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Die Menschen gehen und die Wölfe kommen

 

Der Mitteldeutsche Rundfunk hat in seiner Fernsehsendung „Fakt ist…!“ am 3. Dezember ein Thema aufgegriffen, dass den Menschen im Osten auf den Nägeln brennt. „Wie viel Wolf verträgt das Land?“, fragte der Sender im Fernsehen und ergänzt auf seiner Website noch durch ein Voting zur Frage: Gehört der Wolf nach Deutschland?

Die Sendung ist keine Satire, sondern ernst gemeint. Denn in der Lausitz, also in Sachsen und Brandenburg, und angrenzenden Regionen haben sich in den vergangenen Jahren einige Wölfe angesiedelt und sorgen seither für Verunsicherung – besonders bei den einheimischen Schafherden und deren Besitzern. Verfolgt man die öffentliche Debatte über die Gefahr aus dem Osten – die Tiere sind vor allem aus Osteuropa eingewandert -, möchte man meinen, dass ganze Hundertschaften der bösen Räuber die entvölkerten ostdeutschen Lande heimsuchen. „Wenn die Wölfe wüssten, was alles in sie hineininterpretiert wird, müssten sie alle zum Psychiater“, zitiert der MDR die Wolfsforscherin Ilka Reinhardt. Diese Aussage wirkt dann doch irgendwie beruhigend. Denn so viele Isegrimms sind es nun doch nicht, die sich bei uns niedergelassen haben. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) nennt die Zahl von 71 Tieren. Die meisten davon leben in Sachsen und Brandenburg, einige aber auch in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Doch die Berichte über die Wölfe lenken den Blick auf ein Problem: Der Osten verwildert. Zahlreich sind die Klagen über Waschbärenplagen zum Beispiel in Thüringen, wo die possierlichen Tiere ungeniert Mülltonnen leeren und sich in Kleingärten herumtreiben. Und als wäre das nicht schon Plage genug, war vor einiger Zeit aus Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg Irritierendes zu vernehmen. Die Stadtverwaltung plante, im Stadtgebiet Wildschweine zu jagen. Das war kein Witz, sondern bitterer Ernst, denn die Tiere spazieren, glaubt man den Berichten, recht fröhlich durch einige Stadtviertel. Auch aus anderen Städten wie etwa Berlin hört man von Problemen, die allzu forsche Wildschwein-Familien bei ihren Vorstößen ins urbane Revier den dort lebenden Menschen gelegentlich bereiten. Von den Elchen, die fröhlich die Autobahn überqueren und schlimme Verkehrsunfälle verursachen, ganz zu schweigen.

Angesichts dieser Meldungen gewinnen die an sich schon alarmierenden Studien über die Abwanderung von Menschen aus Ostdeutschland eine neue Dimension. Die Menschen ziehen weg und die Wölfe, Waschbären, Wildschweine und Elche kommen. Das ist beängstigend. Da kann man wirklich nur an die Abgewanderten appellieren: Kommt zurück und rettet den Osten vor den wilden Tieren. Sonst steht Ihr eines Tages vor Omas altem Garten und blickt hinter dem Zaun in die grauen, kalten Augen eines Wolfs, der die Zähne bleckt und knurrt: „Verschwinde, das ist jetzt mein Revier.“