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„Schwaben, geht zurück nach Berlin“

 

Da hat sich Wolfgang Thierse mit seiner Bemerkung über die Schwaben im Prenzlauer Berg ja was eingehandelt. Ein paar Tausend Hassmails hat er als Reaktion auf seine Aussage in einem Zeitungsinterview bekommen, dass er sich darüber ärgere, beim Bäcker in seinem Kiez keine (Berliner) Schrippen mehr zu bekommen, sondern nur (schwäbische) Wecken.

Die Beschimpfungen Thierses als Spießer, Rassist oder Arschloch lasse ich hier mal unkommentiert. Mich würde nur mal interessieren, woher diese Mails kamen. Vermutlich überwiegend aus Baden-Württemberg, denn dort hat sich offenbar so eine Art Gegenbewegung geformt. Das ging zunächst auf politischer Ebene los. So ließ sich die FDP-Chefin im Ländle, Birgit Homburger, von der Welt mit dem Satz zitieren: „Wer 60 Jahre in den Länderfinanzausgleich eingezahlt hat, darf Backwaren in ganz Deutschland nennen, wie er will.“ Einen ähnlichen Hinweis gab der frühere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Günther Oettinger (CDU), der die Berliner darüber belehrte, ihre Lebensqualität den Zahlungen aus Süddeutschland zu verdanken. Und Grünen-Chef Cem Özdemir empfahl den Berlinern aus eben diesem Grund etwas mehr Dankbarkeit.

Da haben sie ja die ganz dicke Gutsherren-Keule ausgepackt, die Damen und Herren aus dem Ländle – nach dem Motto: Wer die Musik bezahlt, bestimmt auch, was gespielt wird. Neben der politischen Ebene hat sich mittlerweile so etwas wie eine Guerilla-Bewegung formiert, die mit einem Spätzle-Anschlag auf das Käthe-Kollwitz-Denkmal bei Thierse um die Ecke auf sich aufmerksam gemacht hat. Das wiederum hat die im Osten Berlins tobende Debatte über die Gentrifizierung befeuert, zu der Thierses Schrippen-Weckle-Vergleich ja eigentlich gehört.

Andernorts schaut man jedenfalls mit belustigtem Interesse auf den in Berlin tobenden Streit – und nutzt ihn gleichzeitig als Abrechnung für ganz eigene Verletzungen, die man von großspurigen Westdeutschen und Berlinern so zugefügt bekommen hat – wie dieses Foto aus Leipzig zeigt.

Anti-Schwaben-Graffiti am Leipziger Hauptbahnhof
„Begrüßung“ am Hauptbahnhof in Leipzig

Aber bei all dem wollen wir den Humor nicht verlieren. Egal, ob die Dinger nun Weckle, Schrippe oder Brötchen heißen – Hauptsache, sie schmecken. Ich esse übrigens am liebsten die sogenannten Ost-Brötchen, die es im Tante-Emma-Laden bei mir um die Ecke gibt. Was es damit auf sich hat, erläutere ich demnächst.