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Vielleicht hat der Opa doch recht

 

Nichts ist nostalgischer als die Geschichte der Bahn: Früher war alles besser und schneller, als die Dinger (gerne auch „Dampfrosse“ genannt) noch pfiffen und im Bahnhof sich eine Dampfwolke ausbreitete, als der Schaffner noch nett war und als die 1. Klasse noch erste Klasse war…

Wenn zu diesem Eisenbahnerfieber noch die Ost-Nostalgie kommt, trägt jeder Buchstabe der vorgetragenen Anekdoten eine Träne und am Ende ist alles feucht. Eine historische Spezialerscheinung, die nicht so richtig zur Bahn gehört, aber genauso tränendrüsenhafte Berichte erzeugt ist er O-Bus, der Oberleitungsbus, der Trolley. Noch immer verfügen Russland und die Nachfolgestädte der Sowjetunion über die größten O-Bus-Netze. Zwar gab es den O-Bus auch im Westen, aber nicht lange genug, um für diese Opa-Enkel-Geschichen sorgen zu können: „Früher, als hier noch der O-Bus fuhr, da war ich immer pünktlich beim Arzt und so lange warten musste ich auch nicht….“

Übrig aus der guten alten O-Bus-Zeit sind im Westen immerhin noch zwei Netze: Esslingen und Solingen und im Osten zwei Linien im Städtchen Eberswalde. Im Westen schafften die Städte die O-Bus-Netze meist in den 50 und 60er Jahren ab, im Osten in den 70ern, je knapp eine Handvoll Städte blieben bis zur Wende, wurden dann aber auch abgeschaltet.

Jetzt ist er wieder da, der O-Bus. Wirklich? Jedenfalls meldet das die Märkische Oderzeitung (MOZ) und die hat es von einer, sagen wir Lobbygruppe: „Mit Unterstützung der Barnimer Busgesellschaft in Eberswalde will die Initiative Trolleymotion mit Sitz in der Schweiz elektrisch betriebene Stadtbussysteme näher in den Fokus des öffentlichen Nahverkehrs rücken.“ Es wäre natürlich schön, wenn Trolleymotion recht hätte, insbesondere wegen der Abgase und der Geräusche, aber die Geschichte theoretisch überzeugender Verkehrskonzepte lässt Skepsis aufkommen. Der größte Revival-Traum war dabei der Zeppelin, der in Brandenburg gebaut werden sollte und die Straßenverschickung riesiger Güter weitgehend überflüssig machen sollte. Heute ist das Unternehmen, damals immerhin börsennotiert und seinerzeit ein so genannter Neuer-Markt-Tipp, nicht mehr da. In der von einem malaysischen Investor betriebenen fünf-Millionen-Kubik-Meter-Halle planschen nun Kinder in Wasserbecken.

Die MOZ jedenfalls hat mit Trolleymotion gesprochen sowie Wortmeldungen vom Bremer Senat, von einem Verkehrsberatungsunternehmen in Leipzig und von den letzten ostdeutschen O-Bus-Mohikanern in Eberswalde eingesammelt. In diesen Wortmeldungen klingt Zuversicht, Überzeugung und Fachwissen. Dann kommt auch noch ein Professor zu Wort und am Ende des MOZ-Beitrags ist klar: Nichts geht mehr ohne O-Bus.

Was also könnte den O-Bus nun noch aufhalten? – Na klar, sein wenig freiheitliches Image. Er steckt an einer Oberleitung (kann also nicht ausbrechen und on the road gehen) und außerdem sieht der O-Bus reichlich russisch aus. Für die meisten aber entscheidend ist vielleicht auch: Der O-Bus hört sich motormäßig irgendwie nicht an, er klingt einfach nicht.