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Unfug mit Absicht

 

Das Weiße Haus hat eine Liste von 78 Terroranschlägen veröffentlicht, über die die Medien angeblich zu wenig berichtet haben. Das ist Quatsch und dient nur einem Zweck.

He did it again – mit einer einzigen Äußerung hat US-Präsident Donald Trump die US-Presse in Wallung gebracht. „Sie haben gesehen, was in Paris passiert ist, in Nizza. Überall in Europa passiert es. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem nicht einmal mehr darüber berichtet wird. Und in vielen Fällen will die sehr, sehr unehrliche Presse gar nicht mehr darüber berichten. Die haben ihre Gründe, und Sie verstehen das“, erklärte er am Montagabend.

Trump ließ diese Worte auf der Mac Dill Airforce Base in Tampa, Florida fallen. Ja, das ist der passende Ausdruck. „Die haben ihre Gründe“: So klingt der Lügenpressevorwurf à l’américaine.

In einem Versuch, Trumps Behauptung zu untermauern, veröffentlichte das Weiße Haus wenig später eine Liste von 78 Terroranschlägen, auf die dessen Behauptung zuträfe.

Diese Liste enthält unter anderem die Anschläge von Paris, Brüssel, Berlin, Orlando, Nizza, Ansbach und Würzburg. Vielleicht haben Sie von diesen Anschlägen ja schon mal gehört oder gelesen. Im Fernsehen, im Radio, in der Zeitung oder auf einer Nachrichtenwebsite zum Beispiel. Ich halte das für sehr wahrscheinlich.

Trump will keine Wahrheit beweisen

Natürlich löst Trumps Anwurf genau das aus, was er eingeplant haben dürfte: Journalisten und andere Experten, die sich hauptsächlich mit der Berichterstattung über Terroranschläge beschäftigen, jaulen gequält auf.

„Wenn das Weiße Haus recht hat, muss ich mir die ungezählten Stunden eingebildet haben, die ich damit verbracht habe, live auf CNN über Terroranschläge in Europa zu berichten“, twitterte zum Beispiel Paul Cruickshank.

Trumps wahres Ziel aber liegt jenseits der Provokation, auch wenn es ihn sicher freut, wenn Journalisten jetzt über sein Stöckchen springen und aufzählen, wie viel sie über welchen Anschlag geschrieben haben. Trump will einen Eindruck erwecken, keine Wahrheit beweisen. Er will das Vertrauen in die Medien weiter unterminieren, weil das in seine Erzählung passt: Dass nämlich der islamistisch motivierte Terror derart allgegenwärtig sei, dass er kaum noch der Berichterstattung wert ist.

Und wenn berichtet wird, dann natürlich nicht in dem Sinne, wie er das gern sähe. Schon im Wahlkampf war es Trumps Mantra, dass alle außer ihm davor zurückschrecken, die Dinge beim Namen zu nennen. Das ist ebenfalls nichts weiter als eine Behauptung, die er zudem albernerweise daran festmachte, dass er als Einziger den Begriff radical islamic terrorism verwende. Als würden der Rest der Welt beziehungsweise die Medien verschweigen, dass Dschihadisten sich auf den Islam berufen.

Das aber ist genau, was Trump insinuiert, wenn er sagt: „Die haben ihre Gründe, und Sie verstehen das!“ – Jeder darf und soll jetzt für sich allein weiterdenken, was die glasklaren Schlussfolgerungen sein müssen: Die Medien sind feige und trauen sich nicht, „den Feind“ beim Namen zu nennen; die Journalisten stecken mit den Tätern irgendwie unter einer Decke; sie verschweigen uns, wer die Täter sind und wie sie in unsere Länder kamen; die Reporterinnen und Reporter sind Teil des Appeasements gegenüber dem Feind.

So funktioniert Zersetzung.