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Al-Kaida kündigt englisches Onlinemagazin an

Das Terrornetzwerk Al-Kaida hat immer den Wert von Propaganda genutzt; schon in den Achtzigern brachten Kuriere VHS-Videokassetten aus Afghanistan in die arabischen Golfstaaten, um potenzielle Spender dort von den Heldentaten der Gotteskrieger im Kampf gegen die Sowjet-Armee zu überzeugen. Von Osama bin Laden stammt der bekannte Ausspruch, für Al-Kaida sei ein Radiosender wichtiger als eine Atombombe; und in dem Maße, in dem sich seit Mitte der neunziger Jahre das Internet verbreitet hat, hat Al-Kaida auch diesen Verbreitungsweg für sich genutzt. In den letzten zehn Jahren ist Al-Kaida dabei auch noch immer globaler aufgetreten, die Propaganda wird seither längst nicht mehr nur wie einst auf Arabisch verbreitet. Stattdessen sind englische Untertitel nahezu Standard, und selbst nachgereichte Übersetzungen in Sprachen wie Urdu, Swaheli oder Französisch keine Seltenheit mehr.

An diesem Wochenende nun hat die Al-Kaida-Zentrale einen nächsten Schritt angekündigt: In einem etwas über eine Minute langen Promo-Video bereitet Al-Kaidas offizielle Medienabteilung „al-Sahab“ ihre weltweiten Sympathisanten auf die bevorstehende Erstpublikation eines englischsprachigen Onlinemagazins namens Resurgence („Wiederaufleben“) vor. Der Clip selbst ist nicht besonders bemerkenswert. Über den Inhalt und die Macher von Resurgence erfährt man nichts.

Allerdings kann man getrost davon ausgehen, dass Resurgence sich an Inspire orientieren wird. Inspire, gestartet 2010, war der erste Versuch, Al-Kaida-Sympathisanten ein englischsprachiges Onlinemagazin an die Hand zu geben. Produziert wurde es damals von dem US-Bürger Samir Khan, der sich in den Jemen abgesetzt hatte und später getötet wurde. Inspire war anfangs kein offizielles Magazin der Al-Kaida-Filiale auf der Arabischen Halbinsel (AQAP), entwickelte sich aber rasch dazu, nicht zuletzt, weil AQAP-Führungspersonen dort gerne als Interviewpartner auftauchten und englische Versionen der Original-Bekennerschreiben abgedruckt wurden.

Das allein hätte keinen Paradigmenwechsel bedeutet. Inspires wahre Bedeutung ergab sich aber aus einer anderen Entwicklung: Das Magazin war der erste Ort, von dem aus die nunmehr offizielle Al-Kaida-Linie ausgegeben wurde, dass willige Rekruten aus dem Westen nicht länger die lange Reise zu Al-Kaida auf sich nehmen sollten, sondern lieber vor Ort, da, wo sie eben leben, selbst aktiv werden sollen – gerne im Namen Al-Kaidas, selbst wenn es keine Verbindung und keinen Kontakt zu der Terrorgruppe gab. Inspire lieferte dazu auch das Know-how in Form von Bombenbauanleitungen (Wie man in der Küche seiner Mutter eine Bombe baut) und Anschlagsideen (Waldbrände auslösen; Politiker in Washingtoner Restaurants erschießen, etc.). Das klingt vielleicht hanebüchen, hat aber weitreichende Folgen gehabt. In mehreren Ländern wurden Terrorverdächtige aufgegriffen und teils auch schon verurteilt, die sich mithilfe von Inspire vorbereitet hatten.

Al-Kaidas Zentrale, die in Sachen Ideologie und Strategie immer noch eine Leitfunktion über die Filialen beansprucht, hat sich den „individuellen Dschihad“ später in einem Video offiziell zu eigen gemacht. Für die Terrororganisation, die darunter leidet, dass ihr schon lange kein spektakulärer Anschlag im Westen mehr geglückt ist, bieten selbst rekrutierte Attentäter im Westen eine größere Erfolgsaussicht, etwas in dieser Hinsicht zu bewerkstelligen.

Dass nun auch die Zentrale erstmals ein englischsprachiges Onlinemagazin herausgeben will, könnte damit zu tun haben, dass mit Nasir al-Wuhayshi ein Führungsmitglied von AQAP zur Nummer zwei hinter Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri aufgerückt ist.

Noch ist das Magazin nicht erschienen, sobald es da ist: mehr hier.

Eine Korrektur: In der ursprünglichen Fassung dieses Beitrags hatte ich geschrieben, in dem Clip sei ein O-Ton von George W. Bush verwendet worden. Das scheint nicht zu stimmen, mehrere Leser wiesen darauf hin, dass es sich um Malcolm X handelt. Ich hatte außerdem „Resurgence“ zunächst irrtümlich als „Aufstand“ übersetzt. Ich bitte beides zu entschuldigen.

 

Und welcher Dschihad ist jetzt der richtige?

Der Bruderkrieg, der zwischen den in Syrien aktiven Dschihadisten-Gruppen tobt, verunsichert zusehends auch die aus dem Westen in das Land gereisten Kämpfer. Sollen sie sich der vom Irak aus geführten Gruppe „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien“ (Isis) anschließen, die mittlerweile ihre Bande zur Al-Kaida-Zentrale mehr oder weniger gekappt hat? Oder sind die Kämpfer von Dschabhat al-Nusra (JN), der „Unterstützerfront“, einer syrisch dominierten Dschihadisten-Gruppe auf der richtigen Seite?

Die Verwirrung kommt nicht zuletzt daher, dass sowohl Isis als auch JN aus dem Al-Kaida-Universum stammen – seit Monaten aber bereits vor allem gegeneinander kämpfen. Schlichtungsversuche der Al-Kaida-Zentrale verfingen nicht, Befehle von dort wurden von Isis ignoriert. Der Streit entzündete sich zunächst an der Frage, wer die wahre Al-Kaida-Vertretung in Syrien sei, später dann an ideologischen Fragen – so wirft JN dem Isis vor, keine eigentlich syrische Agenda zu haben, sondern das Land bloß als eine Art Startbahn für eine internationale Tagesordnung zu nutzen.

Für akademische Experten und Geheimdienstanalysten ist es schwer genug, da den Überblick zu behalten. Den Kämpfern vor Ort geht es teilweise aber nicht anders. Kürzlich schrieb ein wohl aus England stammender Gotteskrieger im Dienste des Isis: „JN in Rakka hat uns beschossen, JN in Badia schenkte uns ein Auto mit Maschinengewehr. Verwirrend? Aber hallo!“

„Viele Geschwister sind verunsichert“

Nun zeigt sich die Spaltung des dschihadistischen Lagers auch in Meldungen deutscher Freiwilliger in Syrien. „Viele Geschwister sind verunsichert und wissen nicht, wem sie glauben sollen, da selbst viele Gelehrte gegen Dawla (Isis, YM) reden. Ich gebe euch eine Nasiha (einen Rat, YM), die ein Schari‘ (Rechtsgelehrter, YM) von Dawla sagte als Nasiha an Brüder, die noch keine Bai’a (Treue-Eid, YM) gegeben haben und nicht wussten, mit wem sie kämpfen sollen: ‚Schaut welche Brüder von den Kuffar (Ungläubigen, YM) … am meisten bekämpft wird. Der folgt ihr.'“ Danach hätten alle dem Isis die Treue geschworen.

Interessant, diese Betonung auf die Bai’a. Aber tatsächlich gilt der Treue-Eid, einmal geleistet, in der dschihadistischen Ideologie als nahezu unlösbar; er verpflichtet außerdem zum Gehorsam. Den „Brüdern“, welche die Bai’a schon geleistet hatten, stand also keine Wahl mehr offen …

Am Donnerstag dann verbreitete eine Propaganda-Seite des Isis ein interessantes Video eines deutschen Kämpfers. Der junge Mann nennt sich Abu Mudschahid al-Muhadschir, seinen Dialekt würde ich für rheinisch gefärbt halten. Er erklärt in dem Acht-Minuten-Film, dass er ausgewandert sei, weil er fand, dass man als Muslim in Deutschland nicht leben könne – ein bekannter Topos. In Syrien habe er sich dann JN angeschlossen, weil er einen weiteren Deutschen getroffen habe, der dort Mitglied war. „Ich habe gedacht, Al-Kaida, das ist schon der richtige Manhadsch (Methodologie, YM).“

Viel „Unfug“ und „Unislamisches“

Aber nach einigen Monaten habe er gemerkt, bei JN werde „viel Unfug geredet“ und „Unislamisches“ praktiziert. Vor allem über den Isis sei viel „gelogen“ worden. Als er aufgefordert wurde, gegen Isis-Kämpfer zu kämpfen, habe er sich geweigert. Danach habe man ihn nicht mehr informiert, ihn isoliert. Er habe sich nicht mehr wohl gefühlt. Seine folgenden Recherchen über Isis hätten ihn dann dazu bewegt, dort anzuheuern. Er sei nun „ein stolzes Mitglied“ dort und habe Abu Bakr al-Baghdadi, dem Isis-Chef, seine Treue geschworen.

Insgesamt halten sich vermutlich mehr als 300 aus Deutschland stammende Islamisten in Syrien auf. Wie viele wirklich kämpfen, ist nicht bekannt, aber ihre Anzahl steigt augenscheinlich. Wer sich durch dschihadistische Internetseiten pflügt, findet auch immer mehr, die sich offen zum Isis bekennen – der denkbar brutalsten und ideologisch kompromisslosesten Gruppe im syrischen Bürgerkrieg, die nicht nur terroristische Methoden einsetzt, sondern auch Zivilisten zum Tode verurteilt, wenn sie sich vermeintlich unislamisch verhalten, Kinder eingeschlossen.

Wie stark Isis im Verhältnis zu den anderen Gruppen ist, die sich mit JN zusammengeschlossen haben, lässt sich nur schwer sagen, es ist je nach Region ganz unterschiedlich, aber ändert sich auch ständig. Wochenlang sah es danach aus, als werde der Isis an den Rand gedrängt; zuletzt schienen die Terroristen wieder etwas an Boden zu gewinnen.

Den Syrern kann es egal sein

Für Al-Kaidas Zentrale ist all das natürlich ein Debakel – erst sah es aus, als könne die Organisation aus dem syrischen Blutbad Profit ziehen, jetzt ist sie de facto gespalten. Vom Kampf gegen das syrische Regime wurde zwar immer noch viel geredet bei JN und Isis – aber ein guter Teil der Zeit und Ressourcen werden in den Bruderkampf gesteckt.

Den Syrern hilft all das aber noch viel weniger – nämlich schlicht und ergreifend gar nicht.

 

Antisemitische Kommentare bei „Politically Incorrect“

Das notorisch islamfeindliche Internetforum „Politically incorrect“ (PI) brüstet sich ja stets damit, dass es sich gegen den Mainstream stelle und gewissermaßen eine der wenigen verbliebenen wahrhaft liberalen Debattenplattformen sei. Das ist natürlich einerseits Quatsch, weil PI seine eigene Spielart der Political Correctness zu etablieren versucht („pro-amerikanisch; pro-israelisch; Grundgesetz und Menschenrechte; gegen die Islamisierung Europas“).

Andererseits ist es aber erschütternd wahr. Denn während in den „Leitlinien“ für Besucher steht, und zwar unter §1, dass „Kommentare, die mit fäkalsprachlichen, blasphemischen, antisemitischen oder vulgären Ausdrücken durchsetzt sind… von uns nicht akzeptiert“ werden, sind die Administratoren des Forums anscheinend deutlich besser darin, Fäkalsprache zu unterbinden als Antisemitismus.

Letzte Woche gab es wieder einen Anlass, der geeignet war, zu verdeutlich, was für Leser PI (auch) anzieht. Der Chef der von PI wohlwollend begleiteten „Alternative für Deutschland“ (AfD), Bernd Lucke, war zuvor aus einem Interview mit Michel Friedman herausgelaufen, weil er mit dessen aggressiven Nachfragen nicht zufrieden war. Es ging um ein – möglicherweise nicht korrekt wiedergegebenes – Zitat einer Parteikollegin von Lucke, von dem Friedman wissen wollte, ob es nicht rassistisch sei.

Luckes Walk-Out wurde von vielen PI-Kommentatoren gelobt. Mindestens eben so viele kritisierten Friedmann. Das ist natürlich jedermanns gutes Recht.

Eine andere Sache aber ist es, wenn diese Kritik mit eindeutigem oder subtilem Antisemitismus einhergeht. Die wenigsten der 183 Kommentare (Stand Dienstag) fallen in diese Kategorie; die folgenden, die seit Tagen ungelöscht auf der Seite von PI stehen, aber durchaus.

„Friedmann gilt seit Jahren durchaus auch in jüdischen Gremien als eine schillernde Figur, die der jüdischen Gemeinde schadet. Es ist die linksgrün gestrickte Medienwelt, die solchen Leuten eine Bühne gibt, indem sie, wie auch in diesem Falle, sich diverser ‚Vorzeigejuden‘ bedient…“

„Friedmann kann für Antisemitismus verantwortlich gemacht werden. Dieser schlieige, pomadisierte und Sonnenbank verunzierte falsche Moralapostel ist das Unerträglichste, was das Fernsehen zu bieten hat. Es darf nicht verwundern, dass diese billige Kreatur dem Ansehen des Jüdischen Volk schadet.“

„Was motiviert Friedmann?
Geld?
Jedenfalls sind linksgrüne Juden eher selten!“

„Friedmann schadet dem jüdischen Volk enorm. Viele Deusche, die eh schon vorbelastet sond, denken, wenn sie den Gockel sehen: ‚Das sind also die Juden! So eklig schmierig, betrügerisch und gemein. Schade, daß es keinen Hitler mehr gibt…‘ Dass viele Juden anständige Leute sind, die keinen neppen und schleppen, sehen die Zuschauer nicht. Nur den blöden Friedmann, der mit seiner Hakennase und seinem Benehmen das Klischee des typischen Hitlerjuden voll bestätigt…“

„Außerdem nimmt (er) sich unter dem Schutzschild des ‚Ich-darf-das-ich-bin-Jude‘-Nimbus allerleri Provokationen und zwischenmenschliche Regelverstöße heraus.“

„Schon Jesus von Nazareth wirde von hochnäsigen Pharisäern auf ähnlich hinterfotzige Art und Weise in die Falle gelockt, nur um ihn an den Henker Pontius Pilatus auszuliefern. Friedmann wendet die gleiche hinterfotzige psychologische Technikan wie vor 2000 Jahren. … Der Teufel Göbbels war auch ein seeeeeeeeer intelligenter Menschen, so glaubten damals die Menschen. Ich möchte Friedmann nicht mit Göbbels vergleichen, aber beide wenden die gleichen psychologischen Tricks an.“

„Nee, Friedmann ist sicher kein ‚Vorzeigejude‘ – außer vielleicht für Antisemiten. Er ist arrogant, schleimig, hinterähltig und verkörpert alles, was die Nazis und andere Antisemiten den Juden vorgeworfen haben bzw. immer noch vorwerfen. Mit so einem Typen im Rampenlicht tut sich die jüdische Gemeinde keinen Gefallen…“

Hier sind die klassischen, antisemitischen Klischess versammelt: Der Jude ist selbst schuld am Antisemititmus; er ist seine eigene Karrikatur; er ist schlimmer als die Nazis (oder wenigstens genau so schlimm); er nutzt den Holocaust für seine Zwecke; er ist geldgierig; etc.

Es ist keine Neugikeit, dass sich solcherlei Gestalten ihre Tage bei PI verkürzen. Ich finde es trotzdem wichtig, ab und zu mal zu dokumentieren, was sich unter dem Deckmantel der angeblich wahrhaften Liberalität so Bahn bricht.

 

Georeferentielle Daten

In der vergangenen Woche habe ich hier über den Fall Patrick N. geschrieben – ein deutscher Islamist, der offenbar bereits im Februar 2012 durch eine US-Drohne in der pakistanischen Unruheprovinz Waziristan getötet wurde, wo er sich der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ (IBU) angeschlossen hatte. Der grüne Bundestagsabgeordnete Hans Christian Ströbele hat nun eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage erhalten, die er am 16. Januar zu dem Tod des Offenbachers gestellt hatte. Ströbele wollte wissen, ob Patrick N. V-Mann der Sicherheitsbehörden war – ein Gedanke, auf den man kommen konnte, wenn man die „Märtyrer“-Rede der IBU über Patrick N. gehört hatte. Und er fragte, ob die Bundesregierung ausschließen könne, dass deutsche Stellen „zuvor an US-Stellen Handy-Daten bezüglich des Opfers“ übermittelt hatten. Die zweite Frage zielte darauf ab, ob deutsche Behörden möglicherweise geholfen haben, bewusst oder unbewusst, Patrick N. zu orten.

Die Antwort der Bundesregierung ist heute bei Ströbele eingegangen. Patrick N., heißt es darin, „wurde durch die Bundessicherheitsbehörden nicht als Vertrauensperson beziehungsweise V-Mann geführt“. Hier gibt es sechs Buchstaben, auf die es besonders ankommt: BUNDES-Sicherheitsbehörden. Denn so ist technisch gesehen lediglich dementiert, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz oder das Bundeskriminalamt N. als Informanten führen. Es bleiben theoretisch noch die entsprechenden Landesbehörden oder sogar eine untergeordnete Polizeibehörde übrig. Für die, das muss man hinzufügen, kann das Bundesministerium des Innern wiederum nur bedingt sprechen.

Die zweite Auskunft lautet so: „Ein Informationsaustausch mit ausländischen Dienststellen hat im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenwahrnehmung und den hierfür vorgesehenen Übermittlungsbestimmungen stattgefunden. Georeferentielle Daten wurden auch in diesem Sachverhalt nicht übermittelt.“

Ich interpretiere das so, dass die Bundesbehörden durchaus mit US-Beamten, vielleicht auch mit pakistanischen Stellen, über Patrick N. kommuniziert haben. Allerdings „im Rahmen“ der „vorgesehenen Übermittlungsbestimmungen“. Ich bin nicht ganz sicher, was das bedeuten soll, vermute jedoch, dass darunter zum Beispiel „Beipackzettel“ gehören wie jener, den der Bundesnachrichtendienst (BND) anscheinend manchmal an übermittelte Informationen anhängt – und demzufolge die Informationen nicht widerrechtlich verwendet werden dürfen. Damit versucht der BND, sicherzustellen, dass seine Informationen nicht für extralegale Tötungen oder Ähnliches genutzt werden. Unklar bleibt, was es bedeuten soll, dass „georeferentielle Daten“ nicht übermittelt wurden. Klar, Koordinaten wären gewiss „georeferentielle Daten“. Aber was ist mit Handy-Daten? Nach denen hatte Ströbele ja gefragt.

Die Sicherheitsbehörden haben früher schon einmal erklärt, dass Handydaten ihrer Ansicht nach nicht geeignet sind, jemanden ausreichend genau für eine Drohnen-Zielerfassung zu lokalisieren. Das ist für Außenstehende freilich schwer zu überprüfen, vielleicht sogar für den BND selbst. Wer weiß schon, was die NSA alles kann?

Ströbele findet die Antwort, die er heute bekam, jedenfalls unzureichend: „Es bleibt nach dieser Antwort der Verdacht, dass Bundessicherheitsbehörden auch Handy- oder andere persönliche Daten des Getöteten übermittelten, die zur Ermittlung von dessen Aufenthalt entscheidend beitragen konnten. Dadurch müssen deutsche Behörden auch eine Verantwortung für den tödlichen Drohnen-Einsatz übernehmen.“

Wenn Ströbele als Ableitung aus einem Verdacht die Übernahme von Verantwortung fordert, ist das natürlich auch Politik.

Aber geklärt ist der Fall Patrick N. noch nicht. Es bleiben offene Fragen.

 

Al-Kaida will Ende der Kämpfe zwischen Dschihadisten in Syrien

Zum ersten Mal hat sich heute Al-Kaidas Chef Aiman al-Sawahiri zu den Kämpfen zwischen islamistischen und dschihadistischen Gruppen in Syrien geäußert. Seine kurze Ansprache wurde offenbar via YouTube veröffentlicht, was ungewöhnlich ist; aber die einschlägigen und von Al-Kaida seit Jahren zu diesem Zweck genutzten Internetforen sind derzeit nicht stabil und haben technische Schwierigkeiten. Authentisch ist die Publikation vermutlich trotzdem. Der Inhalt und Sawahiris ziemlich unverkennbare Stimme sprechen dafür, darüber hinaus aber auch der Umstand, dass Dschihadisten die Rede für echt halten.

Sawahiri versucht mit seiner Rede, seinen Anspruch als Spiritus Rector der globalen dschihadistischen Bewegung zu festigen. Er fordert, dass die islamistischen und dschihadistischen Gruppen in Syrien ihren vor einigen Wochen ausgebrochenen Bruderkrieg einstellen. Er mache keinen Unterschied zwischen Gruppierungen, sagt Sawahiri, wichtig seien die Ideologie, das Verhalten jedes Einzelnen und die gemeinsamen Ziele. Die Einheit der Bewegung sei bedeutender als Parteiungen, er betrachte alle „Mudschahidin“, also Gotteskrieger, „als Brüder“; nicht zulässig sei es allerdings, sich gegenseitig zu Ungläubigen zu erklären, was in Syrien auch schon vorgekommen ist.

In Syrien besteht die aus Sawahiris Sicht paradoxe Situation, dass gleich zwei Al-Kaida-verbundene Gruppen existieren, die einander auch noch teilweise bekriegen. Da ist einmal Dschabhat al-Nusra, ein syrisch dominierter Dschihadisten-Verbund, der Sawahiri und der Al-Kaida-Zentrale seiner Loyalität versichert hat; und da ist Isis, der „Islamische Staat in Irak und Großsyrien“, im Grunde eine Ausweitung der Irak-Filiale Al-Kaidas, die deren Anführer Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen hat – und zwar in Abgrenzung zu Sawahiri. Derzeit kämpfen verschiedene weitere islamistische Rebellengruppen gegen Isis, und auch Dschabhat al-Nusra ist in diese Kämpfe schon einbezogen worden. Für Sawahiri ist das alarmierend, er macht sich Sorgen, dass Al-Kaida sich selbst erledigt.

Auch deshalb nun der Ruf zur „Einheit“ und die Betonung der gemeinsamen Ziele und Feinde. Selten zuvor hat Sawahiri in einer Ansprache so viel von der Notwendigkeit gesprochen, eine „islamische Herrschaft“ zu errichten; er vermutet hinter dem Gedanken, die Gotteskrieger könnten in Syrien gebietsweise regieren, offenbar ein vereinigendes Element. Als Gegner benennt er das Regime des syrischen Diktators Baschar al-Assad, die Kreuzfahrer, die Russen (die Assad unterstützen), aber auch China und die Schiiten (auch der Iran unterstützt das syrische Regime).

Ob al-Sawahiris Rede auf fruchtbaren Boden fällt, ist ungewiss. Viel Autorität wird ihm nicht mehr zugetraut, seit Isis Al-Kaida de facto gespalten hat. Isis-Kader werden die Rede zur Kenntnis nehmen, aber nicht für verbindlich erachten.

Ohnehin ist die Lage in Syrien an den vielen Fronten verwirrend – nicht nur für Außenstehende, sondern anscheinend auch für Beteiligte, wovon irritierte und verwirrte Twitter-Nachrichten von einzelnen Gotteskriegern zeugen, die teils offenbar nicht mehr sicher sind, warum sie nun gegen wen genau kämpfen sollen. Bündnisse verschiedener Gruppen werden geschmiedet und zerfallen wieder, lokale Anführer vereinigen Autorität auf sich und werden im nächsten Moment getötet. Sicher scheint, dass Isis in diesen Auseinandersetzungen an Boden verloren hat, aber das muss nicht dauerhaft oder gar endgültig sein.

In der vergangenen Woche gab es (unbestätigte, aber nicht unwahrscheinliche) Berichte über einen auf dschihadistischen Websites veröffentlichten Brief, den ein von al-Sawahiri benannter Unterhändler an Isis-Kader gerichtet hatte. Dieses Schreiben hatte demnach eine ähnliche Stoßrichtung und bezeichnete Isis-Praktiken als „inkorrekt“; das dürfte vor allem auf zwei Praktiken gemünzt gewesen sein, die Anfang des Jahres auch zum Ausbruch des Bruderkampfes im Rebellenlager geführt hatten: Isis ging selbst anderen Dschihadisten zu brutal gegen Zivilisten vor; außerdem griffen Isis-Kämpfer häufig Führer anderer Gruppen an, was die Frage aufwarf, ob Isis eigentlich alle anderen Gruppen als feindlich ansieht.

Al-Kaidas Zentrale erlebt in Syrien in gewisser Weise ein Déjà-vu, allerdings um einige Potenzen problematischer. Aber schon 2005/2006 im Irak war die dortige Filiale mit ihren brutalen Angriffen auf Schiiten aus Sicht der Zentrale aus dem Ruder gelaufen. Was Isis heute in Syrien treibt, ist die Fortsetzung dieser Schule. Nur dass Isis diesmal offensichtlich keine Angst hat, es sich mit der zentralen Führung zu verderben. Sie betrachtet das dschihadistische Projekt im Nahen Osten als das derzeit wichtigste und die eigene Rolle dabei als die bedeutendste.

Dass Al-Sawahiri in besonderer Weise auf das Thema islamische Regierung eingeht, hat derweil damit zu tun, dass genau das in Teilen bereits Realität ist: In mehreren Städten und Dörfern herrschen de facto dschihadistische Gruppen. Isis und Dschabhat al-Nusra haben bereits vereinzelt Schulen gegründet und Scharia-Gerichtshöfe eingerichtet. Sogar Nummernschilder stellt Isis aus. Das mag grotesk wirken, hat aber den Hintergrund, dass in der dschihadistischen Ideologie selbst die nominelle Herrschaft eines Ungläubigen nach Möglichkeit vermieden werden muss – und das geht am besten, in dem man eigene Herrschaftsgebilde ausruft.

Mittelfristig könnte der Konflikt innerhalb Al-Kaidas und der dschihadistischen Bewegung tatsächlich dazu führen, dass die Organisation, die Osama Bin Laden einst gründete, ihr Gesicht komplett verändert – die Zentrale am Hindukusch verfügt kaum über eigene Kämpfer und Ressourcen und hat wegen der US-Drohnen fast keine Bewegungsfreiheit. Die Filialen im Irak, in Nordafrika und auf der Arabischen Halbinsel haben daher an Gewicht gewonnen, sind aber miteinander nur lose verbunden und verfolgen eigene Ziele. Hinzugekommen sind zudem eine ganze Reihe wiederum mit den einzelnen Filialen lose verbundenen lokalen Dschihadisten-Gruppen wie Ansar al-Sharia in Libyen oder einzelne Gruppierungen auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel. Das alles dürfte dazu führen, dass es eine einzelne, maßgebliche und kohärente Al-Kaida-Strategie, die in Pakistan definiert wird, immer weniger wahrscheinlich wird. Die neuen Aktionsfelder, die sich Dschihadisten in den Unruhestaaten der arabischen Welt nach den Rebellionen dort geöffnet haben, sind dabei, Al-Kaidas Gesicht zu verändern. Womöglich dauerhaft und irreversibel.

 

War Patrick N. ein Informant?


Patrick N. auf einer islamistischen Webseite

Im Februar 2012 kam in Waziristan ein deutscher Islamist durch eine US-Drohne ums Leben: der damals 27-jährige Patrick N. aus Offenbach. Das geht aus einer am vergangenen Wochenende veröffentlichten Internet-Ansprache der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ (IBU) hervor, der er sich angeschlossen hatte, und es gibt wenig Grund, daran zu zweifeln; die deutschen Sicherheitsbehörden jedenfalls gehen davon aus, dass es stimmt.

Anders verhält es sich mit weiteren angeblichen Fakten, die ebenfalls in der Ansprache behauptet werden. Vorgetragen wird die Todesmeldung von „Abu Adam“, einem Bonner Dschihadisten, der seit etwa 2008 bei der IBU ist und als offizielles deutschsprachiges Sprachrohr fungiert.

Abu Adam suggeriert in der Ansprache, das Bundeskriminalamt oder der Verfassungsschutz, ganz eindeutig ist das nicht, habe versucht, N. als Informanten zu werben. Außerdem habe ein Polizist diesem noch am Tag seiner Ausreise nach Pakistan Anfang Oktober 2011 mitgeteilt, eigentlich habe der Verfassungsschutz seine Ausreise unterbinden wollen. Aber er, der Polizist, habe das verhindert. Er wisse nämlich, dass N. gar nicht zum Kämpfen nach Pakistan reisen wolle.

Die Geschichte scheint so nicht ganz zu stimmen. Nach mehreren Gesprächen, die ich seit Anfang der Woche geführt habe, ergibt sich ein etwas anderes Bild. Unbestritten ist zunächst einmal, dass N. tatsächlich Kontakt mit der Polizei hatte. Er war nämlich zwischenzeitlich (wenn auch wohl irrtümlich) verdächtig, einen Anschlag zum Jahrestag der Deutschen Einheit 2011 vorbereiten zu wollen; es kam zu einer kurzzeitigen Festnahme. Richtig ist wohl auch, dass der Verfassungsschutz und die hessische Polizei gemeinsam erörterten, ob man seine geplante Pakistanreise, von der sie wussten, unterbinden solle. Aber N. hatte ein neugeborenes Kind, und er hatte erklärt, er wolle es der Verwandtschaft seiner Frau, einer Afghanin, vorstellen – das schienen plausible Gründe zu sein, jedenfalls wohl zu wenig Verdachtsmomente, um ihn aufzuhalten. So kam es, dass N. ungestört ausreisen konnte, samt Ehefrau und zwei Kindern. Deren Verbleib ist übrigens anscheinend unklar.

Wurde N. nun angeworben, als V-Mann des Verfassungsschutzes oder als Kontaktperson oder Informant des BKA, wie Abu Adam insinuiert? In Sicherheitskreisen wird das dementiert. Laut Abu Adam habe der Polizist, der N. am Abreisetag besuchte, ihn gebeten, sich regelmäßig aus Pakistan zu melden. Vielleicht stimmt das, vielleicht nicht. Aber es dürfte sich nach meinen vorläufigen Erkenntnissen dabei nicht um einen Beamten des BKA oder des hessischen Landeskriminalamtes gehandelt haben. Damit bleibt nach meiner Einschätzung nur eine untergeordnete Polizeibehörde übrig.

Ich betone: Das sind vorläufige Erkenntnisse. Wer weiß, was da noch auftaucht.

Mindestens genau so interessant wäre es allerdings zu wissen, wer das eigentliche Ziel bei dem Drohnenanschlag in Waziristan war – und ob die USA wussten, dass ein deutscher Staatsbürger sich an dem Ort aufhielt.

Insgesamt ist N. der bisher fünfte bekannt gewordene Fall eines durch eine US-Drohne getöteten Islamisten aus Deutschland.

 

Post von Breivik

Anders Bering Breivik hat aus dem Gefängnis heraus internationale Medien angeschrieben, darunter DIE ZEIT. Er beklagt sich über angebliche Folter und berichtet, dass er sich eine Playstation erstritten hat.  

Bei Veröffentlichungen von Terroristen und Extremisten muss man immer abwägen, ob man, wenn man darüber berichtet, seinen Lesern oder den Verfassern den größeren Dienst erweist. Das insgesamt 35 Seiten lange Schreiben, das Anders Bering Breivik an mehrere nicht-norwegische Medien versandt hat, und das heute auch bei der ZEIT ankam, besteht vor allem aus Propaganda. Auf diese werde ich hier nicht näher eingehen; Breiviks Ideologie ist ausgiebig genug beschrieben worden, unter anderem in diesem Blog und in diesem Dossier aus der ZEIT. Vielleicht so viel: Reue zeigt er nicht; das wäre in der Tat berichtenswert gewesen.

Trotzdem ist Breiviks Brief nicht vollkommen uninteressant. So scheint Breivik sich vorgenommen zu haben, alles, was ihn an Rechten und Freiheiten zustehen könnte, zu erstreiten. Und zwar im Großen, wie im Kleinen. So hat er versucht, eine Partei registrieren zu lassen, allerdings erfolglos. Und er hat sich offenbar als Student an der Universität von Oslo im Fach Politikwissenschaften eingeschrieben, musste aber bereits Prüfungen absagen, wie er schreibt, wohl weil er wegen seiner Auflagen die Studiengebühren nicht zahlen kann. Auch einen Zugang zu einem Studienraum im Gefängnis hat er sich erkämpft, wie er berichtet; außerdem einen Fernseher, eine Playstation und einen Plastikbecher für seine Zahnbürste.

Seit 27 Monaten lebt Breivik hinter Gittern, in Einzelhaft. Er sieht sich als Folteropfer, das ungeschützt der Willkür der Justiz ausgeliefert ist, beklagt sich etwa über die Vielzahl an Sicherheitskontrollen, denen er unterliegt, und darüber, dass er nicht frei und ungehindert mit Sympathisanten korrespondieren dürfe.

Was die Sicherheitskontrollen angeht, führt Breivik eine besonders merkwürdige Argumentation. Diese seien nämlich deshalb sinnlos und unnötig, weil es für ihn gar kein Problem wäre, zu fliehen: „Ich habe die Möglichkeit, zwischen 10 und 15 tödliche Waffen zu bauen, wenn ich das wollte. Ich habe Zugang zu zwei Kugelschreibern, über 40 Schrauben, einem langen Lineal, bis zu 10 bis 15 Plastikmessern, -gabeln und -löffeln, … zahllosen potenziellen Stich- und Hiebwaffen aus den Bauteilen des Fernsehers, eine Schreibmaschine, eine große Thermoskanne, etc. Das ist mehr als als genug…. Ich bräuchte nicht einmal Objekte, um das Team der drei Beamten zu neutralisieren, die mich derzeit außerhalb der Zelle begleiten, und zwar wegen meiner Martial-Arts-Erfahrungen…. Die Handschellen verhindern gar nichts, solange die Arme nicht im Gürtel fixiert sind. Mit einem schnellen, gut gezielten Schlag auf den Kehlkopf hätte ich ganz einfach den stärksten Beamten ausschalten können, ihn entwaffnen können, und hätte es dann mit großer Wahrscheinlichkeit hinbekommen, auch die anderen beiden zu neutralisieren und ihre Schlüssel wegzunhemen. Wenn ich den Wunsch hätte, das zu tun.“

Überhaupt werde nur deshalb ständig durchsucht, weil er in seinem nach den Anschlägen veröffentlichten Manifest stehe, Gefangene müssten versuchen zu fliehen. Die Justizbeamten seien aber wohl die einzigen, die sein „Copy-und-Paste-Werk“ noch ernstnehmen. Er habe schließlich fast alles abgeschrieben.

Ob diese beiden Argumente die beste Strategie ergeben, sich über Handschellen und Körperdurchsuchungen zu beschweren, sei einmal dahingestellt.

Ansonsten erwähnenenswert ist noch, dass Breivik behauptet, mit einer Deutschen befreundet zu sein, mit der er aber seit Frühjahr 2013 nicht mehr telefonieren dürfe. Wer sich dahinter verbirgt, ist ungewiss. Bekannt ist nur, dass während seines Prozesses eine Deutsche aus Stuttgart angereist war, die behauptet hatte, ihm damals schon geschrieben zu haben, und die von den norwegischen Behörden ausgewiesen worden war. Vielleicht geht es um diese Frau. Einen Namen nennt Breivik nicht.

Für sich selbst stellt sich Breivik derweil eine Existenz als Autor vor. Er habe schon zwei Bücher verfasst, seit er einsitze (eines heißt angeblich: „The Breivik Diaries“), aber man lasse ihn sie nicht publizieren. Sein Plan sehe dennoch vor, dass er, nach Erreichen seines Universitätsabschlusses, „zehn bis zwanzig Jahre“ als Autor leben werde.

Der Rest ist, wie gesagt, vor allem rechtsextreme Propaganda, sich selbst bezeichnet er als Faschisten. Es ist nicht das erste Mal, dass Breivik sich aus dem Gefängnis heraus meldet. Und gewiss wird er es wieder tun. Ob es sich lohnt, darüber zu berichten, muss man im Einzelfall enstscheiden. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, weil man sich so ein Bild über seine Verfassung machen kann.

 

Was Papst Franziskus über den Dialog mit dem Islam sagt

Ich habe Evangelii Gaudium, das erste päpstliche Schreiben Franziskus‘, nicht in Gänze gelesen; ich bin sicher, es gibt viele Stellen, die interessant und/oder diskussionswürdig sind.

Ich habe aber mal nachgesehen, was er zum Thema Islam zu sagen hat. Seinem Vorgänger Benedikt XVI. war es nicht gelungen, den Dialog mit dem Islam voranzutreiben. Im September 2006 hatte er, wir erinnern uns, in Regensburg eine Rede gehalten, in der ein historisches Zitat über den Islam eine Rolle spielte. Die Rede sorgte für Aufregung und teilweise Empörung in der islamischen Welt, was auch damit zu tun hatte, dass die Rede nicht leicht zu verstehen war. Die Worte des byzantinischen Kaisers Manuel II. wurden von einigen Kritikern etwa Papst Benedikt zugeschrieben. Versuche des Vatikans, das alles zurechtzurücken, gelangen nur mäßig.

Fünf Jahre später sprach Papst Benedikt vor dem Deutschen Bundestag, und sprach deutlich offener zu den Muslimen. Aber insgesamt blieb der Eindruck bestehen, dass eine Bereinigung der Beziehung zu den Muslimen der Welt nicht zu den Vermächtnissen des deutschen Papstes zählen würde – und daran änderte sich bis zu seinem Amtsverzicht auch nichts mehr.

Nun also Franziskus. Und ich muss sagen, ich finde, der neue Papst hat gute, einfache und direkte Worte gefunden, um einen neuen Anlauf zu starten. Ich zitierte die entscheidenden Absätze:

„252. In dieser Zeit gewinnt die Beziehung zu den Angehörigen des Islam große Bedeutung, die heute in vielen Ländern christlicher Tradition besonders gegenwärtig sind und dort ihren Kult frei ausüben und in die Gesellschaft integriert leben können. Nie darf vergessen werden, dass sie ’sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird‘. [198] Die heiligen Schriften des Islam bewahren Teile der christlichen Lehre; Jesus Christus und Maria sind Gegenstand tiefer Verehrung, und es ist bewunderungswert zu sehen, wie junge und alte Menschen, Frauen und Männer des Islams fähig sind, täglich dem Gebet Zeit zu widmen und an ihren religiösen Riten treu teilzunehmen. Zugleich sind viele von ihnen tief davon überzeugt, dass das eigene Leben in seiner Gesamtheit von Gott kommt und für Gott ist. Ebenso sehen sie die Notwendigkeit, ihm mit ethischem Einsatz und mit Barmherzigkeit gegenüber den Ärmsten zu antworten.

253. Um den Dialog mit dem Islam zu führen, ist eine entsprechende Bildung der Gesprächspartner unerlässlich, nicht nur damit sie fest und froh in ihrer eigenen Identität verwurzelt sind, sondern auch um fähig zu sein, die Werte der anderen anzuerkennen, die Sorgen zu verstehen, die ihren Forderungen zugrunde liegen, und die gemeinsamen Überzeugungen ans Licht zu bringen. Wir Christen müssten die islamischen Einwanderer, die in unsere Länder kommen, mit Zuneigung und Achtung aufnehmen, so wie wir hoffen und bitten, in den Ländern islamischer Tradition aufgenommen und geachtet zu werden. Bitte! Ich ersuche diese Länder demütig darum, in Anbetracht der Freiheit, welche die Angehörigen des Islam in den westlichen Ländern genießen, den Christen Freiheit zu gewährleisten, damit sie ihren Gottesdienst feiern und ihren Glauben leben können. Angesichts der Zwischenfälle eines gewalttätigen Fundamentalismus muss die Zuneigung zu den authentischen Anhängern des Islam uns dazu führen, gehässige Verallgemeinerungen zu vermeiden, denn der wahre Islam und eine angemessene Interpretation des Koran stehen jeder Gewalt entgegen.“

Dies ist die Sprache eines Menschen, der keine Berührungsängste hat, vielleicht nicht einmal ein vorgefertigtes oder endgültiges Urteil. Zugleich kehrt Franziskus Probleme nicht unter den Teppich, spricht etwa den „gewalttätigen Fundamentalismus“ an, aber auch die Beschränkungen, denen Christen in islamischen Ländern unterliegen. Ist seine Kritik daran zu brav? Ich finde nicht; ich finde sogar, dass er eine eindringliche Form gefunden hat, in die er seinen Wunsch auf Besserung kleidet – ein einfaches, aber gerade deshalb umso stärker wirkendes „Bitte!“.

Das ist in meinen Augen auch kein Kleinmachen und kein Duckmäusertum, wie ihm einige Kritiker gewiss vorwerfen werden. Es ist die Ansprache eines religiösen Führers, der eben kein Politiker ist. Ich empfinde es auch als wohltuend, wenn Franziskus eine seit einigen Jahren immer wieder zu hörende argumentative Verschränkung aufgreift und wendet. Während Politiker hierzulande zum Beispiel gern sagen, wir könnten ja über Minarette in Deutschland reden, wenn in Saudi-Arabien Kirchen erlaubt werden, sagt Franziskus: „Wir Christen müssten die islamischen Einwanderer, die in unsere Länder kommen, mit Zuneigung und Achtung aufnehmen, so wie wir hoffen und bitten, in den Ländern islamischer Tradition aufgenommen und geachtet zu werden.“

Es scheint, als habe Franziskus viel vor. Auch auf anderen Gebieten. Ich finde, auf dem schwierigen Terrain des Dialogs mit der muslimischen Welt hat er einen beeindruckenden ersten Schritt getan. Es wäre schön, wenn die islamische Seite das bemerkt und honoriert.

PS: Bitte um Entschuldigung – das Schreiben des Papstes heißt korrekt Evangelii Gaudium, nicht – wie es hier zuvor stand – Evangelium Gaudii. Mein Latein ist leider ein bisschen eingerostet.

 

Wie Al-Kaida einen Protostaat in Syrien errichtet

Heute ist es genau 2.600 Tage her, dass das Terrornetzwerk Al-Kaida im Oktober 2006 im Irak einen Staat ausrief. Das weiß ich deshalb so genau, weil Al-Kaida diese Tage in einem Zähler auf einem der wichtigsten dschihadistischen Internetforen anzeigt.

Einen Staat ausrufen – das klang 2006 im Irak lächerlich und war es auch, und dass die Dschihadisten seinerzeit eine Kabinettsliste inklusive Fischereiminister veröffentlichten, änderte an diesem Eindruck nichts. Aber bedeutsam war der Schritt trotzdem.

Zum einen spiegelte er das universelle Verlangen von Dschihadisten wider, nach Möglichkeit staatsähnliche Gebilde auszurufen. Das hat ideologische Gründe, denn Dschihadisten sind der Ansicht, dass es verboten ist, selbst nominell, Untertan oder Bürger eines „gottlosen“ oder „ungläubigen“ Herrschers zu sein. Da sind dann Staatsgründungen die einzige Abhilfe. Zum anderen zeigte die Ausrufung aber auch, dass es Al-Kaida eben nicht ausschließlich um Terroranschläge ging, sondern auch um Herrschaftsausübung und Gebietskontrolle.

Im Irak ist das nie wirksam gelungen. In Syrien aber sieht die Lage anders aus. Hier steht den Al-Kaida-Kämpfern nicht die US-Armee gegenüber, sondern die Truppen von Baschar al-Assad, die nicht nur weniger effektiv sind, sondern vor allem einige Teile des Landes de facto aufgegeben haben. Und es ist deshalb kein Zufall, dass die irakische Kaida-Filiale, die sich seit jener Staatsausrufung im Irak 2006 Islamischer Staat im Irak nannte, sich mittlerweile Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (Isis) nennt – und das Staatsprojekt auf Syrien ausgedehnt hat.

Am Wochenende veröffentlichte Isis ein Video, das veranschaulicht, wie man sich das vorzustellen hat. In dem 15 Minuten langen Film aus al-Dana nahe der Stadt Idlib haben die Dschihadisten einen sogenannten Islamischen Gerichtshof etabliert: Ein bestehendes Regierungsgebäude wurde umgewidmet, schon draußen wird vor den Strafen für „Beleidigung des Propheten“ gewarnt. Drinnen sitzen langbärtige Dschihadisten und loben die „Ordnung und Ruhe“, die das Gericht geschaffen habe. „Keine Gesetze, keine Verfassung“, erklärt einer das Prinzip. Es gelte nur, „was Gott gesagt hat und was der Prophet gesagt hat“.

Seit Monaten richten Isis und andere Dschihadisten in Syrien solche Gerichte ein, es häufen sich Berichte von verhängten Todesstrafen und Amputationen. Frauen und Mädchen werden gezwungen, sich komplett zu verschleiern, vormals in Syrien ein nahezu unbekannter Anblick. In den Schulen werden die Curricula auf Religion umgestellt. Sogar Nummernschilder gibt Isis Bildern zufolge heraus.

Wie ernst man das alles nehmen muss, lässt sich noch nicht abschließend sagen. Beunruhigend aber ist es in jedem Fall – zumal Isis-Kämpfer und deren Verbündete nach wie vor Städte und Dörfer einnehmen. Zuletzt, so berichtete die türkische Zeitung Hürriyet, die Grenzstadt Atimah. CNN zufolge droht diese Eroberung der Freien Syrischen Armee, der einzigen wenigstens teilweise säkularen und moderaten Miliz von Bedeutung, die Nachschubrouten abzuschneiden.

Isis operiert dabei – das muss man ergänzen – unter dem Oberbefehl des irakischen Al-Kaida-Chefs Al-Baghdadi, der wiederum seit Monaten den Befehlen des Kaida-Gesamtchefs Aiman al-Sawahiri zuwiderhandelt, indem er die Operationen in Syrien nicht einstellt. Warum nicht? Weil er es nicht braucht. Er ist unabhängig genug, sein eigenes Projekt durchzuziehen. Dabei stört ihn auch nicht, dass in Syrien mit Dschabhat al-Nusra eine zweite Kaida-Gruppe mit dem Segen al-Sawahiris aktiv ist. Vor Ort wird ohnehin gelegentlich kooperiert und Kämpfer wechseln immer mal wieder zwischen beiden Gruppen.

Es gehört zu den bitteren Erkenntnissen des syrischen Bürgerkrieges, dass die Vertreibung der Regierungstruppen nicht immer synonym ist mit einer Befreiung der Menschen, die dort leben. Jedenfalls nicht nach westlichen oder demokratischen oder rechtsstaatlichen Maßstäben. Es mag Orte geben, an denen Bürger die Verwaltung selbst an sich ziehen. Aber es gibt eben mittlerweile eine ganze Reihe von Ortschaften, in denen Dschihadisten regieren, und zwar allein nach ihren Vorstellungen.

Dies wirft ein erneutes Schlaglicht auf ein Problem, welches auch nur zu diskutieren der Internationalen Gemeinschaft derzeit der Mut fehlt: Wer soll eigentlich gegen die Dschihadisten in Syrien vorgehen? Wer soll verhindern, dass sie sich auf eine Art und Weise festsetzen und konsolidieren, dass keine einheimische Kraft auf absehbare Zeit in der Lage ist, sie herauszufordern?

 

Kommt ein Imam in eine Kirche…

… dann gibt es mittlerweile immer öfter Ärger. Zuletzt im pfälzischen Hambach, als während einer Anti-Kriegsmesse ein islamischer Gebetsruf erklang. Für selbsternannte „Islamkritiker“ ein Anlass zur Hysterie.

Nicht mehr als 8.960 Untertanen der britischen Königin dürfen den Titel Commander of the most excellent Order of the Britisch Empire tragen, einer von ihnen ist der walisische Komponist Karl Jenkins, dem der Titel 2010 verliehen wurde. Jenkins hat noch andere Auszeichnungen erhalten, aber eine weitere wichtige ist zweifellos, dass sein Werk The Armed Man 2008 in einer Top-10-Liste des Senders Classic FM von Stücken lebender Komponisten auf dem ersten Platz landete.

The Armed Man ist Jenkins‘ bekanntestes Stück. Es ist eine „Messe für den Frieden“, wie sie auch im Untertitel heißt. Seit der Uraufführung im Jahr 2000 ist sie Hunderte Male in der ganzen Welt aufgeführt worden; von Profis und von Amateuren. Eine der letzten Aufführungen fand am vergangenen Wochenende statt – in Neustadt-Hambach in der Pfalz.

Allerdings stiftete sie keinen Frieden.

Der Grund dafür ist knapp über zwei Minuten lang. Denn das Stück sieht vor, dass der islamische Gebetsruf vorgetragen wird. Das gesamte Werk befasst sich mit der Frage von Krieg und Frieden und der Rolle der Religion in beidem. Jenkins widmete das Stück seinerzeit den Opfern des Kosovo-Konflikts. Es folgt der Struktur einer klassischen christlichen Messe, enthält aber auch Überblendungen und Einschübe – darunter eben jenen Gebetsruf, der mit den bekannten Worten „Allahu Akbar“ beginnt.

Im Sommer dieses Jahres hatte die Leiterin der Kantorei der Pauluskirche von Neustadt-Hambach die Idee, das Werk in dem Gotteshaus aufzuführen. Für den Gebetsruf, den Adhan, bat man den Imam einer benachbarten Moschee um seine Teilnahme. Der sagte auch zu.

Doch je näher die Aufführung rückte, desto mehr regte sich Widerstand. Der Pastor der Gemeinde, Ludger Mandelbaum, hatte zwar die Mehrheit des Gemeinderates hinter sich; er hatte zusätzlich die Unterstützung des Landeskirchenrates Speyer eingeholt. Und auch der Islambeauftragte der Landeskirche sah kein Problem, wie die Südwestdeutsche Zeitung berichtete.

Aber eine Woche vor der Aufführung wurden am Rande des Gottesdienstes Flugblätter verteilt, in denen es der Zeitung zufolge unter anderem hieß, in dem „scheinbar friedlichen“ Gebetsruf seien „Intoleranz, Ausgrenzung und auch Gewalt programmiert“. Presserechtlich verantwortlich zeichnete der einschlägige „Islamkritiker“, Wilfried Puhl-Schmidt.

Ähnlich sieht das Hertha Jene, die für den Tag der Aufführung eine Mahnwache anmeldete.

Ich habe am Dienstag mit Jene telefoniert. Sie sagt, sie treibe vor allem die Christenverfolgung in islamischen Ländern um. Aus Respekt vor diesen Opfern habe der islamische Gebetsruf „keinen Platz in der Kirche“. Außerdem sei die Übersetzung der Worte „Allahu Akbar“ im Programmheft mit „Gott ist groß“ eine „Schönfärberei“; Allah dürfe man nicht einfach mit Gott übersetzen. Und überhaupt: „Allahu Akbar ist der Schlachtruf vor und nach mörderischen Aktionen der Muslime gegen Juden und Christen.“

Dass viele hundert Millionen Muslime jeden Tag mehrmals Allahu Akbar sagen, ohne irgendjemanden zu verfolgen, ficht sie nicht an. Der Kirche wirft sie unterdessen „Lüge“ vor. Sie verstricke sich in Schuld, „genau wie ’33: Damals haben sie Heil Hitler gerufen, heute ist es ähnlich.“

Jene scheint am Islam und den Muslimen grundsätzlich weniges Gutes erkennen zu können. Sie sagt auch, es falle ihr schwer, zwischen Radikalen und gewöhnlichen Muslimen zu differenzieren. Der Koran richte sich ja an alle Muslime gleichermaßen, und er enthalte zahlreiche Gewaltaufrufe. Die meisten Muslime sehen das freilich etwas anders. Und sie handeln auch anders.

Die Mahnwache, die Jene anmeldete, fand denn auch statt, direkt vor der Kirche. Es gibt im Netz Bilder davon. Auch zum Christentum konvertierte Ex-Muslime hatten sich eingefunden. Auf den Plakaten stand zum Beispiel „Allah ungleich Gott“ oder „Alle drei Minuten stirbt ein verfolgter Christ“. Aber auch mindestens ein Vertreter der zum Rechtsextremen tendierenden „German Defence League“ war dabei. Mit der, betont Jene, wolle sie natürlich nichts zu tun haben. Und stören hätten sie und ihre Mitstreiter das Konzert auch nicht wollen.

Es ist ein freies Land, die Mahnwache war genehmigt, und nicht jeder muss es gut finden, wenn ein Imam in einer Kirche auftritt.

Trotzdem gebe ich gerne zu, dass mich das schon verstört. Es ging schließlich um eine Friedensmesse. Und was hat der Imam der Stadt mit Christenverfolgung zu tun?

Auf dem islamophoben Internetportal Politically incorrect sieht man das naturgemäß anders. Hier wurde die Aufführung ausgiebig vor- und nachbereitet. Denn auf PI ist jeden Tag Weltuntergang. Oder zumindest Untergang des Abendlandes.

Entsprechend findet sich in den Kommentarspalten, wie stets bei solchen Anlässen, die übliche Mischung aus Rassismus und Verbalradikalismus. Hier ein paar Beispiele:

„Das geblöke eines Muezzins läßt mich jedesmal spekulieren, ob noch Hirn drin ist.“

„Dieser Windelbrüllaffe ist die Härte!“

„Die Evangelisch-Lutherische Kirche hat sich selber abgeschafft, erstens hat sie den Kirchengründer Martin Luther verraten und verkauft und zweitens hat sie Jesus Christus und alle Heiligen der Kirche verraten und verkauft. Pfui Teufel.“

„Danke an alle, die vor der Kirche standen und sich für die Wahrheit einsetzen. Dazu gehört in einer Zeit der Islamisierung Europas wieder Mut. Die Bedrohung der Existenz bei Islamaufklärern ist mittlerweile real. Nicht nur durch den drohenden Islam sondern auch von Seiten unserer Eliten in Politik, Medien und Deutschen Bischöfen.“

„Austreten bevor noch schlimmeres geschieht und man direkt als ein Volksverräter in die Geschichte eingeht! Wie damals bei den Nazis…..“

Selbstverständlich verzichteten die Diskutanten nicht darauf, Telefonnummer und E-Mail-Adresse des Pastors zu veröffentlichen. „Es ist nicht schön“, sagte Ludger Mandelbaum mir am Dienstag. 150 E-Mails hat er mittlerweile bekommen, „einige beleidigend“, wieder andere nehme er als Pastor durchaus ernst. Fünf Anrufe erhielt er am Dienstag, „von empört bis Austrittsdrohung“.

Vor Ort hatte es laut Mandelbaum deutlich mehr positive als negative Rückmeldungen gegeben. Die Kirche war bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen, die Zeitung fand das Konzert berührend.

Auf Politically Incorrect werden derweil Daten und Orte herumgereicht, an denen The Armed Man als nächstes aufgeführt werden soll.

Es könnte also künftig etwas mehr Mut erfordern, ein weltberühmtes, auf den Frieden zwischen den Menschen ausgerichtetes Musikspiel zur Vorführung zu bringen. Hoffentlich wird es richtig oft gespielt.

PS: Der oben stehende Text bildet den Stand vom Dienstagnachmittag ab. Am späten Dienstagabend nahm er eine weitere Wendung. Denn Pastor Mandelbaum antwortete auf eine E-Mail aus dem PI-Umfeld. Ich dokumentiere seine Antwort hier, weil ich sie bemerkenswert finde.

„Seit 2002 werden Jahr für Jahr Vertreter aller Religionen nach Assisi zu einem Gebet für den Frieden eingeladen, um alle jene zu isolieren, ‚die den Namen Gottes für Zwecke und mit Methoden mißbrauchen, die ihn in Wahrheit verletzen‘. Karl Jenkins setzt sich mit seiner Friedensmesse für Toleranz ein. Er erinnert mit seinem Werk daran, welche Folgen ein mangelndes Verständnis zwischen den Kulturen und Religionen hatten und haben können. Wenn ein Muslim im Rahmen des Werkes seinen Gebetsruf singt, bringt er zum Ausdruck, was er von Gewalt im Namen der Religion hält – nämlich nichts.

Vor dem Konzert hat es eine Mahnwache gegeben von Menschen, zum Teil von Mitchristen, die darauf aufmerksam machen wollen, wie es manchen Christen zur Zeit in der muslimischen Welt ergeht, in Syrien, in Ägypten, in Malaysia. Ich nehme das wahr und ernst. Es zwingt mich als Pfarrer über unser Verhältnis und unser Gespräch mit muslimischen Menschen nachzudenken. Beten wir zum gleichen Gott? Das ist eine offene Frage. Aber eins weiß ich, nur wenn wir friedlich miteinander umgehen, offen werden, um zu hören, was den anderen im Inneren bewegt, werden wir eine Antwort bekommen. Am Ende kann nur Gott selbst uns eine Antwort schenken.

Es tut mir sehr leid, dass einige, darunter auch sehr ernsthafte Christen, sich durch die Friedensmesse mit dem muslimischen Gebetsruf in unserer Kirche beschwert fühlen. Für mich sind in diesen Tagen um und nach der Aufführung der Friedensmesse Wort Jesu nach dem Lukasevangelium leitend:

Lukas 6,27 Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. 28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.

In diesem Sinne grüße ich Sie…!“

Mandelbaums E-Mail landete natürlich umgehend auf Politically Incorrect – was eine neuerliche Welle von Kommentaren nach sich zog. Hier eine Auswahl der Schmähungen: „Erdnusskopf“, „Wer hat denn dem ins Gehirn gesch…?“, „Was für eine Heuchelei, Herr Pfarrer Mandelbaum!“, „Es müssen auch mal Taten erfolgen anstatt immer nur heuchlerisch sein Mitleid ausdrücken. Widerlich solche Menschen, und eine Ohrfeige für die orientalischen Christen“, „Antrag auf Einweisung“, „ein Zeichen von Hirnlosigkeit“.