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Gnocchi vs. Coq au Vin – Italien vs. Frankreich

 

Die beiden coolinarischen Supermächte im finalen Direktvergleich. Die Spielsysteme: »schnell, einfach und leicht« gegen »langsam, opulent und überbordend«

Für 2 Finalticketinhaber
500 g Kartoffeln
100 g Mehl
1 Eigelb
Salz
gegen
2 Hühnerbrustfilets
250 g Champignons
4 Schalotten
1 Flasche Rouge
150 g Speck
Knoblauchzehe
Thymian
Rosmarin
Lorbeerblatt

Die Hühnerbrüste von allem fettigen, sehnigen und was man sonst nicht auf den Teller haben möchte trennen. Die Champignons schälen, entstielen und vierteln. Man könnte sie auch waschen, aber dann werden sie immer so glitschig und wir brauchen heute unbedingt trockene welche. Den Speck atomisieren, genau wie die Schalotten und den Knoblauch.

Für die Gnocchi nebenbei einen Topf mit Salzwasser auf den Herd stellen, zum kochen bringen und dann die Kartoffeln in der Schale 20 Minuten drinlassen.

Jetzt wirds etwas kompliziert, aber mit der offenen Flasche Küchenwein, viel Zeit im Gepäck und das Handy ausgeschaltet macht Coq au Vin wirklich, wirklich Spaß: In einer großen Pfanne die Pilze in viel Butter auf fast großer Hitze anbraten. Wichtig ist, dass jeder Champion genug Platz hat, und keiner auf dem anderen liegt. Weil dann kann das austretende Wasser nicht schnell verdampfen und man bekommt keine Bräunung sondern Suppe. Und das Hauptziel des ersten Teils ist sehr, sehr viel Geschmack (= die Röststoffe am Pfannenboden) zu erzielen. Auf einem Teller zur Seite stellen. Jetzt die Flamme reduzieren und in derselben Pfanne den Speck anbraten. Ist er lecker braun auch die Schalotten und den Knoblauch dazugeben und glasig werden lassen. Alles wieder auf den Teller geben. Der Pfannenboden sollte nun mit einer dicken braunen Schicht überzogen sein, die man mit einem oder zwei Schüssen Rotwein und einem Holzlöffel ablöst und dieses in einem Schälchen schon wieder zur Seite stellt.
Dieses aufwändige Procedere dient der schonenden Zubereitung der einzelnen Zutaten und dem wichtigen Punkt, daß hier nichts schwarz werden darf: Weil schwarz bedeutet bitter und braun bedeutet lecker. Und weil alles verschiedene Bratzeiten hat, machen wir das schön langsam der Reihe nach.

Die Pfanne abtrocknen und Butterschmalz oder neutrales Öl auf großer Flamme erhitzen und die beiden Hühnerbrüste ringsherum anbraten. Wieder geht es hier nur um den Geschmack, der am Pfannenboden kleben bleiben soll.
Achso, ein später aber wichtiger Einwand: Bei Coq au Vin ist logischerweise eine beschichtete Antihaftpfanne so fehl am Platz wie sonst auch. Das benutzen echt nur uncoole fitforfun-Abonenten, die immer nur Lightprodukte kaufen und Vorabendserien kucken. Also nichts für die Genußmenschen und REZEPTORen
Die Brüste dann noch salzen und pfeffern. Jetzt kommt zusammen, was zusammen gehört: Den Speck, das Huhn und die Pilze in dieser Reihenfolge in einen Topf geben, mit einer halben Flasche Rotwein anleeren und auf leiser Hitze zugedeckt alles 10 Minuten schmoren lassen.

Für die Gnocchi nochmal Salzwasser aufsetzen und die Kartoffeln heiss schälen, durch eine Kartoffelpresse oder einen Spätzledrücker pressen, 100g Mehl, Salz und das Eigelb dazu und mit den Fingerspitzen vorsichtig einen Teig kneten. Je mehr kneten desto Beton, also wirklich vorsichtig und so wenig wie möglich da rumfummeln. Dann eine 1-cm-Wurst rollen und zentimeterdicke Stücke abschneiden, zwischen den Händen Kugeln formen und mit dem Gabelrücken dann noch drüberrollen, damit diese charakteristische Riffelung entsteht, die wichtig für den Saucentransport in den Mund ist.

5 Minuten in ganz leicht blubberndem Salzwaser garziehen lassen. Das ganze muss relativ schnell vor sich gehen, weil das Huhn sonst mittlerweile trocken und zäh wird. Für Geübte ist das machbar, aber besser man holt sich seinen Tischpartner und noch ne Flasche Wein ins Boot.

Das Fleisch nach 10 Minuten rausnehmen und in Alufolie eingewickelt entspannen lassen. Wie immer sind die Fleischsäfte in der Mitte des Fleischs konzentriert, und in der Alufolie ohne Hitzeeinwirkung verteilt sich das wieder und das Fleisch wird komplett saftig.

Bis dahin reduzieren wir die Sauce mit vollster Herdplattenkraft und schmecken nochmal mit Salz und Pfeffer ab. Jetzt noch einen Stich Butter reinmontiert und dann kanns auch schon ans Anrichten gehn: Jede Brust zweimal längs aufschneiden und auf einem Berg Pilz-Speck-Schalotten drappieren, die Gnocchi ringsherum postieren und dann Sauce drüber.

Spielbericht
Beide Mannschaften brennen hochmotiviert von der ersten Sekunde an ein Geschmacksfeuerwerk ab: Die Franzosen mit saftigem Spiel im Mittelfeld, die Kreativabteilung Huhn ist leckerleicht und kontrastiert mit der sicheren Abwehr um die beiden Innenverteidiger-Türme Speck und Pilze, die trotzdem leichtfüßig agieren. Schauen wir auf die Gegenseite: Da kommt natürlich alles auf die Qualität der Kartoffel-Wahl an. Weil der Trainer nur das beste vom besten aufgestellt hat, ist das Ergebnis auch schön locker und leicht, daß es nur aufgrund der angenehm schweren Weinsauce nicht vom Teller abhebt. Naja, man kann solche Spiele schwer in Worte fassen, man muss dabeigewesen sein. Dann wird man auch noch in ferner Zeit davon erzählen und wer damals gewonnen hat? ach keine Ahnung, ich glaub die Franzosen.

REZEPTOR macht jetzt zwei Wochen Pause, bis der Liga-Alltag wieder anfängt. Nach der WM ist vor der WM und man darf sich schon auf ein neues Konzept mit der 4. Staffel »Fleisch« freuen?