mit dem Bus

 

Das nette An-die-Hand-nehmen des Ostens nach der Wende klappte ganz besonders gut beim Verkehr. Damit es mit der Mobilität dort genauso schick lief wie im Westen, gab (und gibt) es die „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“, die für tausende Kilometer Autobahn, Brücken, Tunnel, Kanäle, Oberleitungen, Landebahnen und vieles mehr sorgten. Und dann rollte es in der Tat im Osten. Besonders gut aber klappte über die neuen Wege die Abreise und die Durchfahrt. Konjunktur hatte der Transit.

Fortschritt durch Bewegung, schien ein gutes Motto, es war so passend und logisch als Entwicklungserzeuger. Diese Transport-Idee geisterte nicht nur über die Reißbretter und in die Ausschüsse der Entscheider, hinter die Lenkräder der Planierraupen und auf die Bitumen-Laster, nein, sie nahm auch die Sprache ein: Bewegung musste in jedes Konzept, jede Verkaufsparole und jede Veränderungseinschätzung: Der Osten musste voran kommen, sollte es schaffen, boomen, sich endlich bewegen und im besten Fall gar Fahrt aufnehmen.

Dass diese ganze Bewegerei nicht so richtig wunschgemäß verlief, merkte man ebenfalls an der Sprache, weil der Motor anfing zu stottern und die Fahrt langsamer wurde und irgendwie gar keine richtige Fahrt mehr da war, vielerorts Stillstand herrschte und so mancher Ostler, manche Ostfirma, manche Ostgemeinde oder gar ostregionale Partei ins Schlepptau oder gar an die Hand genommen werden musste.

Fortschritt also ist Transport. Wenn es beim Transport hakt, kommen Experten ins Spiel. Alljährlich halten die Transport-Experten in Leipzig im Mai eine Diskussionsrunde ab, das Internationale Transport Forum. Die Runde trifft sich aber auch sonst im Jahr und zwar gerade in diesen Tagen in London, wo es diesmal um – natürlich – die Infrastrukturentwicklung geht. Zuletzt in Leipzig lautete das Thema: „Nahtloser Verkehr, Verknüpfungen schaffen„.

Hier ein kleines Schmäckerchen aus dem Mottoblättchen der letzten Konferenz:

„Die Struktur unserer Verkehrssysteme mit modalen Transfers, Übergängen, unterschiedlichen Eigentumsstrukturen, internationalen Grenzen sowie Risiken für die Sicherheit macht die Überwindung der in unserem Verkehrssystem bestehenden Reibungen zur permanenten Herausforderung.“

Nun könnte man sagen: jaja, hohle Worte. Aber kaum zurück von der Konferenz haben die Lokalpolitiker in Brandenburg reagiert. In der Uckermark gibt es jetzt den „modalen Transfer“, jedenfalls hört sich das Folgende so an: „Jungfernfahrt für den Kombi-Bus„. Die Idee dabei: Die in nur sehr entfernten Zeitabständen fahrenden Busse der Linien zwischen Brandenburgs Kleinstädten, Dörfern und Siedlungen sollen durch zusätzliche Aufgaben kostengünstiger im Betrieb werden und die so erledigten Transport-Aufgaben sollen den Leuten das Leben in den weniger urbanen Gebieten erleichtern. Nicht nur die Oma und Nachbars Gören nehmen nun den Überlandbus, sondern ab sofort steht auch der Fleischer da oder wird angehupt, damit er seine Wildkoteletts – sagen wir von Kummerow – in die Gaststätte im Nachbarort – sagen wir in Passow – mit dem Bus schicken kann.

Fortschritt durch Bewegung also auch heute, die Zukunft kommt mit dem Bus. Genau wie die Wurst.