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Und welcher Dschihad ist jetzt der richtige?

Der Bruderkrieg, der zwischen den in Syrien aktiven Dschihadisten-Gruppen tobt, verunsichert zusehends auch die aus dem Westen in das Land gereisten Kämpfer. Sollen sie sich der vom Irak aus geführten Gruppe „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ (Isis) anschließen, die mittlerweile ihre Bande zur Al-Kaida-Zentrale mehr oder weniger gekappt hat? Oder sind die Kämpfer von Dschabhat al-Nusra (JN), der „Unterstützerfront“, einer syrisch dominierten Dschihadisten-Gruppe auf der richtigen Seite?

Die Verwirrung kommt nicht zuletzt daher, dass sowohl Isis als auch JN aus dem Al-Kaida-Universum stammen – seit Monaten aber bereits vor allem gegeneinander kämpfen. Schlichtungsversuche der Al-Kaida-Zentrale verfingen nicht, Befehle von dort wurden von Isis ignoriert. Der Streit entzündete sich zunächst an der Frage, wer die wahre Al-Kaida-Vertretung in Syrien sei, später dann an ideologischen Fragen – so wirft JN dem Isis vor, keine eigentlich syrische Agenda zu haben, sondern das Land bloß als eine Art Startbahn für eine internationale Tagesordnung zu nutzen.

Für akademische Experten und Geheimdienstanalysten ist es schwer genug, da den Überblick zu behalten. Den Kämpfern vor Ort geht es teilweise aber nicht anders. Kürzlich schrieb ein wohl aus England stammender Gotteskrieger im Dienste des Isis: „JN in Rakka hat uns beschossen, JN in Badia schenkte uns ein Auto mit Maschinengewehr. Verwirrend? Aber hallo!“

„Viele Geschwister sind verunsichert“

Nun zeigt sich die Spaltung des dschihadistischen Lagers auch in Meldungen deutscher Freiwilliger in Syrien. „Viele Geschwister sind verunsichert und wissen nicht, wem sie glauben sollen, da selbst viele Gelehrte gegen Dawla (Isis, YM) reden. Ich gebe euch eine Nasiha (einen Rat, YM), die ein Schari‘ (Rechtsgelehrter, YM) von Dawla sagte als Nasiha an Brüder, die noch keine Bai’a (Treue-Eid, YM) gegeben haben und nicht wussten, mit wem sie kämpfen sollen: ‚Schaut welche Brüder von den Kuffar (Ungläubigen, YM) … am meisten bekämpft wird. Der folgt ihr.'“ Danach hätten alle dem Isis die Treue geschworen.

Interessant, diese Betonung auf die Bai’a. Aber tatsächlich gilt der Treue-Eid, einmal geleistet, in der dschihadistischen Ideologie als nahezu unlösbar; er verpflichtet außerdem zum Gehorsam. Den „Brüdern“, welche die Bai’a schon geleistet hatten, stand also keine Wahl mehr offen …

Am Donnerstag dann verbreitete eine Propaganda-Seite des Isis ein interessantes Video eines deutschen Kämpfers. Der junge Mann nennt sich Abu Mudschahid al-Muhadschir, seinen Dialekt würde ich für rheinisch gefärbt halten. Er erklärt in dem Acht-Minuten-Film, dass er ausgewandert sei, weil er fand, dass man als Muslim in Deutschland nicht leben könne – ein bekannter Topos. In Syrien habe er sich dann JN angeschlossen, weil er einen weiteren Deutschen getroffen habe, der dort Mitglied war. „Ich habe gedacht, Al-Kaida, das ist schon der richtige Manhadsch (Methodologie, YM).“

Viel „Unfug“ und „Unislamisches“

Aber nach einigen Monaten habe er gemerkt, bei JN werde „viel Unfug geredet“ und „Unislamisches“ praktiziert. Vor allem über den Isis sei viel „gelogen“ worden. Als er aufgefordert wurde, gegen Isis-Kämpfer zu kämpfen, habe er sich geweigert. Danach habe man ihn nicht mehr informiert, ihn isoliert. Er habe sich nicht mehr wohl gefühlt. Seine folgenden Recherchen über Isis hätten ihn dann dazu bewegt, dort anzuheuern. Er sei nun „ein stolzes Mitglied“ dort und habe Abu Bakr al-Baghdadi, dem Isis-Chef, seine Treue geschworen.

Insgesamt halten sich vermutlich mehr als 300 aus Deutschland stammende Islamisten in Syrien auf. Wie viele wirklich kämpfen, ist nicht bekannt, aber ihre Anzahl steigt augenscheinlich. Wer sich durch dschihadistische Internetseiten pflügt, findet auch immer mehr, die sich offen zum Isis bekennen – der denkbar brutalsten und ideologisch kompromisslosesten Gruppe im syrischen Bürgerkrieg, die nicht nur terroristische Methoden einsetzt, sondern auch Zivilisten zum Tode verurteilt, wenn sie sich vermeintlich unislamisch verhalten, Kinder eingeschlossen.

Wie stark Isis im Verhältnis zu den anderen Gruppen ist, die sich mit JN zusammengeschlossen haben, lässt sich nur schwer sagen, es ist je nach Region ganz unterschiedlich, aber ändert sich auch ständig. Wochenlang sah es danach aus, als werde der Isis an den Rand gedrängt; zuletzt schienen die Terroristen wieder etwas an Boden zu gewinnen.

Den Syrern kann es egal sein

Für Al-Kaidas Zentrale ist all das natürlich ein Debakel – erst sah es aus, als könne die Organisation aus dem syrischen Blutbad Profit ziehen, jetzt ist sie de facto gespalten. Vom Kampf gegen das syrische Regime wurde zwar immer noch viel geredet bei JN und Isis – aber ein guter Teil der Zeit und Ressourcen werden in den Bruderkampf gesteckt.

Den Syrern hilft all das aber noch viel weniger – nämlich schlicht und ergreifend gar nicht.

 

Antisemitische Kommentare bei „Politically Incorrect“

Das notorisch islamfeindliche Internetforum „Politically incorrect“ (PI) brüstet sich ja stets damit, dass es sich gegen den Mainstream stelle und gewissermaßen eine der wenigen verbliebenen wahrhaft liberalen Debattenplattformen sei. Das ist natürlich einerseits Quatsch, weil PI seine eigene Spielart der Political Correctness zu etablieren versucht („pro-amerikanisch; pro-israelisch; Grundgesetz und Menschenrechte; gegen die Islamisierung Europas“).

Andererseits ist es aber erschütternd wahr. Denn während in den „Leitlinien“ für Besucher steht, und zwar unter §1, dass „Kommentare, die mit fäkalsprachlichen, blasphemischen, antisemitischen oder vulgären Ausdrücken durchsetzt sind… von uns nicht akzeptiert“ werden, sind die Administratoren des Forums anscheinend deutlich besser darin, Fäkalsprache zu unterbinden als Antisemitismus.

Letzte Woche gab es wieder einen Anlass, der geeignet war, zu verdeutlich, was für Leser PI (auch) anzieht. Der Chef der von PI wohlwollend begleiteten „Alternative für Deutschland“ (AfD), Bernd Lucke, war zuvor aus einem Interview mit Michel Friedman herausgelaufen, weil er mit dessen aggressiven Nachfragen nicht zufrieden war. Es ging um ein – möglicherweise nicht korrekt wiedergegebenes – Zitat einer Parteikollegin von Lucke, von dem Friedman wissen wollte, ob es nicht rassistisch sei.

Luckes Walk-Out wurde von vielen PI-Kommentatoren gelobt. Mindestens eben so viele kritisierten Friedmann. Das ist natürlich jedermanns gutes Recht.

Eine andere Sache aber ist es, wenn diese Kritik mit eindeutigem oder subtilem Antisemitismus einhergeht. Die wenigsten der 183 Kommentare (Stand Dienstag) fallen in diese Kategorie; die folgenden, die seit Tagen ungelöscht auf der Seite von PI stehen, aber durchaus.

„Friedmann gilt seit Jahren durchaus auch in jüdischen Gremien als eine schillernde Figur, die der jüdischen Gemeinde schadet. Es ist die linksgrün gestrickte Medienwelt, die solchen Leuten eine Bühne gibt, indem sie, wie auch in diesem Falle, sich diverser ‚Vorzeigejuden‘ bedient…“

„Friedmann kann für Antisemitismus verantwortlich gemacht werden. Dieser schlieige, pomadisierte und Sonnenbank verunzierte falsche Moralapostel ist das Unerträglichste, was das Fernsehen zu bieten hat. Es darf nicht verwundern, dass diese billige Kreatur dem Ansehen des Jüdischen Volk schadet.“

„Was motiviert Friedmann?
Geld?
Jedenfalls sind linksgrüne Juden eher selten!“

„Friedmann schadet dem jüdischen Volk enorm. Viele Deusche, die eh schon vorbelastet sond, denken, wenn sie den Gockel sehen: ‚Das sind also die Juden! So eklig schmierig, betrügerisch und gemein. Schade, daß es keinen Hitler mehr gibt…‘ Dass viele Juden anständige Leute sind, die keinen neppen und schleppen, sehen die Zuschauer nicht. Nur den blöden Friedmann, der mit seiner Hakennase und seinem Benehmen das Klischee des typischen Hitlerjuden voll bestätigt…“

„Außerdem nimmt (er) sich unter dem Schutzschild des ‚Ich-darf-das-ich-bin-Jude‘-Nimbus allerleri Provokationen und zwischenmenschliche Regelverstöße heraus.“

„Schon Jesus von Nazareth wirde von hochnäsigen Pharisäern auf ähnlich hinterfotzige Art und Weise in die Falle gelockt, nur um ihn an den Henker Pontius Pilatus auszuliefern. Friedmann wendet die gleiche hinterfotzige psychologische Technikan wie vor 2000 Jahren. … Der Teufel Göbbels war auch ein seeeeeeeeer intelligenter Menschen, so glaubten damals die Menschen. Ich möchte Friedmann nicht mit Göbbels vergleichen, aber beide wenden die gleichen psychologischen Tricks an.“

„Nee, Friedmann ist sicher kein ‚Vorzeigejude‘ – außer vielleicht für Antisemiten. Er ist arrogant, schleimig, hinterähltig und verkörpert alles, was die Nazis und andere Antisemiten den Juden vorgeworfen haben bzw. immer noch vorwerfen. Mit so einem Typen im Rampenlicht tut sich die jüdische Gemeinde keinen Gefallen…“

Hier sind die klassischen, antisemitischen Klischess versammelt: Der Jude ist selbst schuld am Antisemititmus; er ist seine eigene Karrikatur; er ist schlimmer als die Nazis (oder wenigstens genau so schlimm); er nutzt den Holocaust für seine Zwecke; er ist geldgierig; etc.

Es ist keine Neugikeit, dass sich solcherlei Gestalten ihre Tage bei PI verkürzen. Ich finde es trotzdem wichtig, ab und zu mal zu dokumentieren, was sich unter dem Deckmantel der angeblich wahrhaften Liberalität so Bahn bricht.