Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Vier arabische Staaten verbieten John-le-Carré-Verfilmung

 

John le Carré hat sich Zeit gelassen, bevor er, der Großmeister des Geheimdienst-Romans, auf die Anschläge des 11. September 2001 und den anschließenden US-geführten war on terror literarisch reagierte: Erst 2008 erschien sein Thriller A Most Wanted Man, auf Deutsch Marionetten, in dem le Carré schildert, wie ein vermeintlicher tschetschenischer Terrorverdächtiger in Hamburg anlandet und von US-Geheimdienstlern gekidnappt wird, Ausgang offen. Es ist ein Buch, das die dunklen Seiten dieses Krieges gegen den Terror auslotet, und aus dem die Sorge um die Menschenrechte, letztlich die Sorge um die kollektive Vernunft des Westens spricht. Im vergangenen Jahr erschien der Kinofilm zum Buch, Philip Seymour Hoffman und Willem Dafoe zählten zu den Darstellern.

Nun haben innerhalb von drei Wochen vier arabische Staaten den Film verboten. Die Zensoren von Katar, Oman, Ägypten und Jordanien haben das jeweils sehr ähnlich begründet. Das originale Englisch ist etwas holprig, die Übersetzung habe ich deshalb leicht geglättet:

„Der Film geht über die Religion des Islams und Muslime als Quelle des Terrorismus, und die Ereignisse erfordern die Verfolgung eines jeden Muslims, (…) um seine Beziehung zum Verbrechen und zu terroristischen Aktivitäten zu untersuchen“, heißt es aus der Zensurbehörde Ägyptens.

Jordaniens Zensor meint: „Der Film wird konfisziert, weil sein Inhalt behauptet, dass der Islam eine Quelle des Terrorismus sei und Muslime terroristische Aktivitäten unterstützen.“

Katar begründet das Verbot wie folgt: „Der Film wird nicht erlaubt, weil islamische Gemeinschaften im Westen des Terrorismus und des Radikalismus beschuldigt werden, sowie wegen einiger Sexszenen.“

Oman schließlich findet: „Der Film darf im Land nicht gezeigt werden, weil er Szenen enthält, die im Gegensatz zur islamischen Religion und der Beziehung zwischen Islam und Terrorismus stehen.“

Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Zensoren den Film entweder nicht verstanden haben oder nicht verstehen wollten. Der Film untersucht, ebenso wie das Buch, die Schwierigkeit, zwischen Verdacht und Unschuldsvermutung zu unterscheiden; er geht der Frage nach, ob es denkbar ist, dass jemand gut und zugleich, in einem verborgenen Winkel seines Herzens, nicht ganz so gut ist. Und was das bedeutet. Er kritisiert Sicherheitsbehörden für ihre oft simplizistische Sicht.

Wenn die Zensoren in diesen Staaten nur Filme erlauben wollen, in denen Muslime die Menschenrechte verteidigen und Frieden stiften, ist das nach ihrer Rechtslage möglich; klug ist es nicht. Niemandem im Nahen Osten muss man erklären, wie das Spannungsfeld zwischen friedlichen Muslimen und militanten Dschihadisten aussieht – die Menschen, die in Oman, Katar, Jordanien und Ägypten ins Kino gehen, sind mit deutlich erhöhter Wahrscheinlichkeit eher potenzielle Ziele von Dschihadisten als Dschihadisten. Aber das ist eben eines der Probleme in diesen Staaten: Dass die Regierungen ihre Bürger für einigermaßen dumm halten. Als wären Kinogänger in diesen Staaten nicht klug genug, zu erkennen, was dieser Film sagen will.

Und als wären sie so naiv, dass sie nicht mitbekommen haben: Es gibt Menschen, die mit islamischer Begründung andere Menschen töten. Das wissen die Menschen dort sehr genau, und niemand verschüttet deswegen sein Popcorn. Nicht zuletzt wissen sie das übrigens deshalb, weil Ägypten, Katar und Jordanien mit ihrem Militär aktiv gegen die Terrorgruppe, Achtung, jetzt kommt’s: „Islamischer Staat“ kämpfen. Aber vielleicht ist das Verbot ja auch ein Versuch, diejenigen zu beruhigen, die sich darüber aufregen, dass ihre Regierungen gegen den IS kämpfen? So genau weiß ich das auch nicht.

Natürlich ist A Most Wanted Man nicht der erste Film, der im Nahen Osten verboten wird, das kommt relativ häufig vor. Er wird auch nicht der letzte gewesen sein. Trotzdem ist dieser Versuch der Abschottung bedauernswert. Das einzig Gute ist, dass es Raubkopien der DVD schon in wenigen Wochen auf den Märkten des Nahen Ostens geben wird. Die sind auch billiger als die Kinokarten.

Bevor ich schließe, muss ich hier im Sinne der Transparenz noch kurz etwas offenlegen: Ich habe John le Carré seinerzeit beraten, als er das Buch A Most Wanted Man schrieb, vor allem mit Blick auf das Vorgehen von Terrorgruppen. Die Produzenten und den Regisseur des Films ebenfalls beraten, allerdings eher marginal. Ob der Film in bestimmten Ländern läuft oder nicht, hat für mich keine Auswirkungen.