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Trumps Geheimplan gegen den IS

 

Wie will der US-Präsident den IS bekämpfen? Trumps bisherige Vorschläge: ein supergeheimer Geheimplan, Kriegsverbrechen und martialische Luftschläge. Aber bald wird die Realität ins Oval Office kriechen.

Ich beginne diesen Blogpost mit einigen der zentralen bisherigen Einlassungen Donald Trumps zu der Frage, wie er die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) bekämpfen will.

  • Die andere Sache mit Terroristen ist, dass man ihre Familien töten muss (wörtlich: „take out their families“, YM). Wenn du diese Terroristen fasst, musst du ihre Familien erledigen.
  • Ich habe eine einfache Botschaft an den IS: Seine Tage sind gezählt. Ich werde ihnen nicht sagen, wo, und ich werde ihnen nicht sagen, wie … Wir müssen unberechenbar sein. Und wir müssen genau jetzt damit anfangen, unberechenbar zu sein … Der IS wird erledigt sein, wenn ich zum Präsidenten gewählt werde.
  • Ich werde meine Topgeneräle zusammenrufen und ihnen einfache Anweisungen geben. Sie werden 30 Tage Zeit haben, im Oval Office einen Plan vorzulegen, wie der IS komplett und schnell besiegt werden kann.
  • Ich weiß mehr über den IS als die Generäle. Glauben Sie mir.
  • Ich will nicht, dass der Feind weiß, was ich tue … Alles was ich Ihnen sagen kann, ist: Es ist ein narrensicherer Plan, um zu gewinnen.
  • Ich werde den IS schnell und entschieden zerbomben. (wörtlich: „bomb the hell out of Isis“, YM)

Nachtragen muss man eine aktuellere Äußerung Trumps, in welcher er die Entstehung des IS darauf zurückführt, dass die USA dem Irak nach der Invasion 2003 nicht das Öl abgenommen hätten, denn, so Trump, der IS finanziere sich mithilfe des irakischen Öls, und das wäre nicht möglich, wenn die USA das Öl an sich genommen hätten. Er deutete an, er werde das bei Gelegenheit nachholen.

Und schließlich muss man noch erwähnen, dass Trump mehrfach betont hat, er strebe eine Zusammenarbeit mit Russland bei der Bekämpfung des IS an.

Ich glaube, man tut Trump kein Unrecht, wenn man konstatiert, dass sich aus diesen Einlassungen noch kein kohärenter Plan ergibt. Das gezielte Töten von Verwandten von Terroristen wäre ebenso ein Kriegsverbrechen wie das Konfiszieren irakischen Öls.

Und während es zwar richtig ist, dass der IS eine Menge Geld damit verdient hat, Öl zu verkaufen, stimmt es auch, dass es jetzt nicht mehr so ist. Die internationale Anti-IS-Koalition hat buchstäblich Tausende Luftangriffe gegen die Ölinfrastruktur des IS geflogen. Dass Trump mehr über den IS weiß als seine Generäle, ist nicht nur deswegen fraglich.

Und was Trumps Geheimplan angeht: Da er immer noch geheim ist, entzieht er sich leider der Beurteilung.

Aber gut, der Wahlkampf ist vorbei. Schauen wir stattdessen, was die ersten realen Schritte Trumps sind.

Nach Trumps Antrittsbesuch im Pentagon sickerte der Entwurf einer Direktive durch, die der Präsident laut New York Times dem neuen Verteidigungsminister Mattis mit auf den Weg geben will.

Das Papier ist in der Tat interessant. Die NYT berichtet, die Direktive könne zum Einsatz von US-Artillerie in Syrien führen; außerdem steht demnach der Einsatz von US-Kampfhelikoptern beim geplanten Sturm auf Rakka, die Hauptstadt des IS in Syrien, im Raum. Das wäre eine klare Ausweitung des bisherigen US-Engagements am Boden beziehungsweise in Bodennähe.

Zugleich wirft diese Direktive allerdings neue Fragen auf. Selbst wenn die USA massiver als bisher bereit wären, Rakka sturmreif zu schießen: Wer soll die Stadt eigentlich befreien und dort einmarschieren? Die einzige veritable Kraft am Boden sind die syrischen Kurden; die aber werden von der Türkei als Terroristen betrachtet. Das Problem ist nicht neu. Es zu ignorieren, wird nicht funktionieren. Die Beziehung der Nato-Partner USA und Türkei stünde sofort auf dem Spiel. Dass fast die gesamte Führung des US-Außenministeriums gerade ihren Hut genommen hat, hilft da nicht gerade.

Und selbst falls Trump hier eine Lösung fände: Der Fall von Rakka würde ebenso wenig das Ende des IS bedeuten wie der Fall von Mossul im Irak. In den Halbwüsten Syriens und des Iraks kann er problemlos weiterexistieren. Der IS hat außerdem eine ernst zu nehmende Präsenz in Libyen, im Jemen, in Ägypten und weiteren Staaten.

Der zweite konkrete Vorschlag, den Trump seit seiner Amtseinführung gemacht hat, ist ähnlich unausgegoren. Er werde sichere Zonen in Syrien für Binnenflüchtlinge schaffen, hat er erklärt. Wenn das gelänge, wäre es gut für die Syrer, die vor dem Regime, dessen Alliierten und dem IS flüchten (wenn auch viel zu spät). Aber was bedeutete der Plan? Will Trump eine No-fly-Zone einrichten, um sicherzustellen, dass Assads Luftwaffe dort nicht mehr operieren kann? Aber was heißt das dann für die russische Luftwaffe, die mit Assads Armee verbündet ist? Will Trump, der doch Putin als Partner gewinnen will, dem russischen Präsidenten als Erstes sagen, wo dessen Jets künftig nicht mehr fliegen dürfen, weil er sie sonst abschießen lässt? Oder sollen diese sicheren Zonen nur am Boden existieren – aber wer sichert sie dann? US-Bodentruppen?

Auch andere Vorschläge von Trump und seinem Umfeld blenden Gegenargumente und unangenehme Fragen aus. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Ideologie des IS und der Ideengeschichte der Muslimbruderschaft? Lasst uns die Muslimbruderschaft auf die Terrorliste setzen! (Und ignorieren, dass mehr als eine Terrorgruppe entstanden ist, weil die Muslimbruderschaft in den Untergrund gedrängt wurde.)

Es gab in Europa einige Fälle, in denen spätere IS-Terroristen als Flüchtlinge eingereist sind? Wir werden Visa für Bürger aus mehrheitlich muslimischen Ländern blockieren! (Und ignorieren, dass gegen keinen einzigen Syrer in den USA wegen Terrorverdachts ermittelt wird.) Lasst uns außerdem prüfen, ob wir Foltern und CIA-Geheimgefängnisse wiederhaben können! (Und ignorieren, dass Folter nicht nur ein Verbrechen ist, sondern außerdem keine hilfreichen Ergebnisse bringt.)

Als Wahlkämpfer konnte Trump sich der Realität noch entziehen. Als Präsident kann er es versuchen, wird dann aber scheitern. Oder er wird die Realität zur Kenntnis nehmen – und dann eben akzeptieren müssen, dass auch er nicht für jedes Problem auf der Erde eine Lösung hat. Jedenfalls keine, die in einen Tweet passt.

Geheimplan? Es gibt keinen Geheimplan.